Haringke Fugmann

Weltanschauliche Sprachkompetenz

Eine Erhebung unter hauptamtlichen Mitarbeitenden der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

Die Weltanschauungserhebung 2016 des Arbeitskreises Apologetik der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern verfolgte das Ziel, relevante Themen für Fortbildungen, Vorträge und Arbeitsmaterialien für Mitarbeitende der Kirche im Bereich kirchlicher Weltanschauungsarbeit zu erheben.1 Dazu wurde ermittelt, wie Mitarbeitende ihre weltanschauliche Sprachkompetenz selbst einschätzen (eine eher schlechte Selbsteinschätzung würde auf einen Fortbildungsbedarf hinweisen) und mit welchen aktuellen weltanschaulichen Themen sie im Dienst konfrontiert sind bzw. wie sie die weltanschauliche Gegenwartskultur wahrnehmen. Außerdem stand die Frage im Raum, wie die Weltanschauungsarbeit in der Kirche verankert ist, d. h. inwiefern die kirchlichen Mitarbeitenden von der Arbeit der hauptamtlichen Weltanschauungsbeauftragten der Landeskirche profitieren und wie oft sie sich an die Dekanatsweltanschauungsbeauftragten wenden, die in Bayern die Weltanschauungsarbeit in der Region im Blick haben.

Folgende Zielgruppen waren bei der Planung der Weltanschauungserhebung 2016 im Blick: Diakoninnen und Diakone, Religionsphilologinnen und -philologen, Religionspädagoginnen und -pädagogen und Pfarrerinnen und Pfarrer. Da letztlich nur über den Verteilerkreis der Dekanatsweltanschauungsbeauftragten ausreichend viele Fragebögen für eine sinnvolle Auswertung zurückkamen, werden im Folgenden nur Ergebnisse präsentiert, die mehrheitlich von Pfarrerinnen und Pfarrern stammen dürften.

Erhebungen können quantitativ und qualitativ durchgeführt werden. Beide Erhebungsarten haben Vor- und Nachteile. Für die Weltanschauungserhebung 2016 wurde eine quantitative Erhebung durchgeführt, um schnell Ergebnisse zu erhalten. Zu einem späteren Zeitpunkt können weitere Daten quantitativ oder qualitativ (etwa durch Interviews) erhoben werden. Die quantitative Datenerhebung erfolgte, wie es in vielen soziologischen Erhebungen üblich ist, mittels eines Fragebogens. Dieser wurde, um ihn schnell ausfüllen zu können, auf einen Umfang von zwei DIN A4-Seiten begrenzt. Aus dem erkenntnisleitenden Interesse der Erhebung der Selbsteinschätzung kirchlicher Mitarbeitender hinsichtlich weltanschaulicher Themen ergab sich, dass der Fragebogen kaum Wissensfragen enthielt, die „richtig“ oder „falsch“ beantwortet werden konnten. Es ging eben eher um die Selbsteinschätzung der eigenen Sprachfähigkeit als um Fachwissen.

Der Fragebogen wurde verschiedenen Pretests unterzogen und mehrmals optimiert. Die Erhebung fand dann im Frühjahr 2016 statt. Bis zum 23.5.2016 gingen 169 ausgefüllte Fragebögen ein.2 Um repräsentative Ergebnisse zu erhalten, wäre ein Rücklauf von ca. 300 bis 350 Fragebögen notwendig gewesen. Die Weltanschauungserhebung 2016 kann daher keine repräsentativen Ergebnisse liefern, sondern nur Trends aufzeigen und Hypothesen formulieren.

Selbsteinschätzung der weltanschaulichen Sprachkompetenz

Das Themenspektrum, das in der kirchlichen Weltanschauungsarbeit behandelt wird, ist enorm groß und heterogen. Einen Einblick in die riesige Bandbreite religiöser, spiritueller und weltanschaulicher Phänomene gibt zum Beispiel das 2015 veröffentlichte, 1080 Seiten starke „Handbuch Weltanschauungen, Religiöse Gemeinschaften, Freikirchen“3, das auf jahrzehntelanger Erforschung der weltanschaulichen Gegenwartskultur beruht.

In der Weltanschauungserhebung 2016 konnte nur ein sehr kleiner Teil dieses Spektrums thematisiert werden. Es wurde versucht, einige unterschiedliche Bereiche, die in der kirchlichen Weltanschauungsarbeit häufiger vorkommen, in den Blick zu nehmen und sie nach Möglichkeit anhand der bekanntesten Beispiele zu konkretisieren. Gefragt wurde u. a. nach mantischen Verfahren (wie Pendel und Wünschelrute), nach Esoterik und Geistheilung, nach Schamanismus, Wicca oder nach den Zeugen Jehovas.

