Schon seit längerem wird dem Finanzpodcast Hoss & Hopf die Verbreitung von Verschwörungserzählungen vorgeworfen. Auf der Lesetour zu ihrem Spiegel-Bestseller „Jeden Tag ein Schritt“ machten die beiden Podcaster nun mit Tipps zum Manifestieren Schlagzeilen. Ein Grund für die EZW, sich Hoss & Hopf Live einmal genauer anzusehen.
„Glaubt mir, als ob ich euer Sektenführer bin!“ – Ein Erfahrungsbericht von der Live-Tour des Podcasts Hoss & Hopf

Der 1999 geborene Kiarash Hossainpour (Hoss) und der 1984 geborene Philip Hopf (Hopf) knüpften bei einem Gespräch zum Thema Kryptowährungen Kontakt und beschlossen daraufhin, gemeinsam einen Podcast zum Thema Finanzen aufzunehmen. Seit September 2022 erscheinen regelmäßig Folgen ihres erfolgreichen Formats Hoss & Hopf – über 270 Folgen sind es inzwischen. Der YouTube-Kanal der Podcaster hatte zum Zeitpunkt der Recherche (Juli 2025) 430.000 Abonnent:innen, die Zahl der Follower:innen auf Instagram lag bei knapp 260.000. Zu Beginn des Jahres 2024 war Hoss & Hopf zeitweise der erfolgreichste deutschsprachige Podcast auf Spotify.
Wer auf dem Kanal allerdings tatsächliche Finanztipps erwartet, wird enttäuscht. Hatten sich Hoss & Hopf in der ersten Folge noch als wissbegierige Suchende vorgestellt, beschäftigt sich bereits die zweite Folge unter dem Titel „Gute Zeiten, schwache Männer, schwache Männer, harte Zeiten“ mit dem Thema der „verweichlichten“ Männlichkeit. Neben Folgen zum „Erfolgsmindset“ finden sich auch zahlreiche Beiträge, deren Inhalt als verschwörungstheoretisch eingestuft wird, wie beispielsweise solche zur vermeintlichen Macht der Familie Rothschild oder zu einem angeblichen unterirdischen Tunnelsystem der US-amerikanischen Eliten. Die beiden verhandeln im Podcast zudem auch rechtspopulistische Themen und sprechen sich für die Positionen der AfD aus.
Die 2024 erfolgte Veröffentlichung ihres Buches Jeden Tag ein Schritt1 nahmen Hoss & Hopf zum Anlass, zu einer Live-Tour aufzubrechen. Dabei traten sie jeweils mit zwei Gästen in großen Veranstaltungshallen auf, u.a. in Berlin, Köln, Mannheim, München und Zürich. In München mischte ich mich selbst unter das Publikum.
Hoss & Hopf Live in der Münchner Olympiahalle
Die Stimmung bei Hoss & Hopf Live in der Münchner Olympiahalle ist an diesem verregneten Abend ruhig und geordnet. Sie hat etwas von einem Businessseminar: viel weniger knallig und aufgeheizt als Veranstaltungen anderer Erfolgs-Coaches wie beispielsweise die „Power-Days“ von Jürgen Höller, die ebenfalls hier stattfinden.2 Ca. 3.000 Fans des Podcasts sind gekommen, um die beiden Hosts live zu erleben. Damit ist die Halle, die über knapp 12.600 Sitzplätze verfügt, allerdings nicht einmal zu einem Viertel gefüllt. Die Ambitionen waren, wie es scheint, größer. Viele Menschen in der Halle sind überraschend jung, mehr Männer als Frauen, und auffallend viele von ihnen tragen blütenweiße Hemden. Die Karten für das Event waren nicht billig. Sie lagen zwischen knapp 70 und 110 Euro. Auch ein teureres VIP-Paket wurde angeboten. Für viele der jungen Besucher:innen dürfte das eine echte Investition gewesen sein. Und auch der zeitliche Aufwand ist beachtlich: Vier Stunden dauerte die Veranstaltung an einem Mittwochabend.
