Islam

„MuslimTAXI“: Mission, nicht nur auf Rädern

Das neue „MuslimTAXI“ eines Hamburger Studenten hat medialen Staub aufgewirbelt. Dabei ist es „ein herzlicher Versuch, uns Muslimen unserem Empfinden gerecht zu werden“, lässt ein Gast im Gästebuch der Internetseite wissen, „und wenn da sündige missgelaunte Torheit uns entgegenbläst, tut das der Sache unrecht“. Indessen soll MuslimTAXI nicht nur für Muslime sein, und es ist auch kein Taxiunternehmen. Was dann, und was ist so aufregend daran? Der aus dem Irak stammende deutsche Flugzeugtechnikstudent Selim Reid, 24, hat nach eigenen Angaben europaweit die erste islamische Mitfahrzentrale gegründet. Der Muslim war unzufrieden darüber, dass Muslime, vor allem Kopftuchträgerinnern, Benachteiligungen oder gar Pöbeleien zu erleiden hätten, wenn sie Mitfahrgelegenheiten nutzten. Überhaupt könnten Muslime herkömmliche Mitfahrzentralen kaum in Anspruch nehmen, weil „die nach dem Islam vorgegebene Geschlechtertrennung hier nicht umgesetzt wird“. Im taz-Interview erläuterte Reid, Muslime sollten diese Trennung anstreben (http://taz.de). Da man sich während längerer Fahrten durchaus näher kommen könne, sei das Risiko von Seitensprüngen und kaputten Ehen bekanntlich hoch. So kam er auf die Idee, eine eigene Plattform anzubieten. Die ermöglicht die nötige Vorsortierung in Männlein und Weiblein und grenzt zugleich einfach und kostenlos das „Fremdgehrisiko“ ein. Sicherlich will er, wenn es sich machen lässt, in der Nische auch ein wenig Geld verdienen. Viel wichtiger aber ist ihm, dass Geschwister im Glauben einander unterstützen, damit alles mit rechten Dingen zugeht: „Wir Muslime passen untereinander auf uns auf“, gab Reid zu Protokoll. Das scheint der Nerv der ganzen Unternehmung zu sein: Die Möglichkeit zur Da’wa, zur Mission. Selim Reid bekennt offen, es sei das Beste an den Fahrten, dass man sich über den Islam unterhalte und „an dessen Stärken teilhabe“. Das gelte selbstverständlich auch für Nichtmuslime, die dazu herzlich eingeladen seien. Deshalb lässt Reid die Vorwürfe nicht gelten, die ihm Parallelgesellschaft, Apartheid und Schlimmeres vorhalten. Nichtmuslime sind willkommen, es könnte ja sein, dass sie sich „für unseren Glauben begeistern und diesen vielleicht sogar annehmen“. Wer wirklich den Dialog suche, könne ihn da gerade finden. Nicht von ungefähr lautet das Motto darum: „Mitfahrgelegenheiten für den Dialog zwischen Muslimen und Nichtmuslimen“.

Die Einladung zum Islam – übrigens ebenfalls Pflicht „eines jeden Muslims“ – ist offenkundig Reids eigentliches Anliegen. Da’wa ist, vor allem wenn man sich im Internet umsieht, zentrales und programmatisches Stichwort salafitischer Kreise. MuslimTAXI ist in einem größeren Zusammenhang salafitischer missionarischer Aktivitäten zu sehen. Das belegen weitere Internetseiten, die der Student betreibt, etwa die Seite mit dem sprechenden Titel www.da3wa.net (die 3 steht für den arabischen Buchstaben Ajin) oder www.du3a.de  (Du’a meint das Bittgebet – die Verbindung zu Allah soll durch solche Gebete beständig und andauernd werden). Mit ein, zwei Klicks ist man von hier aus bei dem salafitischen Wanderprediger Pierre Vogel („Einladung zum Paradies“), bei „Die wahre Religion“, „Die Wahrheit im Herzen“, „DawaFFM“ oder anderen Angeboten aus diesem radikalen Milieu.

Da’wa-Bemühungen sind vielfältig, und ihr Netz im Netz ist weit gespannt. Auf http://dawa-news.net erfährt man, dass der Anwalt des Hetzpredigers und Sympathisanten des bewaffneten Dschihads Ibrahim Abou-Nagie zum Islam konvertiert sei und kann dies gleich auf Video nachverfolgen. Vermutlich das wichtigste Instrument sind Portale mit zahlreichen Videos (siehe z. B. http://dawatv.net); mit www.selisha.de steht, wenn auch in den Anfängen, ein islamisches eBay zur Verfügung, diverse Shops (z. B. http://az-zahra.de) runden das reichhaltige Angebot ab, das Muslimen nicht zuletzt zu Da’wa-Zwecken zur Verfügung stehen soll. Ziel ist die Verbreitung eines möglichst wörtlichen Verständnisses der islamischen Regeln nach Koran und Sunna und ihre strenge Einhaltung. Damit werden wichtige und zentrale Werte unserer Gesellschaft nicht nur infrage gestellt, sondern teilweise offen bekämpft. Zur Da’wa in diesem Sinne gehört selbstverständlich auch die möglichst alltagsrelevante Verankerung islamrechtlicher Normen im gesellschaftlichen Leben. Aus dieser Sicht ist Muslim-TAXI ein verheißungsvolles Projekt.

Torheit muss dem nicht „entgegenblasen“, aber gerade deshalb sollte diese Form der islamischen „Missionierung“ nicht verharmlost, sondern zumindest als solche erkannt, benannt und kritisch hinterfragt werden. (Internet: www.muslimtaxi.de. Zu salafitischen Jugendszenen s. in diesem Heft S. 141ff sowie MD 10/2011, 374ff.)


Friedmann Eißler