An einem konkreten Beispiel, dem Item „Schamanismus“, sollen die Ergebnisse der Erhebung im Folgenden veranschaulicht werden: Beim Schamanismus handelt es sich um einen Containerbegriff für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher weltanschaulicher Ansichten und bewusstseinsverändernder Praktiken, die v. a. Heilung und tiefere Erkenntnisse verborgener Lebenszusammenhänge ermöglichen sollen. Insider schätzen, dass sich in Deutschland ca. 50 000 Menschen in irgendeiner Weise mit „Schamanismus“ befassen.4 (Zum Vergleich: In der Evangelischen Kirche in Deutschland arbeiten derzeit nicht ganz 21 500 Theologinnen und Theologen.5) In der Umfrage wird das Thema Schamanismus durch folgendes Item abgefragt: „Ich kann einiges dazu sagen, was Menschen glauben, die hierzulande Schamanismus praktizieren“ (Teil 1, Item 15). Der Mittelwert des Items liegt bei 4,7. Die häufigste Zustimmung (20,83 % der Befragten) erhält Wert 6 (Ablehnung). Insgesamt stimmen 30,36 % der Befragten der Aussage zu (Wert 1, 2 und 3), während 55,36 % sie ablehnen (Wert 5, 6 und 7). Nur etwa ein Drittel aller Pfarrerinnen und Pfarrer meint also einiges darüber sagen zu können, was Menschen glauben, die hierzulande Schamanismus praktizieren, während sich über die Hälfte dies nicht zutraut. Soweit das Beispiel.

Was ergibt sich nun insgesamt aus der Weltanschauungserhebung 2016? Sie zeichnet ein klares Bild davon, wo Pfarrerinnen und Pfarrer ihre Stärken im weltanschaulichen Bereich sehen:

  • Sehr sprachfähig sind sie ihrer Ansicht nach dort, wo es um allgemeine Aussagen zum Vergleich von Freikirchen und Landeskirche geht. Wo hingegen eine spezifische Sprachkompetenz über Freikirchen nötig ist (etwa im Blick auf freikirchliche Befreiungsdienste), wird die eigene Sprachfähigkeit wesentlich schlechter eingeschätzt.
  • Hohe Sprachkompetenz zeigt sich auch im Blick auf die Zeugen Jehovas, die seit Jahrzehnten Gegenstand kirchlicher Weltanschauungsarbeit sind und auch in vielen Lehrplänen einen festen Ort haben.
  • Auch im Blick auf den theologischen Umgang mit Wahrträumen (die ja schon in der Bibel vorkommen und mit denen sich die Befragten daher schon befasst haben dürften) und in Bezug auf eindeutige Fachbegriffe wie „Fundamentalismus“ ist die Sprachfähigkeit der Pfarrerinnen und Pfarrer gemäß ihrer Selbsteinschätzung recht hoch.

Umgekehrt lässt sich ebenfalls ermitteln, wo sich Pfarrerinnen und Pfarrer nicht als besonders sprachfähig einschätzen und wo daher ein möglicher Fortbildungsbedarf identifiziert werden kann:

  • Besonders hoch scheint der Fortbildungsbedarf im Blick auf die Wicca-Bewegung (und vermutlich auch im Blick auf andere neopagane und neopolytheistische Trends) zu sein.
  • Auch im Blick auf das Positive Denken herrscht anscheinend ein hoher Fortbildungsbedarf.
  • Aktuelle ökumenische Entwicklungen wie die Annäherung der Neuapostolischen Kirche an die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) dürften ebenfalls lohnende Themen für Fortbildungen im Bereich der Weltanschauungsarbeit sein.
  • Schließlich lässt sich ein besonderer Fortbildungsbedarf auch im Blick auf esoterische Heilverfahren wie Geistheilung und Reinkarnationstherapie ermitteln.

Für die Frage, welche konkreten Fortbildungen in Zukunft angeboten werden könnten, spielen aber neben dem Fortbildungsbedarf auch das Interesse der Pfarrerinnen und Pfarrer und die aktuelle Relevanz des Themas eine wichtige Rolle: Auf welche Themen sind sie neugierig, worüber wollen sie mehr erfahren, was beschäftigt sie? Darüber geben die weiteren Ergebnisse Auskunft.

