„Glaube und Gleichberechtigung Hand in Hand“. Online-Konferenz von Religions for Peace

Vom 10. bis 13. November 2020 lud „Religions for Peace“ (RfP), die größte Vereinigung religiöser Gemeinschaften weltweit, zur „1st Assembly on Women, Faith & Diplomacy“ ein. Wie bereits die 10. interreligiöse Weltversammlung von RfP (vgl. MdEZW 10/2019, 371f) sollte die „1st Assembly“ ursprünglich in Lindau am Bodensee stattfinden. Aufgrund der globalen Pandemielage konnte sich dort nun aber lediglich das RfP-Organisationsteam treffen, während die eigentlichen TeilnehmerInnen der Konferenz virtuell zusammenkamen. Anders als im letzten Jahr gab RfP seiner Versammlung diesmal außerdem ein übergeordnetes Thema: Die friedensstiftende Rolle von Frauen und Religion in der Diplomatie.

Obwohl es sich bei RfP um eine Nichtregierungsorganisation handelt, bezeichnete die in Ägypten geborene RfP-Generalsekretärin Azza Karam die Vereinigung in ihrer Eröffnungsansprache am 10. November 2020 als die „Vereinten Nationen der Religionen“. Entsprechend politisch fielen auch die Grußworte zum Auftakt dieser u. a. durch das deutsche Auswärtige Amt geförderten Versammlung aus. Neben Michelle Müntefering, Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik, und Bundeskanzlerin Angela Merkel wandte sich auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres an die KonferenzteilnehmerInnen und sprach von seiner Hoffnung auf eine „Welt, in der Glaube und Gleichberechtigung Hand in Hand gehen“.

In den folgenden vier Tagen traf sich in Lindau bzw. online das „Who’s who“ des weltweiten interreligiösen Dialogs zu verschiedenen Paneldiskussionen, Präsentationen und Workshops, um sich über ein ausgesprochen diverses Themenspektrum auszutauschen. Die behandelten Fragestellungen reichten von Gleichberechtigung in der Diplomatie über die Rolle von Religion und Religionen in der Corona-Krise und im Klimaschutz bis zu regionalen Konflikten etwa in Ostafrika und Südostasien, bei denen Religionen sowohl Teil der Ursache als auch Teil der Lösung sein können. Immer wieder wurde betont, dass ein Frieden nur dann nachhaltig sein könne, wenn am Friedensprozess auch Frauen beteiligt seien. Weitere besonders aktuelle Problemfelder wurden in Diskussionen um „Hatespeech“ (Hass im Netz) oder um die Zunahme sexualisierter Gewalt gerade auch während des in diesen Tagen und Wochen in vielen Ländern verhängten „Lockdowns“ angesprochen.

Über weite Strecken der Konferenz herrschte unter den DiskutantInnen aus verschiedenen Religionen große Einigkeit. Ebenso wie in der Diplomatie seien Frauen auch in den Führungsetagen religiöser Gemeinschaften weltweit deutlich unterrepräsentiert, obgleich oftmals gerade sie es seien, die die religiöse Alltagspraxis mit Leben füllen. „Ohne die Kraft, den Aktivismus und das Engagement von Frauen gäbe es keine Religionen“, betonte Azza Karam in ihrem Schlussplädoyer am 13. November. Margot Käßmann, ehemalige EKD-Ratsvorsitzende und Mitglied des RfP-Leitungsgremiums, wünschte sich vor diesem Hintergrund ein deutlich beherzteres Auftreten feministischer TheologInnen und ergänzte, auch jungen Menschen müsse auf religiösen Führungsebenen künftig mehr Gehör verschafft werden.

Letzteren Appell will RfP mit einer Folgeversammlung in diesem Jahr aufgreifen, deren Arbeitstitel auf einer Pressekonferenz nach Ende der Veranstaltung bereits genannt wurde: „Youth, Faith & Diplomacy“. Ob diese zweite Versammlung tatsächlich zustande kommt und ob sie gegebenenfalls auch online wird stattfinden müssen, ist derzeit noch nicht absehbar. Zufrieden jedenfalls waren die Veranstalter mit der Reichweite der ersten thematischen RfP-Versammlung. Über 1500 Menschen hätten die unterschiedlichen Diskussionsformate in verschiedenen Online-Livestreams und Zoom-Meetings verfolgt, Zehntausende weitere Personen weltweit seien über diverse Social-Media-Kanäle erreicht worden. Insofern diente diese RfP-Online-Konferenz nicht nur als eine Plattform für den Erfahrungsaustausch zwischen einschlägig Interessierten, sondern lenkte nicht zuletzt mediale Aufmerksamkeit auf ein bislang nur sehr selten beleuchtetes Thema.


Alexander Benatar, 03.01.2021