Longevity
Das Programm beginnt nach einem Countdown mit einem Einspieler, der die beiden Hosts noch einmal vorstellt. Es wird betont, dass es sich um mehr handle als um einen Podcast. Es sei eine „Community“ entstanden. Dann erscheinen „Hoss & Hopf“ auf der Bühne und erzählen die Entstehungsgeschichte ihres Podcasts. Hossainpour habe die Idee dafür gehabt. Nachdem er nach Dubai ausgewandert sei, hätten ihm nicht nur tiefsinnige Gespräche auf Deutsch gefehlt. Zugleich habe er das Gefühl gehabt, dass nach der Covid-Pandemie viele Themen nicht mehr angesprochen würden. Eine Sprachnachricht an Hopf, aus der ein Ausschnitt vorgespielt wird, sei der Funke gewesen, der alles in Bewegung gesetzt und die Podcaster zu ihrem Erfolg geführt habe. Wichtige Grundlagen für Erfolg seien aber in erster Linie gewisse Routinen und eine gute Praxis. Damit leiten die beiden zu ihrem Buch Jeden Tag ein Schritt über, das diese Praxis gewährleisten soll. Hopf fragt das Publikum, wer das Buch bereits gelesen habe oder gerade lese und wer bereits eine Veränderung in seinem Leben wahrgenommen habe. Einige Hände gehen in die Höhe. Der Klappentext beschreibt Jeden Tag ein Schritt mit folgenden Worten:
Wie du täglich erfolgreicher wirst! Die Erfolgsstrategien des No.1 Podcasts mit Kiarash Hossainpour und Philip Hopf (Hoss&Hopf). Werde dein bestes Selbst!
Das Buch erinnert an ein Losungsbuch: Es hat 365 kurze Kapitel, eines für jeden Tag des Jahres. Die Kapitel beinhalten je eine Inspiration, ein Zitat oder eine kurze Geschichte, mit einer kurzen Erläuterung im Anschluss. Zudem gibt es jeweils einen Infokasten mit Hinweisen, worüber an diesem Tag auf Grundlage des Zitats reflektiert werden soll. Im Gegenteil zum herkömmlichen Losungsbuch gibt „Jeden Tag ein neuer Schritt“ aber ein klares Erfolgsversprechen: bei konsequenter Anwendung soll nach Ablauf eines Jahres, ein mentaler Wandel eingetreten sein, der das Potential hat, den Leser zu seinem besten Selbst zu führen.
Hossainpour liest das Kapitel für den 22. November mit dem Titel „Das Morgen-Ich“ vor. Thema ist, dass das Ich einen aufgrund trügerischer chemischer Signale anlüge. Es geht um innere Schwäche und darum, wie diese überwunden werden könne.
Überall lauere die Verführung, führt Hossainpour weiter aus, z.B. in den sozialen Medien, die Hopf, obwohl sie den Erfolg der beiden Podcaster gewährleisten, als „Satanszeug“ bezeichnet. Aufgrund der vielen Versuchungen sei es für das Ich „noch nie so schwer gewesen, gesund zu bleiben“.
Damit ist zum ersten Gast des Abends übergeleitet, dem österreichischen Fitness- und Gesundheits-Coach Nick Haasmann, dessen Leitsatz genau darin besteht. Man findet diesen Satz auch auf Haasmanns Webseite, dort mit der weiterführenden Erläuterung:
Ich bin der festen Überzeugung, dass Fitness und vor allem Gesundheit nicht von Ärzten oder Gesundheitssystemen“ [sic!] kontrolliert werden sollten und dass jeder die Verantwortung für seine eigene Gesundheit übernehmen kann. Von schlechter Lebensmittelqualität über unausweichliche Umweltgifte bis hin zu einem modernen Lebensstil, der unsere Biologie zerstört – es war noch nie so schwer, gesund zu bleiben.
Und es ist klar, dass die aktuell bestehenden Institutionen NICHT funktionieren.
