Neuheidentum

Tagung der Ludendorffer in Dorfmark sorgt erstmals für Aufsehen

Der völkisch-deutschgläubig orientierte Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) (vgl. MD 7/2003, 267) wurde 1951 gegründet und hat seine Wurzeln in mehreren Vorgängerorganisationen um Mathilde (1877-1966) und Erich Ludendorff (1865-1937). Von 1961 bis 1977 war er wegen verfassungsfeindlicher Tätigkeiten und Zielrichtungen verboten und wird nach wie vor in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet. Die heutigen Mitgliederzahlen werden vage auf einige hundert geschätzt; die Literatur spricht von einer Überalterung der Mitglieder. Während sie in den Zeiten des Verbots bis in die späten 1960er Jahre hinein regelmäßig für Veröffentlichungen sorgten, sind die Ludendorffer gegenwärtig ein eher unauffälliges Phänomen. Es ist still um sie geworden, obwohl sie weiterhin existieren und ihre Vereine, einen eigenen Verlag (Verlag Hohe Warte) sowie einige Ahnenstätten (z. B. Hilligenloh bei Hude im Oldenburgischen) betreiben. Sie bieten auch regelmäßig Veranstaltungen an, vor allem Sonnenwendfeiern in Schleswig-Holstein, aber auch Tagungen und Vorträge, unter anderem in Dresden oder Berlin.

Auf der Internetpräsenz (www.ludendorff.info) präsentiert man offen einen Veranstaltungskalender, der, wie jedes Jahr, auch für 2007 eine Ostertagung in der kleinen Gemeinde Dorfmark im niedersächsischen Landkreis Soltau-Fallingbostel vorsah. In der Vergangenheit bemerkte die Bevölkerung in Dorfmark zwar stets, dass zu Ostern eine Gruppe Menschen im Hotel „Deutsches Haus“ einkehrte (bis vor einigen Jahren wurden sogar öffentliche Gebäude wie die Schule zur Verfügung gestellt), doch wurde den traditionell gekleideten Besuchern, die als angenehme und freundliche Feriengäste galten, kaum Beachtung geschenkt.

Doch dieses Jahr, am 15. März 2007, lud der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu einer Informationsveranstaltung zur jährlichen Ostertagung der Ludendorffer in ein Gasthaus in Dorfmark ein und bot den Bewohnern und Interessierten die Möglichkeit, sich mit Hilfe eines Vortrags des Weltanschauungsbeauftragten der Hannoverschen Landeskirche, Jürgen Schnare, ein genaueres Bild von dem Bund für Gotterkenntnis zu machen. Der Ideologie der Ludendorffer wurde unter den ca. 70 anwesenden Interessierten eine ablehnende Haltung entgegengebracht; man fürchtete sich vor dem Besuch einer Gruppe, deren Ideologie antidemokratische und rassistische Tendenzen vermuten lässt. Die Diskussionsbeiträge zeigten, dass zumindest im Dorfbild während der Ostertagung bei den ca. 100 jährlichen Besuchern von keiner Überalterung der Gruppe gesprochen werden kann, da vor allem Familien mit Kindern anreisen. Durch den „Arbeitskreis für Lebenskunde“ der Ludendorffer, der sich nach Lehrplänen von 1930 richtet, gibt es zahlreiche Angebote gerade für Kinder, beispielsweise Sommercamps, wie ein besorgter Großvater aus eigener Erfahrung zu berichten wusste. Seine Enkel würden ganz im Sinne der Ludendorff’schen Grundideen erzogen, die Eltern ließen in dieser Hinsicht keine Gegenposition zu.

Trotz des Alters der Schriften der Mathilde Ludendorff, die nach wie vor im eigenen Verlag unter Führung eines Schwiegersohns Mathilde Ludendorffs (Franz von Bebenburg) in Frakturschrift gedruckt werden, scheinen sich immer noch Menschen damit identifizieren zu können; in Dorfmark sieht man darin weniger ein religiöses als ein politisches Problem. In den vergangenen Jahren hätten sich gelegentlich Personen, die eindeutig aus der (neo-) nationalsozialistischen Szene bekannt sind, unter den Ostergästen befunden – so z.B. Steffen Hupka, der im vergangenen Jahr vor Ort auf einem Büchertisch eigene Schriften anbot. Nicht zu überprüfen sind Vermutungen, dass die Ludendorffer über bemerkenswerte finanzielle Mittel verfügen, mit denen möglicherweise andere Gruppen mit eventuell weitaus stärkerem Fokus auf das rechte politische Spektrum unterstützt werden könnten. Da es laut Aussage des DGB in der Lüneburger Heide, wo der beschauliche Ort Dorfmark liegt, bereits zahlreiche „braune Kameradschaften“ gibt, hat der DGB zusammen mit den Bürgern und den ansässigen Ortsvereinen in diesem Jahr einen ersten Aufklärungs- und Protestschritt gegen den Bund für Gotterkenntnis gewagt, dessen Beginn mit dem Diskussionsabend gemacht wurde. Parallel zur Ostertagung der Ludendorffer, bei der es um Themen wie „Friedrich Schiller und die Aufklärung“, die Frage, „Was ist deutsch?“ oder die Feier des „130. Geburtstages der Philosophin Mathilde Ludendorff“ ging, wurde für den diesjährigen Karfreitag zu einer friedlichen Mahnwache aufgerufen. Etwa 100 Interessierte fanden sich in Dorfmark ein und zeigten berechtigten Handlungsbedarf aufgrund der offensichtlichen Aktualität des Ludendorff’schen Phänomens.


Jeanette Schröter, Hannover