Esoterik

Maya-Mythos 2012 und kein Ende

(Letzter Bericht: 11/2009, 426ff) Die Prophezeiung der Maya, wonach die Erde am 21. Dezember 2012 angeblich in ein neues Zeitalter eintreten soll, wird in der Esoterik-Szene zunehmend auf literarischem Wege, über Kongresse und Reiseangebote popularisiert. Mittlerweile sind in Deutschland über 30 Bücher auf dem Markt – in den USA sollen es schon über 150 sein –, die sich aus esoterischer Sicht mit den angeblich im Maya-Kalender prognostizierten Ereignissen im Jahr 2012 befassen (vgl. MD 5/2009, 163ff).

„Aufklärung“ verspricht nun die Extra-Ausgabe der Esoterik-Zeitschrift „raum&zeit“. Sie ist am 9. Dezember 2009 erschienen und trägt den Titel „2012 – Das Magazin der neuen Ära“. Das Titelblatt des Sonderheftes mit einer Druckauflage von 25000 Stück zeigt die in tiefes Blau getauchte Erdoberfläche, über der ein strahlenförmiges Licht leuchtet. In großen Lettern ist zu lesen: „Zeitenwende – Was macht uns Angst? Was gibt uns Kraft?“ Im Editorial schreibt Chefredakteur Peter Orzechowski, ein in den USA ausgebildeter Hypnosetherapeut: „Das Magazin wird Ihnen klar machen: Zu Angst besteht kein Anlass. Aber stark machen sollten wir uns schon für die kommende Veränderung.“ Der Inhalt des 66 Seiten zählenden Magazins (Verkaufspreis: 4,95 Euro) befasst sich mit dem 2012-Kongress 2009 in Hamburg, mit wissenschaftlichen Prognosen und den Aussagen von „falschen Propheten“. Flankiert werden die Themen von Artikeln, die 2012 als Zeitsprung interpretieren: Der holländische Mulitmedia-Künstler Janosh, der sich von einer höheren Wirklichkeit inspiriert fühlt, bemüht sich um den Nachweis, dass im Kornkreis eine tiefere Botschaft zu 2012 enthalten sei: „Er gibt uns den Impuls, uns dem großen Strom zu übergeben und in unser eigenes Potenzial zu vertrauen, um bewusster zu werden und uns selbst regelmäßig zu fragen, was wir wirklich fühlen und was wir wirklich wollen.“

Abschließend bietet das Heft „Sieben Schritte, wie Sie 2012 als Chance nutzen können“. Die Empfehlungen unter dem Motto „Die Zeitenwende vorbereiten“ stammen von dem umstrittenen Autor Dieter Broers, der bereits mehrere esoterische und pseudowissenschaftliche Beiträge vorgelegt hat. Er möchte dem Leser „geistige Übungen“ an die Hand geben. Zunächst soll dieser eine „Bestandsaufnahme des jetzigen Lebens“ vornehmen, anschließend gedanklich einen Rucksack für „eine längere Zeit“ auf einer einsamen Insel packen. Eine dritte Übung sieht ein „Spiegel-Experiment“ vor: „Verabreden Sie sich mit sich selbst.“ Darin soll der Übende u. a. sich die Krisen seines eigenen Lebens näher ansehen und konstruktiv mit ihnen umgehen. Sodann gelte es, mit dem eigenen Unterbewussten Kontakt aufzunehmen, um sich für „die Energien der Zeitenwende“ zu sensibilisieren.

Das Magazin „2012“ will – wie übrigens aktuelle szenetypische Bücher zur Thematik auch – keine Weltuntergangsängste schüren, sondern dem Lesepublikum ganz im Sinne eines esoterischen Fortschrittsoptimismus die spirituelle Zeitenwende und die ihr innewohnenden Energien bewusst machen. Doch gerade an diesem Punkt verkehren die Blattmacher die angestrebte und dem Leser verheißene „Aufklärung“ ins Gegenteil. Darauf deuten nicht zuletzt die vielen Werbeanzeigen für esoterische Bücher, Seminar- und Reiseangebote („Reise zu den Kulturstätten der Maya“, veranstaltet vom „Intergalaktischen Bürgerhaus Berlin“) zum 2012-Mythos hin. „2012 – Das Magazin der neuen Ära“ spielt bewusst mit der Suggestionskraft und der Magie von Zahlen.

Dass „2012“ als Thema der Extranummer von „raum&zeit“ auserkoren wurde, ist kein Zufall. Das zweimonatlich erscheinende Magazin, das von einer im bayerischen Wolfratshausen ansässigen Redaktion produziert wird, versteht sich als unabhängige wissenschaftliche Zeitschrift und liefert – so das Selbstverständnis – Informationen, die von Fachzeitschriften und Massenmedien verschwiegen werden. Das gehört mittlerweile zum Grundsatz vieler esoterischer Populär-Periodika und liefert den Vorwand, angeblich unterdrücktes Geheimwissen – wie kurios es auch erscheinen mag – breit zu entfalten. Skepsis ist angezeigt. Spätestens beim Durchblättern der bunten Seiten wird selbst „Nichteingeweihten“ klar: Ganz so neu ist das esoterische Denken im „Magazin der neuen Ära“ nicht. Doch angesichts der inflationären und in den beiden kommenden Jahren noch anwachsenden esoterischen Kongress-, Buch-, DVD- und Magazinproduktion zum Maya-Mythos 2012 wird deutlich, dass damit zunehmend das Unterhaltungsbedürfnis von „spirituell Suchenden“ bedient wird.


Matthias Pöhlmann