Lebensmittel- und Pharmaunternehmen monetarisieren unsere Krankheiten, und niemand hat dein bestes Wohl im Sinn.3
Hier gibt der Abend einen ersten Hinweis für seine Anschlussfähigkeit an oft esoterisch geprägte Verschwörungserzählungen, wie sie seit der Covid-Pandemie vielfach zu hören sind. Doch lässt sich Haasmanns Vortrag auch zugleich der mit dem Transhumanismus verwandten und libertär geprägten Longevity-Bewegung zurechnen. Nur was gemessen werden kann, lässt sich auch verbessern, sagt Haasmann. Deswegen sei es wichtig, von allen Dingen möglichst viele Kennzahlen zu haben: Alles müsse vermessen werden, weil nur so die angestrebte Transformation überhaupt möglich sei. Dabei beruft Haasmann sich auf ein buntes Potpourri an Konzepten und Begriffen: darunter das japanische Kaizen-Prinzip, das TAO-Prinzip (test, analyze, optimize), die Via Negativa, der Slogan „progress over perfection“, das Pareto-Prinzip und der von Haasmann selbst entwickelte NH-Score (Nick Haasmann Score). Es schwirrt einem der Kopf.
Im Einzelnen sind es zwei Punkte, bei denen Haasmann Verbesserungsbedarf sieht: beim Schlaf und der Ernährung. Schlaf und Erholung seien nicht passiv. Man könne beim Schlafen viele Fehler machen, wenn man nicht die richtige Routine einübe und Disziplin aufbringe. Während des Schlafs gelte es, möglichst die Luft zu filtern und die Schlafphasen zu vermessen und zu überwachen, um verlässliche Kennzahlen zu haben. Hopf räumt ein, beim Thema Schlaf selbst viele Fehler gemacht zu haben, weil er dem „Wallstreet Livestyle“ nacheifern wollte. 4 Hier sei er eines Besseren belehrt worden.
Beim Punkt Ernährung betont Haasmann erneut, wie schwer es heutzutage sei, sich gut zu ernähren. Weil Konzerne minderwertige Lebensmittel herstellten, bedürfe es Supplements, also Nahrungsergänzungsmittel, um die qualitativ schlechten Lebensmittel auszugleichen. Zudem seien Drogen und Alkohol zu vermeiden, ebenso auch Gluten, das zu einer Anreicherung von Schimmelpilzkulturen im Körper führe. Auf der Ticketplattform Eventim schreibt ein Nutzer, der sich selbst als Arzt und Investor bezeichnet, er habe nach diesem Beitrag aufgrund der vielen darin enthaltenen Falschinformationen die Veranstaltung verlassen.5
An den langen Vortrag schließt sich noch eine kurze Fragerunde des Publikums an die Hosts an, wobei die Fragen über einen QR-Code online eingereicht werden. Eine der Fragen lautet:
Ihr wurdet medial schon vielfach auch scharf angegriffen. Woher nehmt ihr den Mut, so offen die Wahrheit auszusprechen und kritische Dinge zu sagen?
Diese Frage veranlasst Hopf, der sich bislang auffallend zurückhielt, zu der Feststellung, er habe „den Fetisch, dem Staat auf die Fresse zu geben, wo es nur geht.“ Das Publikum applaudiert spontan. Einige Gäste grölen und es scheint, als hätten Teile des Publikums auf diesen Ausbruch gewartet. Ziel sei es, so führt Hopf weiter aus, finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen, um sagen zu können, was man denke. Aufgrund seines Erfolgs könne ihm niemand etwas anhaben, denn er sei sein eigener Chef. Die Schlussfolgerung ist offensichtlich: Nur mit Geld lasse sich wahre Meinungsfreiheit erzielen, und im Umkehrschluss: Reichtum ist dazu da, der eigenen Meinung Gehör zu verschaffen.
Während der Pause gehen einige Besucher:innen, mehrheitlich Männer, für eine Zigarette vor die Halle. Haasmanns Warnungen vor einer ungesunden Lebensweise scheinen bei ihnen wenig Widerhall gefunden zu haben. Einige Besucher:innen zeigen sich zudem enttäuscht darüber, dass es nicht krawalliger zugeht und so viel über Gesundheit und Ernährung gesprochen wird. Und doch brandet spontaner Jubel auf, als ein Mann im strömenden Regen an der Olympiahalle vorbeijoggt. Die Gruppe vor der Halle feuert ihn an. Seine Entschlossenheit, trotz des widrigen Wetter Sport zu treiben, wirkt wie eine Illustration der Werte, die auf dieser Veranstaltung vermittelt werden sollen. Disziplin und Entschlossenheit sind hier die Kerntugenden. Zurück in der Halle höre ich eine junge Frau zu ihren Freundinnen sagen, sie werde wohl nicht bis zum Ende der langen Veranstaltung durchhalten und deshalb nun gehen. Ihre Freunde sollen mitnotieren, damit sie keine wichtigen Informationen verpasst.