Themen und Trends

Viele der Items des Fragebogens dienten dem Zweck, aktuelle weltanschauliche Themen und Trends aus Sicht der kirchlichen Mitarbeitenden zu identifizieren. Die zurückgeschickten Fragebögen, enthielten zahlreiche Stichworte zu Trends, zu rätselhaften, „übersinnlichen“ Phänomenen, zu Freikirchen und religiösen Gemeinschaften und zu alternativen Heilverfahren.

Aus den Häufigkeiten der Nennungen lassen sich folgende Themen für Vorträge, Arbeitsmaterialien und Fortbildungen im Bereich der kirchlichen Weltanschauungsarbeit ableiten: Engel; Lebensentwürfe mit diesseitigen Heilsversprechen (z. B. Fitness, Yoga, Wellness und Ernährung als Religion); pfingstlerisch-charismatisches Christentum; anomalistische Phänomene im Kontext von Sterben und Tod (Nahtoderfahrungen, Erscheinungen Verstorbener, unerklärliche Phänomene zum Todeszeitpunkt eines Menschen, Geistererscheinungen usw.); Traum und Wahrtraum; Heilung, Geistheilung und alternative Heilverfahren (v. a. Homöopathie, Heilverfahren rund um das Gebet und Handauflegen).

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Ergebnisse der Erhebung zum Themenkomplex „Freikirchen und religiöse Gemeinschaften“. Das entsprechende Item lautete: „Diese Freikirchen und/oder religiösen Gemeinschaften gibt es in meinem Landkreis“ (Teil 2, Item 3). In Kombination mit dem Item „Mein Landkreis“ im Teil „Für die Statistik“ lässt sich aus den Fragebögen eine grobe geografische Übersicht von Freikirchen und/oder religiösen Gemeinschaften für die 71 Landkreise bzw. 25 kreisfreien Städte in Bayern erstellen, insofern uns nun für 30 Landkreise bzw. kreisfreie Städte Angaben vorliegen.

Für Bayreuth etwa wurden folgende Freikirchen und/oder religiöse Gemeinschaften genannt: Adventgemeinde Bayreuth; Alt-Katholiken in Weidenberg, Bayreuth, Coburg; Christliches Centrum Rhema e. V., Weidenberg; Christengemeinschaft, Bayreuth; Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten), Bayreuth; Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Bayreuth (Brüdergemeinde); Evangelisch-methodistische Gemeinde Pegnitz6; Evangelisch-methodistische Kirchengemeinde Bayreuth; Freie Christengemeinde Bayreuth; Gruppe Luther, Bayreuth; Landeskirchliche Gemeinschaft Bayreuth im Hensoltshöher Gemeinschaftsverband; Neuapostolische Kirche, Bayreuth; Russische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, Bayreuth7; Zeugen Jehovas.

Zwar lassen sich diese Angaben nicht statistisch auswerten (etwa weil viele der genannten Stichworte vage sind und es einiger Interpretation bedarf, um sie konkret lokalisierbaren Freikirchen oder religiösen Gemeinschaften zuzuordnen), doch machen die Ergebnisse deutlich, wie vielfältig die (frei)kirchliche und religiöse Landschaft in Bayern ist.

Interessant ist diese Aufzählung aber nicht nur wegen der genannten Stichworte. Interessant ist auch, was nicht genannt wurde: Obwohl es in Bayern zwischen 260 und 300 christliche „Migrationsgemeinden“ (Gemeinden anderer Sprache und Herkunft) gibt8, wird von den Pfarrerinnen und Pfarrern keine einzige genannt. Obwohl ausdrücklich nicht nur nach „Freikirchen“, sondern auch nach „religiösen Gemeinschaften“ gefragt wird, werden in den 168 Fragebögen fast ausschließlich christliche Freikirchen und christliche religiöse Gemeinschaften genannt. Die wenigen Fälle, in denen nichtchristliche religiöse oder andere weltanschauliche Gruppierungen oder Events genannt werden, lassen sich an einer Hand abzählen (jeweils einmal „Aleviten“, „Buddhisten“, „Moscheen“, „Moslems“ und „Kristallkongress“).

Das Ergebnis legt folgende Vermutung nahe: Pfarrerinnen und Pfarrer haben im Blick auf die religiöse Landschaft in ihrer Umgebung einen ausgeprägten Tunnelblick. Sie nehmen im Grunde nur einheimische Freikirchen und christliche Gemeinschaften wahr oder gehen davon aus, dass nur diese für ihre Arbeit relevant sind. Daraus lässt sich schließen, dass es sinnvoll wäre, die Wahrnehmung der religiösen und weltanschaulichen Vielfalt vor Ort durch Fortbildungen, Vorträge und Arbeitsmaterialien der kirchlichen Weltanschauungsarbeit zu verbessern.

