Psychotherapie

Neues Forschungs- und Weiterbildungsprojekt zu psychedelischer Psychotherapie

Mitte November 2020 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Studie über die Wirksamkeit von Psilocybin, einem Molekül mit dem Wirkstoff der sog. „Zauberpilze“, genehmigt. Eine Studiengruppe vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit sowie der Berliner Charité wird die Effekte einer Psilocybin-unterstützten Behandlung bei therapieresistenten Depressionen untersuchen. Es handelt sich um die erste klinische Studie dieser Art in Deutschland seit den 1970er Jahren, in der 144 Patienten behandelt und untersucht werden.

Ärztliche Behandlungen mit psychoaktiven Mitteln der Substanzklasse Psychedelika hatten viele Jahrzehnte einen schlechten Ruf, weil sie meistens im Untergrund stattfanden und die Mittel teilweise auch missbraucht wurden. Neuere kontrollierte Studien aus anderen Ländern weisen aber darauf hin, dass eine gezielte, ärztlich begleitete einmalige Gabe von Psilocybin in Verbindung mit psychologischer Unterstützung Symptome schwerer Depressionen nach wenigen Sitzungen bessern kann. Der psychedelische Bewusstseinszustand soll therapeutisch einbezogen und genutzt werden, um neue Wege in der Depressionsbehandlung zu erproben. Das Interesse an psychedelischen Medikamenten ist in der Psychiatrie in den letzten Jahren gestiegen, weil Depressionen weit verbreitet sind und immer häufiger chronisch verlaufen.

Parallel zu der Studie bietet eine Berliner Akademie eine dreijährige Weiterbildung zum psychedelischen Therapeuten an. Hier soll erlernt werden, wie man psychedelisch erweiterte Bewusstseinszustände therapeutisch nutzen kann. Die Weiterbildung umfasst verhaltenstherapeutische und tiefenpsychologische Konzepte und beschränkt sich nicht auf Psychedelika, sondern bezieht auch holotrope Atemarbeit und medizinisch kontrollierte Ketamin-Sitzungen mit ein. Ein Aspekt der Weiterbildung behandelt die Einflüsse psychedelischer Erfahrungen auf das Weltbild und die persönliche Spiritualität.

Es ist ein Fortschritt, dass in dieser Studie und der Weiterbildung bewusstseinsverändernde Prozesse wissenschaftlich untersucht und therapeutisch einbezogen werden. Es bleibt abzuwarten, ob und wie es den Akteuren gelingt, ideologisch aufgeladene Zustände veränderten Bewusstseins aus dem medizinischen Behandlungsauftrag herauszuhalten. Die verantwortlichen Ausbilder geben an, die Anfälligkeit für Beeinflussung in einem veränderten Bewusstseinszustand im Blick zu haben und die berufsethischen Grenzen der Psychotherapie strikt einzuhalten.

Ein aktueller Aufsatz beschreibt die Fallstricke psychedelischer Medizin, die schon häufig durch Gurus gekapert worden sei (Johnson 2020). Der Autor arbeitet heraus, wie wichtig eine möglichst präzise Erfassung des komplexen Bewusstseinskonzepts ist. Er warnt vor der Gefahr, dass Kliniker oder Ausbilder unangemessen ihre eigenen religiösen oder spirituellen Überzeugungen in die psychedelische Medizin einfließen lassen. Die professionellen ethischen Grenzen und die maximale Transparenz der Methoden und Prozesse seien für psychedelische Behandlungen unabdingbar, Ob allerdings religiöse und andere nichtempirische Konzepte aus der psychedelischen Therapie und Forschung herausgehalten werden können, wie der Autor vorschlägt, ist fraglich. In einem veränderten Bewusstseinszustand zeigt sich die Wirklichkeit in einem anderen Licht. Dadurch verändern sich häufig das eigene Weltbild, die Werte und die persönliche Sinndeutung. Diese neue Sichtweise ermöglicht es ja, den permanenten Gefühlspanzer der depressiven Erkrankung abzustreifen und anders mit den eigenen Gefühlen umzugehen – das Ziel psychedelischer Medizin. Glaube, Liebe und Hoffnung übernehmen dabei wichtige Funktionen – wie soll das ohne Religion gehen?


Michael Utsch

Anmerkungen

Presse-Erklärung „Psilocybin-Studie“: www.zi-mannheim.de/institut/news-detail/psilocybin-depressionsstudie-gestartet.html (Abruf der Internetseiten: 26.2.2021).

Weiterbildung zu psychedelisch erweiterter Psychotherapie: https://mind-foundation.org/academy/augmented-psychotherapy-training.

Aktueller Aufsatz: Matthew W. Johnson (2020): Consciousness, Religion, and Gurus. Pitfalls of Psychedelic Medicine, in: ACS Pharmacology & Translational Science, https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acsptsci.0c00198