Manifestieren
Der zweite Teil des Events beginnt wieder mit einem Denkspruch aus „Jeden Tag ein Schritt“. Diesmal ist es der vom 17. Dezember. Unter der Überschrift „Der japanische Soldat“ wird die Geschichte von Hiroo Onoda erzählt, der über Jahrzehnte hinweg Meldungen vom Ende des Zweiten Weltkriegs für falsch hielt und deshalb weiterkämpfte, bis er schließlich im Jahr 1974 von seinem extra angereisten Vorgesetzten offiziell den Befehl erhielt, sich zu ergeben. Die Geschichte von Onoda zieht Hopf als ein Beispiel für grenzenlose Willenskraft und die Weigerung aufzugeben heran.
Die Willenskraft sei, so Hopf, die „wichtigste aller Tugenden“ und „die mächtigste Waffe, die es im Universum gibt“. Willenskraft sei sogar sehr viel wichtiger als Intelligenz, nur müsse sie trainiert werden. Wer arm ist, sei hier, so Hopf, oft im Vorteil, weil die Willenskraft dann bereits stärker ausgebildet sei. Es gehe darum, einen Sinn für die eigene Existenz zu finden, ein Ziel. Ganz wichtig sei dabei die Dankbarkeit für alles, was man habe: Obwohl es viel „Böses“ gebe, sei das Leben doch schön.
Nach dieser Einleitung steht das Thema Manifestieren auf dem Programm. Die Presse könne es nicht nachvollziehen, sagt Hopf, und redet davon, es würde „geschwurbelt“. Mit „Schwurbeln“ aber habe das Manifestieren nichts zu tun. Hopf empfiehlt den modernen Esoterik-Klassiker The Secret6 „zu lesen wie die Bibel“.78 Die Erwähnung von The Secret führt zu spontanem, wenn auch etwas verhaltenem Applaus im Saal. Zumindest scheint das Buch vielen Besucher:innen ein Begriff zu sein. Hopf selbst habe das Buch, so räumt er ein, viel zu spät entdeckt. Man müsse früh mit dem Lesen anfangen. Doch sei für Hopf das Manifestieren in erster Linie Erfahrungswissen, das er sich selbst angeeignet habe.
Auf diese Einführung ins Thema hin folgt der zweite Gast des Abends, nun eben der Experte für das Manifestieren: Max Goltzer aus Weilheim. Goltzer wirkt locker, ein Surfer-Typ mit weißem Longsleeve, langer Lederkette mit Anhänger und verstrubbelten Haaren. Goltzer war früher Leistungssportler und aus dieser Zeit stammt auch sein Interesse für die Vermessung des Körpers. Später gründete er in Berlin das Diagnostikunternehmen Biotrakr und schrieb das Buch Biohacking – Optimiere dich selbst.9 Er beginnt seinen Part mit einer Körperaktivierung: Das Publikum soll aufstehen, sich bewegen.
Dann beginnt sein Input: Manifestation sei keine Esoterik, sondern Neurowissenschaft. Und in der Tat ist das, was Goltzer anschließend beschreibt, recht nah am Weltbild der Longevity-Bewegung. Beim Manifestieren gehe es darum, den eigenen Körper zu besiegen und das verführbare Ich zu manipulieren. Gedanken seien elektrische Impulse, durch die das neuronale Netzwerk trainiert werde. Deshalb sei es wichtig, das Denken auf die eigenen Ziele und auf das Positive im Leben zu lenken. Das Gehirn müsse darauf trainiert werden, was es für wichtig halten solle, um so wichtige Gedanken mit „Value Tags“ versehen zu können. All dies funktioniere, so Goltzer, nach demselben Mechanismus, der auch in der Werbung angewendet wird. Er vergleicht das Vorgehen mit einer pawlowschen Konditionierung des Ichs.