Verankerung der Weltanschauungsarbeit

Eine der erkenntnisleitenden Fragen bei der Planung der Umfrage lautete, wie die Arbeit der Weltanschauungsbeauftragten von den kirchlichen Mitarbeitenden wahrgenommen wird. Dabei zeigte sich: Die allermeisten Pfarrerinnen und Pfarrer wenden sich nicht oft mit einem weltanschaulichen Anliegen an einen Dekanatsweltanschauungsbeauftragten.9 Über ein Drittel hat aber nach eigener Meinung schon oft von der Arbeit eines haupt- oder nebenamtlichen Weltanschauungsbeauftragten profitiert, während knapp die Hälfte dies nicht behaupten kann.10

Aus den erhobenen Ergebnissen lassen sich einige Konsequenzen für das zukünftige Handeln in der kirchlichen Weltanschauungsarbeit ziehen. Es gilt einerseits, den Dienst der Dekanatsweltanschauungsbeauftragten weiter zu stärken, etwa (1.) durch die Bekanntmachung ihrer Kontaktdaten11, (2.) indem sie selbst konkrete Themen benennen, mit denen sie sich intensiv beschäftigen und zu denen sie sich als Experten äußern können, und (3.) indem sie wie bisher von den hauptamtlichen Weltanschauungsbeauftragten bei konkreten Fällen in ihrem Dekanat in alle Prozesse eingebunden werden.

Den hauptamtlichen Weltanschauungsbeauftragten ist andererseits aufgetragen, (1.) in Zukunft verstärkt solche Themen öffentlich zu bearbeiten, die auf Interesse bei Pfarrerinnen und Pfarrern stoßen (hierfür sind Erhebungen wie diese unerlässlich), und (2.) die veröffentlichten Informationen in einer Weise bereitzustellen, die den Wünschen der Pfarrerinnen und Pfarrer entspricht, die also (wie in dieser Umfrage

festgestellt wurde) aktuell, schnell zugänglich, kurz und knapp, über das Internet verfügbar, für PC und Beamer nutzbar und im Religionsunterricht und in der Gemeinde einsetzbar sein sollen.

Wahrnehmung der weltanschaulichen Gegenwartskultur

Einige der im Fragebogen untergebrachten Items dienten der Klärung einer weiteren Fragestellung: Wie nehmen kirchliche Mitarbeitende (in diesem Fall v. a. Pfarrerinnen und Pfarrer) die weltanschauliche Gegenwartskultur wahr? Weil diese äußerst heterogen ist, wurden exemplarisch die Bereiche „Anomalistik“, „Esoterik“, „Freikirchen“ und „alternative Heilverfahren“ in den Blick genommen. Das Datenmaterial legt folgende Hypothesen nahe:

  • Pfarrerinnen und Pfarrer registrieren zwar in ihrem Dienst eine Vielzahl anomalistischer (also „übersinnlicher“) Erfahrungen, und nicht wenige (immerhin etwa ein Fünftel) bekommen oft erzählt, dass Menschen Verstorbene „gesehen“ haben, aber sie befassen sich kaum mit anomalistischer Fachliteratur und unterschätzen die Häufigkeit anomalistischer Erfahrungen in der Bevölkerung und ihre Relevanz für religiöse Menschen erheblich.
  • Pfarrerinnen und Pfarrer haben zwar eine Vielzahl esoterischer Phänomene im Blick und fühlen sich auch mehrheitlich sprachfähig in Bezug auf Esoterik im Allgemeinen, aber sie unterschätzen bei Weitem die Relevanz esoterischer Themen für ihre Gemeindeglieder.
  • Pfarrerinnen und Pfarrer haben nur eine oberflächliche Kenntnis der freikirchlichen Szene. Sie können zwar einige Freikirchen in ihrer Umgebung nennen und etwas zu den Unterschieden zwischen Freikirchen und Landeskirchen im Allgemeinen sagen, aber sie fühlen sich weit weniger sprachfähig im Blick auf konkrete freikirchliche Praktiken wie etwa den Befreiungsdienst, und sie haben die vielen christlichen „Migrationsgemeinden“ in Bayern anscheinend überhaupt nicht im Blick.
  • Pfarrerinnen und Pfarrer hören in ihrem Dienst von zahlreichen alternativen Heilverfahren, aber sie kennen sich damit und mit dem jeweiligen weltanschaulichen Hintergrund ihrer Selbsteinschätzung nach mehrheitlich nicht aus.

