Stephen J. Davis

Monasticism. A Very Short Introduction

Stephen J. Davis, Monasticism. A Very Short Introduction, Oxford University Press, Oxford 2018, 142 Seiten, 7,99 Euro.

Die von Davis verfasste „sehr kurze Einführung“ in das Phänomen des Mönchtums zeichnet sich gegenüber traditionellen Darstellungen durch zwei Besonderheiten aus: Sie nimmt neben dem christlichen Mönchtum auch vergleichbare Phänomene in anderen Religionen, hier vor allem im Buddhismus, in den Blick. Außerdem bemüht sich der Verfasser um einen interdisziplinären Zugang, sodass neben der religionswissenschaftlichen Perspektive vor allem historische und archäologische, darüber hinaus aber auch soziologische und psychologische Einsichten und solche aus der Architektur zur Geltung gebracht werden.

Er behandelt das Thema in sechs Kapiteln, denen eine Einleitung vorgeschaltet ist, in der er über sein Vorgehen und die Ziele des Buches Rechenschaft gibt. In ihr wird bereits eine wichtige Erkenntnis des Buches hervorgehoben. Monastisches Leben zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Ambivalenz aus: Einerseits ist es gekennzeichnet durch Rückzug aus der Welt, andererseits gehört zum Mönchtum immer auch der Bezug zur und die Einflussnahme auf die es umgebende Welt.

Das erste Kapitel nimmt Begriffsbestimmungen vor. Dabei wird deutlich, dass unter dem Begriff „Mönchtum“ eine Vielfalt von Lebensformen subsumiert wird, wobei drei Formen hervorragen: das Leben als Einsiedler (traditionellerweise anachoretische monastische Lebensweise genannt), in kleineren, lose organisierten Gemeinschaften von Mönchen und in einem regelrechten Kloster mit festen sozialen Strukturen (koinobitische Lebensweise). Der Autor weist zu Recht auf das Problem hin, den Begriff Mönchtum unreflektiert auf vergleichbare Erscheinungen in nichtchristlichen Religionen zu übertragen, obwohl die Ähnlichkeiten in vielerlei Hinsicht frappant sind. Wichtig ist auch der Hinweis, dass sich ein Mönchtum im klassischen Sinne nur im Christentum und im Buddhismus (außerdem im Jainismus) dauerhaft etablieren konnte. Ansätze im Judentum und im Islam haben nicht überlebt, wahrscheinlich weil sie im rabbinischen Schrifttum und im Koran explizit abgelehnt werden.

Im zweiten Kapitel wird die Eigenart monastischen Lebens herausgearbeitet. Der Autor stellt heraus, dass im frühen christlichen Mönchtum das traditionelle Ideal der Haushalterschaft durch das des zölibatär lebenden Asketen ersetzt wurde. Die radikale Abkehr von der Welt und der Eintritt in die monastische Lebensweise, beides rituell vollzogen, schafft eine neue Identität. Sowohl für das christliche als auch für das buddhistische Mönchtum ist die Ausdifferenzierung in unterschiedliche monastische Lebensweisen im Verlauf der Geschichte charakteristisch. Davis belegt dies z. B. mit der Entstehung der unterschiedlichen Ordensgemeinschaften im Bereich des Christentums (Benediktiner, Dominikaner, Franziskaner, Jesuiten etc.).

Im dritten Kapitel werden die dem Ordensleben zugrunde liegenden Regeln, die soziale Organisation der monastischen Gemeinschaften und Genderfragen thematisiert. Im Vordergrund steht dabei der Versuch, das monastische Leben mithilfe soziologischer und sozialpsychologischer Kategorien zu erfassen. Die Organisation von Klöstern korreliert in vielerlei Hinsicht mit der von Dörfern. Der Verfasser zeigt, dass für Nonnen im Vergleich zu Mönchen die Regeln des Zusammenlebens gleichzeitig verschärft und vermehrt werden. Im östlichen Mönchtum wird zudem die Separation der Nonnen von den Mönchen (bzw. von Männern allgemein) besonders betont. Dahinter steht die Dämonisierung der Sexualität.

Im vierten Kapitel wird die Rolle von Heiligen für die Identität des monastischen Lebens untersucht. Sie sind einerseits für „normale“ Mönche und Nonnen unerreichbar; andererseits dienen sie gleichzeitig als Vorbilder monastischen Lebens im Sinne der Imitatio. Im Christentum wurde Antonius von Ägypten, der erste bekannte Mönch, durch die Vita des Athanasius von Alexandrien auch im Hinblick auf den zur monastischen Existenz gehörenden Kampf mit den Dämonen zum prägenden Vorbild.

Im fünften Kapitel wird die Trennung von der Welt als Grundlage des Mönchtums näher entfaltet. Dabei spielt vor allem die Mönchszelle, verstanden als Teil mönchischer Identität, eine wesentliche Rolle. Im Laufe der Entwicklung des Mönchtums im Christentum und im Buddhismus lässt sich beobachten, dass zunächst schon bestehende, aber verlassene Gebäude von Mönchen als Wohnort genutzt werden. Erst in einem nächsten Schritt kommt es zur Errichtung neuer Bauten aufgrund von Bauplänen, die für die speziellen Bedürfnisse monastischen Lebens konzipiert sind.

Im sechsten Kapitel schließlich werden moderne monastische Ausdrucksformen exemplarisch vorgestellt. Parallel zu Säkularisierungsprozessen konstatiert der Autor eine Renaissance des Mönchtums im 20. und 21. Jahrhundert. Typisch für moderne Formen sind interreligiöse Annäherungsprozesse – etwa zwischen Thomas Merton und dem Dalai Lama –, ohne dass deshalb das jeweilige besondere Profil aufgegeben würde. Daneben lässt sich erstaunlicherweise eine Rückkehr des Mönchtums im Protestantismus beobachten, wofür Taizé das älteste und bekannteste Beispiel darstellt. Aber auch umstrittene religiöse Bewegungen wie Scientology berufen sich in der Außendarstellung heute auf das traditionelle Mönchtum.

Insgesamt ist es ein nicht zuletzt aufgrund seiner Kürze und Kompaktheit empfehlenswertes Buch. Es erlaubt einen ersten kundigen Einblick in das Phänomen des Mönchtums. Reizvoll ist neben der interdisziplinären die mit dem Blick auf andere Religionen automatisch mitgesetzte globale Perspektive. Dazu kommt der bemerkenswerte Versuch, Transformationen des Monastischen in der Gegenwart zu erkunden und damit gleichzeitig Spuren des Monastischen in säkularen Gesellschaften zu entdecken. Auch in formaler Hinsicht ist das Buch ansprechend gestaltet, mit sorgfältig ausgewählten Abbildungen. Defizitär erscheint mir die mehr oder weniger ausschließliche Fokussierung auf die soziologischen Konstitutionsbedingungen monastischen Lebens. Spirituelle Impulse und geistliche Fragestellungen werden nahezu völlig ausgeblendet. Gerade heute spielen diese nach dem Selbstzeugnis von Mönchen und Nonnen nicht nur im Christentum eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung für eine monastische Lebensweise.


Peter Zimmerling, Leipzig