Im nächsten Schritt erklärt Goltzer, wie man Affirmations formuliert. Affirmations seien „neurologische Impulse, die die Realität beeinflussen“, steht auf der den Vortrag begleitenden Präsentation. Man solle sich immer wieder Dinge sagen wie „Ich habe es verdient“ oder „Ich liebe es, meine Ziele zu erreichen“. Dabei sei es sehr wichtig, sich die Frage zu stellen: „Was will ich wirklich“?
Zudem seien Emotionen, so Goltzer weiter, ein wichtiger Bestandteil gelungener Affirmations. Emotionen seien elektromagnetische Energien, die im Gehirn besonders deutlich ankommen. Das Gesetz des Universums laute deshalb: Ein mit genug Emotion ausgesendeter Wunsch wird wahr. Spontaner Applaus brandet auf. Allerdings betont Goltzer auch, es sei wichtig, ins Handeln zu kommen.
Auf Goltzers Input hin schaltet sich erneut Hopf ein und betont, wie sehr ihm das Manifestieren geholfen habe. „Glaubt mir, als sei ich euer Sektenführer,“ sagt er. Ziel sei es, sich jeden Morgen selbst zu besiegen. Am besten mit Affirmations, die man 21 Tage am Stück wiederhole: Nach 21 Tagen würden die Gedanken vom Bewusstsein in das Unterbewusste wandern.
Lebenshilfe
Zum Abschluss der Veranstaltung folgt nochmals eine Fragerunde. Acht online eingesendete Fragen werden von Hoss & Hopf beantwortet. Und zum ersten Mal an diesem Abend wird der Grund für den Erfolg, den die beiden als Podcaster haben, wirklich nachvollziehbar. Die beiden wirken nahbar, freundlich, zugewandt. Sie geben Antworten auf die Sorgen und Nöte des Publikums, das offenkundig nach Orientierung sucht. „Wo sollte man im Leben mit Anfang 30 stehen?“ lautet die erste Frage. Man solle sich niemals mit anderen Vergleichen, geben Hoss & Hopf zurück. „Wie kann ich mich als alleinerziehende Mutter mit einem Vollzeitjob, der mich nicht erfüllt, selbst verwirklichen, ohne meine Familie zu gefährden?“, lautet eine weitere Frage. Hoss & Hopf stimmen ein Lob auf die Mütter an. Einen konkreten Tipp für die Selbstverwirklichung aber bleiben sie an dieser Stelle schuldig. Man solle sich eben jeden Tag eine halbe Stunde Zeit nehmen, um sich auf die eigenen Ziele zu konzentrieren. Eine halbe Stunde Zeit am Tag sollte ja wohl jeder haben. Bei aller Zugewandtheit zeigt sich hier deutlich, wie weit die beiden von der Lebensrealität einer alleinerziehenden Mutter in Wirklichkeit entfernt sind. Eine Besucherin merkt dies später auf dem Weg zur U-Bahn auch an.
Andere Fragen lauten, wie man es schaffe, trotz Erfolg nicht abzuheben, wie man den eigenen Kindern die richtigen Werte beibringe, wie man sich von der Meinung anderer emanzipiere und worin Hoss & Hopf den Sinn für ihr Leben sähen. Ganz konservativ antworten die beiden an dieser Stelle, der Sinn des Lebens liege für sie darin, sich um andere Menschen zu kümmern, vor allem um die Familie, die Eltern, die Frau, die Kinder. Kinder solle man unbedingt haben, betonen sie, sonst stürben „wir“ aus. Ziel sei es, sein bestmögliches Selbst zu sein, in Frieden zu leben und zu prosperieren. Doch zöge am Horizont eine Gewitterfront auf, die diesem Ziel entgegenstehe: Kriegstreiberei und Angstmache prägten die Welt. Es wird deutlich, dass damit der Staat gemeint ist, der diesen Rückzug auf das Innerliche, auf den eigenen Erfolg und die eigene Familie unterbinde. Es sind nicht der Klimawandel und unberechenbare Staatsoberhäupter, die Hopf & Hoss Sorge bereiten, sondern die Presse und vor allem ein übergriffiger Staat. Dieser störe den gewohnten Gang der Dinge, das friedliche, auf finanziellen Erfolg ausgerichtete Leben. Geopolitische Zusammenhänge, wirtschaftliche Ausbeutung, Naturkatastrophen: Sie bleiben hier vollständig ausgeblendet. Im Zentrum steht eben das Ich und diesem Ich gegenüber gibt es nur die unendliche Fülle des Universums. Alles, was als dazwischenstehend aufgefasst wird, gilt als feindlich. Man nimmt den beiden ab, dass sie diese naive Weltsicht aufrichtig vertreten.
