Islam

Muslimisches Forum Deutschland (MFD)

Im Oktober 2015 trat das Muslimische Forum Deutschland (MFD) in Berlin mit 17 „Berliner Thesen“ an die Öffentlichkeit und präsentierte sich damit als eine neue wichtige Stimme des Islam in Deutschland. Das im April 2015 gegründete Forum (www.muslimisches-forum-deutschland.de) fordert darin eine zeitgemäße Koranauslegung und formuliert eindeutige Positionen, unter anderem etwa für individuelle Menschenrechte, insbesondere das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, für eine kritische Diskussions- und Streitkultur, für eine „nachhaltige Vermittlung von Normen, die auf dem gesamtgesellschaftlichen Konsens basieren und das Grundgesetz zur Grundlage haben“, gegen menschenverachtende Islamverständnisse (Salafismus), gegen Rassismus und patriarchale Strukturen. Der Islam wird nicht als abgeschlossenes System, sondern in einem dynamischen Entwicklungsprozess gesehen. Das Forum will die Stimme dafür erheben, dass der Islam in Deutschland vielfältiger und bunter ist, als er in der Öffentlichkeit und in den Medien wahrgenommen wird. „Im Exklusivismus liegt eine Grundlage für Gewalt“, daher müsse der Koran diskursiv verstanden und in seinem historischen Kontext interpretiert werden. Das Forum bekennt sich zur Trennung von Religion und Politik und sieht „Schwimmunterricht, Klassenfahrten und Sexualkunde“ als Teil des schulischen Bildungsauftrages.

Im MFD haben sich liberale Intellektuelle zusammengeschlossen, islamische Theologen und Wissenschaftler, Journalistinnen, Sunniten wie auch Schiiten, auch Nichtmuslime gehören dem Forum an. So zählen Aleviten, Eziden und Christen zu den Teilnehmern. Die Entscheidung dafür wurde bewusst getroffen, um die überethnischen, regionalen Aspekte sowohl in Bezug auf die Situation in den Herkunftsländern von Muslimen als auch auf die gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland angemessen ansprechen zu können. Wie kann man Muslim und Demokrat sein? Eine Frage, die man „intellektuell abarbeiten“ muss, wie Marwan Abou-Taam sagt. Das MFD versteht sich indessen nicht als laizistisch. Es will eine differenzierte Diskussion über den Islam anstoßen, um aufzuklären und um diffuse Ängste zu nehmen.

Die Gründung des Forums war von Medieninteresse begleitet worden – und von Kritik aus den Reihen der islamischen Verbände. Das Forum ist der Ansicht, dass die Mehrheit der Muslime nicht von den etablierten Verbänden vertreten wird. Es will diesen nicht die Deutungshoheit über den Islam überlassen und bietet sich als Ansprechpartner für die Politik an, indem es „den humanistisch orientierten Muslimen“ eine Stimme verleiht. Dass zudem die Konrad-Adenauer-Stiftung die Gründung unterstützte (indem sie eine Plattform anbot und Reisekosten übernahm), wurde von einigen als Affront betrachtet. Sie befürchten, die Politik wolle sich den ihr genehmen „Wunschislam“ backen.

Sprecher des MFD ist der Psychologe Ahmad Mansour, zu stellvertretenden Sprechern wurden die Journalistin Cigdem Toprak und der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide bestimmt.


Friedmann Eißler