Fazit

Die hier zusammengetragenen Hypothesen machen deutlich, wohin es geführt hat, dass die Mehrheit der Pfarrerinnen und Pfarrer weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart, weder im Studium noch in der zweiten Ausbildungsphase ausreichend Gelegenheit hatte bzw. hat, sich mit der Pluralität der weltanschaulichen Gegenwartskultur zu befassen. Die wissenschaftliche Theologie (als deren Vertreter ich mich ebenfalls verstehe) hat in weiten Teilen kein allzu großes Interesse an der religiösen, spirituellen, esoterischen oder anomalistischen Alltagswirklichkeit der Menschen. Im Predigerseminar kommen weltanschauliche Themen im Curriculum bisher nicht vor. Wo also sollten und sollen Pfarrerinnen und Pfarrer lernen, die weltanschauliche Pluralität der Gegenwart wahrzunehmen und dafür theologisch sprachfähig zu werden?

Angesichts der zunehmenden religiösen und weltanschaulichen Pluralität der Gesellschaft dürfte diese Blindheit mittel- bis langfristig erhebliche negative Konsequenzen für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern zeitigen. Es bleibt daher zu hoffen, dass in den nächsten Jahren diesbezüglich auf breiter Front ein Umdenken stattfindet.


Haringke Fugmann


Anmerkungen

  1. Für die ausführliche Auswertung vgl. Haringke Fugmann (Hg.), Weltanschauungserhebung 2016. Erhebung der kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten der Evang.-Luth. Kirche in Bayern unter Pfarrerinnen und Pfarrern im Jahr 2016, Bayreuth, 50ff, http://weltanschauungen.bayern-evangelisch.de/fuer-multiplikatoren.php  (Abruf der in diesem Beitrag angegebenen Internetseiten: 12.12.2016).
  2. Die Daten der Fragebögen wurden mittels PSPP (einer freien Software zur Analyse statistischer Daten) erfasst. Bis zum 4.7.2016 waren es dann 203 Fragebögen. Obwohl die Auswertung der Studie zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen war, wurden die neu hinzugekommenen Fragebögen ebenfalls noch ausgewertet. Da sich dabei zeigte, dass sich die Ergebnisse dadurch kaum um mehr als ca. 2 % pro Item verschoben, wurde darauf verzichtet, sie hier zu präsentieren.
  3. Matthias Pöhlmann/Christine Jahn (Hg.), Handbuch Weltanschauungen, Religiöse Gemeinschaften, Freikirchen, Gütersloh 2015.
  4. Haringke Fugmann, Kern-Schamanismus aus theologischer Sicht, Beiträge zur Erforschung religiöser und geistiger Strömungen, Bd. 5, München 2013, 12.
  5. Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.), Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben 2015, 20, www.ekd.de/download/zahlen_und_fakten_2015.pdf
  6. Das Stichwort „Methodisten“ wurde im Fragebogen dem Landkreis Amberg-Sulzbach zugeordnet, aber vermutlich ist die „Evangelisch-methodistische Gemeinde Pegnitz“ gemeint.
  7. Im Fragebogen stand „russisches Kloster“; vermutlich ist die „Russische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats“ gemeint.
  8. Auskunft der landeskirchlichen Projektstelle „Interkulturell Evangelisch in Bayern“.
  9. Nur etwa jeder zehnte Pfarrer bzw. jede zehnte Pfarrerin gab an, sich oft an einen Weltanschauungsbeauftragten zu wenden. Noch aussagekräftiger wären die Zahlen, wenn man sie vergleichen könnte: Wie oft wenden sich die Pfarrerinnen und Pfarrer z. B. an Missions- oder Jugendbeauftragte im Dekanat?
  10. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass haupt- und nebenamtliche Weltanschauungsbeauftragte weit über die Zielgruppe der Pfarrerinnen und Pfarrer hinaus wirksam sind; sie beraten auch zahlreiche Einzelpersonen inner- und außerhalb der Kirche, aber auch Firmen, staatliche Einrichtungen, Schulen usw.
  11. Vgl. http://weltanschauungen.bayern-evangelisch.de/downloads/ELKB-Dekanatsbezirke-mit-ADW-Dekanatsbeauftragten.pdf .