Weltanschauliche Einordnung
Auch wenn Hoss & Hopf keine klar zu benennende Weltanschauung vertreten, lassen sich doch einzelne Versatzstücke der Veranstaltung weltanschaulichen Systemen zuordnen.
Vom Transhumanismus zum New Thought
Explizit ist der Bezug zur noch recht jungen Longevity-Bewegung, die den Tod als eine Krankheit ansieht, die durch das ständige Vermessen des Körpers und seiner Umwelt sowie mit technischen Hilfsmitteln wie KI überwunden werden kann. Das Ziel, den Tod und jedes menschliche Leid mit Hilfe des technischen Fortschritts zu überwinden, hat die Longevity-Bewegung mit dem Transhumanismus gemein. Doch ist im Gegensatz zum klassischen Transhumanismus die Intelligenz, die diese technischen Hilfsmittel entwickelt, dabei kein entscheidender Faktor.10 In der Longevity-Bewegung ist die Willenskraft, die es schafft, sich der Technik völlig unterzuordnen, die „wichtigste Tugend“. Sie schlägt sich vor allem in eiserner Disziplin nieder, die sich dann auch in den gestählten Körper einschreibt. Das Ich, der Geist, spaltet sich dabei auf in einen verführbaren Anteil, der kurzfristigen Versuchungen wie Fast Food- oder Alkoholkonsum nachgeben möchte und einen starken Anteil, der langfristige Ziele im Blick behält und den schwachen Anteil durch Routine und Disziplin beständig überwinden muss.
An dieser Stelle weist die Longevity-Bewegung große Parallelen zum New Thought11 auf, der die Praxis des Manifestierens durch Affirmations hervorgebracht hat. Im Zweig des New Thought, der besonders die Coaching-Szene und den so genannten Cult of Success geprägt hat, wird die Willenskraft als zentrale göttliche Kraft gedeutet, die jedes Leid bis hin zum Tod überwinden kann. Auch hier wird eine Spaltung des Geistes in einen starken und schwachen Anteil angenommen. Über diese Spaltung wurden dabei historisch auch immer Fragen der Geschlechterrollen verhandelt: So war der schwache, verführbare Anteil des Geistes weiblich, der willensstarke Anteil männlich konnotiert.12 Dadurch wurde aus einer ursprünglich überwiegend von Frauen getragenen Bewegung eine, die eher Männer ansprach. Diese explizite Deutung begegnet uns bei Hoss & Hopf zwar nicht, doch ist die Verbindung von Disziplin und Männlichkeit ein beständiges Thema, sowohl des Podcasts als auch der Longevity Szene allgemein. Und sie schlägt sich zudem im überwiegend männlichen Publikum der Live-Veranstaltung nieder.
Traditionell versteht sich die Neugeistbewegung, wie alle esoterischen Systeme, als eine Synthese aus Wissenschaft und Religion. Dies zeigt sich schon in den Bezeichnungen der ersten neugeistig geprägten Gruppierungen wie zum Beispiel der Christian Science von Mary Baker Eddy.13 Wenn auf der Veranstaltung also beständig die Wissenschaftlichkeit der Vorträge betont wird, steht dies nicht im Widerspruch zu klassischen neugeistlichen Strömungen, sondern ist eine Fortführung esoterischer Tradition. So scheinen zum Beispiel immer wieder die Wurzeln der Neugeistbewegung im Mesmerismus durch, wenn etwa Emotionen als elektrische Impulse bezeichnet werden, die den eigenen Wünschen eine energetische Aufladung verleihen, durch die das Universum die Wünsche umsetzen kann. Der Verweis auf die Notwendigkeit, auch zu handeln, zeigt allerdings, dass dies nicht mit einer vollständigen Ablehnung der Materie als überwindbare Illusion verbunden wird. Das Denken allein führt noch nicht, wie dies in manchen Neugeist-Systemen der Fall ist, zu einer Verbesserung.
