Neuapostolische Kirche

NAK in der DDR - neuapostolische Geschichtsforschung bleibt Streitthema

(Letzter Bericht: 7/2019, 268f) Die NAK beschäftigt sich seit ihrer ökumenischen Öffnung verstärkt mit der Erforschung ihrer Geschichte. Die entsprechenden Studien werden von verschiedenen Akteuren betrieben. Da ist zum einen die offizielle „Arbeitsgruppe Geschichte der Neuapostolischen Kirche International“, von der Kirchenleitung eingesetzt und mit neuapostolischen Amtsträgern besetzt. Davon sind allerdings die wenigsten ausgebildete Historiker, und ihr tendenziell unkritischer, der amtskirchlichen Hierarchie sehr freundlich gesonnener Ansatz wurde in der Vergangenheit von NAK-Mitgliedern scharf kommentiert.

Daneben etablierte sich als Initiative rühriger Laien vor einigen Jahren das ökumenische „Netzwerk Apostolische Geschichte“ mit einem eigenen Archiv im westfälischen Brockhagen (vgl. MdEZW 11/2013, 424-427).

Die Interpretation historischer Forschungsergebnisse beinhaltet immer auch kirchenpolitische Positionierungen. Darum führen insbesondere zeitgeschichtliche Fragen leicht zu Konflikten. Frühere Auseinandersetzungen betrafen wiederholt die Endzeitbotschaft des Stammapostels Johann Gottfried Bischoff und ihre Folgen in den 1950er Jahren. Zurzeit ist es die Rolle der NAK in der DDR und das Verhältnis zur Stasi, welches die Gemüter erhitzt. Das Arbeitsfeld ist methodisch anspruchsvoll, da zahlreiche Primärakten aufgespürt, ausgewertet und vor allem interpretiert werden müssen. Stasi-Unterlagen und Gesprächsprotokolle in der DDR-Diktatur waren naturgemäß nur teilweise der Wahrheit verpflichtet und sind außerdem nur unvollständig überliefert.

Im Rahmen des „Netzwerks Apostolische Geschichte“ forscht der langjährige NAK-Amtsträger und Mathematikprofessor Günter Törner mit Archivquellen und Zeitzeugengesprächen zur NAK in der DDR. Er veröffentlichte dazu vor zwei Jahren eine Monografie (vgl. die Rezension in MdEZW 4/2019, 158f). Seine Vorträge zum Thema stoßen in den Gemeinden auf Interesse, aber bei der kirchlichen Hierarchie auf unterschiedliches Echo: Während einige Bezirksapostel Vorträge in neuapostolischen Gemeindegebäuden erlauben, wurden sie im Bezirk Süddeutschland untersagt (vgl. MdEZW 11/2018, 434-436). An den Inhalten kann es kaum liegen. Zwar findet Törner erwartungsgemäß manches über Stasi-Kontakte von Gemeindegliedern und Amtsträgern heraus, formuliert aber stets betont kirchenloyal und vermeidet Namensnennungen.

Am 8. April 2019 informierte nun der leitende Apostel für den Bezirk Ostdeutschland, Wolfgang Nadolny, alle seine Gemeinden, dass Törner, anders als er vorgebe, ausschließlich auf private Initiative, nicht im kirchlichen Auftrag handele. Ein solcher Brief des leitenden Apostels wird in der NAK allgemein so verstanden, dass eine Zusammenarbeit mit Törner von der kirchlichen Obrigkeit nicht gern gesehen wird. Er ist daher durchaus geeignet, die Forschungen zu erschweren. Allerdings, so Törner, weise er bei allen Kontaktaufnahmen mit Zeitzeugen immer darauf hin, dass er als Privatmann ohne kirchlichen Auftrag forsche. Das wird von mehreren Seiten bestätigt. Nadolny bleibt denn auch einen Beleg für seine Unterstellung schuldig.

Der Bezirksapostel erklärte auf Nachfrage, es sei ihm bei seinem Vorgehen nur um datenschutzrechtliche Bedenken gegangen. Das allerdings bezweifeln viele in der NAK. Ein Kurzgutachten zu Törners Buch, das Nadolny im Auftrag des Stammapostels Schneider schon im Dezember 2017 verfasst hatte, deutet ebenfalls auf eine grundsätzliche Skepsis gegenüber einer Erforschung der NAK in der DDR hin. Von datenschutzrechtlichen Fragen ist darin nicht die Rede. Nach Nadolnys Auffassung kann „eine wirklich objektive Aufarbeitung der DDR-Geschichte unserer Kirche nicht gelingen“, zumal dann nicht, wenn sie von „lieben Mitbürgern aus den alten Bundesländern“ mit „einer gewissen Arroganz“ geschehe. Es sei besser, zu warten, bis die kirchenoffizielle Geschichts-AG etwas zu dem Thema publiziere.

Das Problem: Diese mit der Erforschung der weltweiten NAK-Geschichte beauftragte offizielle Arbeitsgruppe hat sich aufgrund ihrer Prioritätensetzung dem arbeitsintensiven Thema bisher nicht gewidmet. Immerhin: Der neue AG-Vorsitzende Karl-Peter Krauss, ein ausgebildeter Historiker, der zur NAK in der NS-Zeit publiziert hat (vgl. die Rezension in MdEZW 6/2018, 233-235), sorgte dafür, dass diese AG erstmals eine feste Mitarbeiterstelle bekam. Bisher arbeiteten dort alle rein ehrenamtlich. Für diese neu geschaffene Stelle ist inzwischen ein Historiker gefunden worden, der sich insbesondere der NAK in der DDR-Zeit widmen soll. Schnelle Ergebnisse sind hier freilich nicht zu erwarten – einige Jahre können nach Einschätzung der Arbeitsgruppe ins Land gehen, bevor mit einer kirchenoffiziellen Sicht zur NAK in der DDR zu rechnen ist.


Kai Funkschmidt