Scientology

Zum Scientology-Prozess in Frankreich

(Letzter Bericht: 10/2009, 390) Breites Medienecho hat eine gerichtliche Entscheidung zu Scientology in Frankreich ausgelöst. Zwei wichtige Einrichtungen der Scientology-Organisation, die „Association spirituelle de l’Eglise de Scientologie Celebrity Centre“ und die Buchhandlung „Scientologie Espace Libraire“, wurden zusammen mit sechs persönlich angeklagten Scientologen wegen Betrugs und krimineller Bandenbildung verurteilt. Als weiterer Punkt, der allerdings nicht in allen Fällen relevant wurde, ging es um den illegalen Vertrieb pharmazeutischer Produkte im Zusammenhang mit der Bereitstellung von „Vitamin“-Präparaten im Rahmen eines „Reinigungsprogramms“.

Das Urteil geht auf die Klagen von zwei ehemaligen Scientology-Mitgliedern zurück, die zwischen 1997 und 1999 Angebote der Organisation wahrgenommen hatten. Ursprünglich hatten sechs ehemalige Mitglieder geklagt, doch vier zogen die Klage später zurück, vermutlich aufgrund außergerichtlicher Einigungen. Bei den zwei eingereichten Klagen steht der Vorwurf im Vordergrund, die beiden oben genannten Scientology-Einrichtungen hätten in betrügerischer Absicht suggeriert, den Klägern mit ihrem Angebot helfen zu können. In einem Fall geht es um eine Frau, der im Zusammenhang mit psychischen Problemen eine Verbesserung der persönlichen Befindlichkeit in Aussicht gestellt wurde. Der zweite Kläger, Geschäftsführer einer Firma, bezieht sich auf ein Ausbildungsprogramm, das zum Führen eines Unternehmens hätte befähigen sollen. Beide meinen, dass es der Organisation in Wirklichkeit nur um die eigene Bereicherung gegangen sei. Sie fühlen sich um 21 000 Euro bzw. 49 500 Euro betrogen, die sie für Kurse, Bücher und Medikamente ausgegeben haben.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft sah die Zahlung von Geldstrafen in Höhe von vier Millionen Euro und die Auflösung der Strukturen der beklagten Parteien vor, was das faktische Ende der legalen Tätigkeit zweier wichtiger Scientology-Einrichtungen bedeutet hätte. Das Gericht verhängte nun Geldstrafen von insgesamt 600 000 Euro und Bewährungsstrafen für vier Führungsmitglieder, unter anderem für den Gründer und Vorstand von Scientology in Frankreich, Alain Rosenberg.

Dass das ursprünglich angestrebte Ziel der Auflösung nicht erreicht werden konnte, hängt auch mit einem Ereignis zusammen, das im Vorfeld des Urteils bereits Gegenstand medialer Berichterstattung war. Im Laufe der Verhandlung stellte sich nämlich heraus, dass die Auflösung einer Organisation aufgrund des Vorwurfs eines bandenmäßigen Betrugs nicht mehr möglich war, und zwar wegen einer bislang unbemerkten Gesetzesänderung vom Mai 2009, die im Zuge einer größeren Verwaltungsreform vollzogen worden war. In diesem Zusammenhang wurde sogar der Verdacht geäußert, dass Scientology selbst die Behörden und die Nationalversammlung unterwandert hätte, um die Gesetzesänderung zu erreichen. Solche Gerüchte konnten allerdings in keinem Punkt bewiesen werden.

Scientology hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Ihr Anwalt, Patrick Maisonneuve, will die Organisation von jeglichem Verdacht befreien. In der medialen Wahrnehmung wird zweierlei deutlich: Einerseits werden der Prozess und sein Ausgang als „Erfolg“ gegenüber Scientology bezeichnet: So sprach der Anwalt der Kläger von einer geradezu „historischen Entscheidung“, weil zwei Einrichtungen von Scientology das erste Mal eine Verurteilung aufgrund bandenmäßig organisierten Betrugs erfuhren. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass die Urteile eher mild ausgefallen seien und vor allem das ursprünglich propagierte Ziel einer Auflösung nicht erreicht wurde. Dabei stellt sich allerdings die Frage, was diese hätte bringen sollen. Darauf nahmen übrigens auch die Richter Bezug. Sie wiesen darauf hin, dass die ursprünglich angestrebte Auflösung womöglich zu einem Abdrängen in die Illegalität und zu einem Gang in den Untergrund mit all den problematischen Konsequenzen geführt hätte.


Franz Winter, Wien