In Anbetracht dessen ist es interessant, dass es Hoss & Hopf nicht einfach bei Begriffen wie Longevity oder Biohacking, wie Max Goltzer seine Praxis nennt, belassen, sondern dezidiert auf Begriffe und Literatur aus dem esoterischen Bereich verweisen. Mit den Begriffen „Manifestieren“ und „Affirmations“ sowie dem Hinweis auf den esoterischen Bestseller The Secret schlagen Hoss & Hopf selbst die Brücke zur Esoterik und, trotz der Technikbegeisterung der Longevity-Bewegung, auch zur Alternativmedizin. Damit laufen sie einerseits Gefahr, Teile ihrer Fans zu verlieren, können aber andererseits damit auch neue, eher esoterisch ausgerichtete Zielgruppen ansprechen.
Eine evangelikale Blaupause
Verweise auf Religion werden von Hoss &Hopf sonst nur ironisch gebrochen („Lest dieses Buch wie die Bibel“, „Glaubt mir, als ob ich euer Sektenführer bin!“). Allerdings gibt es neben der inhaltlichen neugeistigen Prägung strukturelle Parallelen, die an das evangelikale Christentum erinnern. Geht man von den Kennzeichen Christozentrismus, Biblizismus, Konversionismus und Dualismus14 aus, so finden sich dazu vergleichbare Strukturen in der von Hoss & Hopf vermittelten Praxis.
Das persönliche Verhältnis zu Christus wird durch das Verhältnis zu sich selbst ersetzt. Immer wieder muss das Ich nach seinen Wünschen und Zielen befragt werden. Zugriff auf die Fülle des unendlichen Universums - wovon das Ich ein Teil ist – hat nur der, dem es gelungen ist, ein gutes Verhältnis zu diesem aufzubauen. Und nur er wird diese Ziele auch umsetzen können. Die Unterwerfung unter die Autorität der Bibel wird hier zur Unterwerfung unter die Autorität der Kennzahlen und der wissenschaftlichen, zum Teil pseudowissenschaftlichen Systeme zur Verbesserung des Lebens. Wie im evangelikalen Christentum steht dabei die Entscheidung im Zentrum. Auf die Entscheidung für das Ich, die immer wieder bekräftigt werden muss, folgt die Konversion zu einem neuen besseren Ich, zur besten Version des Selbst. Dabei hilft das Reflektieren über die Tageslosungen in „Jeden Tag ein Schritt“ ebenso wie die täglichen Affirmations, die 21 Tage lang wiederholt werden. Dieser 21 Tage-Rhythmus erinnert an das Daniel Fasten, wie es häufig bei evangelikalen Gruppen beispielsweise bei der „International Christian Fellowship“ (ICF) praktiziert wird.15 Während sich Hoss & Hopf auf angeblich neurowissenschaftliche Erkenntnisse beziehen, werden die 21 Tage beim Daniel Fasten mit der Bibelstelle Daniel 9-11 erklärt.
Auch der Dualismus als eine Abkehr von der modernen Welt findet sich bei Hoss & Hopf. Einerseits vertritt der Podcast vordergründig ein szientistisches Weltbild. Andererseits wird die Welt als durch Konzerne und selbstsüchtige Interessen korrumpiert beschrieben, womit auch das Vertrauen in wissenschaftliche Autoritäten infragegestellt ist.
Zudem würden dem Podcast zufolge Ideale wie Frieden, Familie, Disziplin, Männlichkeit u.a. nicht mehr wertgeschätzt. Hier schließt dann auch die Offenheit für Verschwörungsdenken und eine rechte Ideologie an. Ängste vor einem gesteuerten Sittenverfall, vor einem staatlich geförderten und gewünschten Absterben der eigenen Kultur, vor den Machenschaften der Lebensmittel- und Pharmaindustrie: All dies schwingt auch bei scheinbar harmlosen Themen stets im Hintergrund mit. Alles, was das Ich an der vermeintlichen, zumeist mit Geld gemessenen Potentialentfaltung hindert, wird als feindlich angesehen. Hoss & Hopf reagieren auf staatliche Interventionen ebenso wie auf geopolitische Großwetterlagen, die ihr Leben beeinflussen, mit großer Wut und werten sie als persönlichen Angriff.
Fazit
Die von Hoss & Hopf vermittelte Weltanschauung ist nicht dezidiert religiös, bedient sich aber bei verschiedenen philosophischen und religiösen Konzepten und Praktiken. Das Ergebnis ist ein Amalgam aus evangelikalen, esoterischen, libertär-transhumanistischen und verschwörungstheoretischen Versatzstücken, ein Amalgam, das von ihren Verfechter:innen gleichwohl als säkular, wissenschaftlich und „rational“ angesehen wird. Das damit verbundene Versprechen einer harmonischen Verbindung von Wissenschaft und Glauben ist für viele Menschen weiterhin attraktiv. Es scheint den Raum für eine ganzheitliche Weltdeutung zu öffnen, die im Ergebnis aber nicht selten zu gefährlichen Wahrheitszuschreibungen und moralischen Setzungen pseudowissenschaftlicher Befunde führt.
Anmerkungen
- Philip Hopf und Kiarash Hosseinpour, „Jeden Tag ein Schritt“. Wie du täglich erfolgreicher wirst (Gräfelfing: Verlag? 2025).
- Vgl. Jürgen Höller, Power-Days 2025;https://www.juergenhoeller.com/power-days.
- Vgl. Nick Haasmann – datenbasiertes Gesundheits- und Fitnesscoaching, https://www.nickhaasmann.com/vision (alle Abrufe, wenn nicht anders angegeben: 24.07.2025).
- Gemeint ist ein Lebensstil, wie er in Filmen wie Wolf of Wall Street (2013) oder Wall Street (1987) dargestellt wird und der sich durch hohe finanzielle Gewinne, hohen Alkohol- und Drogenkonsum und wenig Schlaf auszeichnet.
- Vgl. eventim.de: Hoss & Hopf Fan-Report: Bewertungen und Rezensionen, „Enttäuschende Veranstaltung“, von Arzt und Investor, 2 Sterne, 25.05.2025 in Zürich, https://www.eventim.de/artist/hoss-und-hopf/?srsltid=AfmBOorOiW32FKJs7xH7CZs7tfeKhIc9qj6nDBak7dtSWVpCvjtcDQFn
- Rhonda Byrne, The Secret – Das Geheimnis. Aus dem Englischen von Karl Friedrich Hörner (München: Verlag? 2007).
- Vgl. Matthias Pöhlmann, „Säkulares Wohlstandsevangelium. Zum Selbsthilfe-Ratgeber ‚The Secret - Das Geheimnis‘“, ZRW 70,8 (2007), 304-308; https://www.ezw-berlin.de/publikationen/artikel/saekulares-wohlstandsevangelium/.
- Vgl. Max Goltzer | Speaker, Autor, Coach und Flowgrade-Gründer, in: https://www.maxgotzler.de/.
- Oliver Krüger, Virtual Immortality. God, Evolution and the Singularity in Post- and Transhumanism (Bielefeld: Transkript 2021), 266.
- Vgl. Claudia Jetter, „New Thought/ Neugeist“, ZRW 86,1 (2023), 56-64; https://www.ezw-berlin.de/publikationen/artikel/new-thought-neugeist/.
- Beryl Satter, Each mind a kingdom: American women, sexual purity, and the New Thought movement, 1875-1920 (Berkley/CA: Verlag? 1999), 88.
- Michael Utsch, „Christliche Wissenschaft / Christian Science“, ZRW 71,10 (2008), 394-396; https://www.ezw-berlin.de/publikationen/lexikon/christliche-wissenschaft-/-christian-science/christliche-wissenschaft/.
- Martin Fritz, „‘In Zeiten wie diesen‘ – Teil I: Theologische Beobachtungen zum evangelikalen Erfolgspodcast von Jana Highholder und Jasmin Neubauer“, ZRW 88,1 (2025), 3-16, hier: 8-14; https://www.ezw-berlin.de/aktuelles/artikel/in-zeiten-wie-diesen-teil-2/.
- Vgl. 21 Tage – ICF München, in: https://www.icf-muenchen.de/de/21tage/.
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