Markolf H. Niemz

Lucy im Licht. Dem Jenseits auf der Spur

Markolf H. Niemz, Lucy im Licht. Dem Jenseits auf der Spur, Droemer/Knaur Verlag, München 2007, 192 Seiten, 16,90 Euro.


Was sollen wir nun dazu sagen? Der Autor, seines Zeichens Physikprofessor, hat in diesem Folgeband seines Bestsellers „Lucy mit c“ (vorgestellt in MD 4/2007, 158f) kaum hinzugelernt, nachdem ihm neben unbedarfter Begeisterung auch einige Kritik von Fachleuten zugeströmt war. Er bzw. seine Animationsfigur „Lucy“ zeigt sich – weltanschaulich eingeordnet – immer deutlicher als spiritueller Monist, der viel guten Willen, allgemeinreligiöses Gefühl und wenig Kenntnisse innerhalb jener anderen Wissenschaften besitzt, die er so gern anführt und zum Dialog auffordert: „Sterbeforschung“ und „Theologie“. Vor allem von letzterer hat er offensichtlich überhaupt keinen Begriff. Die einzige Stelle, an der er „Theologie“ gleichsam definiert, spricht vom „Glauben an die Existenz einer Seele“ (133). Der Seelenbegriff bleibt dabei auch in diesem zweiten Buch religionswissenschaftlich und theologisch unerörtert und wird ebenso naiv gebraucht wie der Gottesbegriff.

Auf dem Gebiet der „Sterbeforschung“ erweist sich der Autor immer wieder als begeisterter Halbwissender. Angeblich hat er hunderte von Berichten über Nahtoderfahrungen studiert. Warum aber vereinfacht er dann ihre Schilderung so grob? „Nahtoderfahrungen von Christen, Juden, Muslimen, Buddhisten, Hindus und ungläubigen Menschen decken sich in wirklich bemerkenswerter Weise“ (134): Dieser Satz ist bestenfalls eine Halbwahrheit und beweist nur die Kenntnisarmut des Autors, der zentrale kulturvergleichende Studien (z. B. Osis/Haraldsson, Carol Zaleski) denn auch nicht in seinem schmalen Belegapparat aufführt. Beispielsweise kommt das „Lichtwesen“ keineswegs so oft oder gar regelmäßig vor, wie er glauben machen will. Auch stimmt seine Lieblingsthese nicht, dass in „sehr vielen“ (!) dieser Berichte von einer „Beschleunigung“ im Rahmen des (ja nicht einmal regelmäßig vorkommenden) „Tunnel“-Erlebnisses die Rede sei. Er benötigt diese unbelegte Behauptung zur Stützung seiner zentralen These, dass die Seele im Sterben zwecks Übergang ins „Jenseits“ auf Lichtgeschwindigkeit beschleunige. Aber hat die Seele überhaupt eine Geschwindigkeit, wie das von Masse-Gegenständen aussagbar ist? Die schlichte Antwort des Physikers lautet: „Möglich wäre es! Gedanklich können wir uns durchaus vorstellen, dass auch etwas Masseloses beschleunigt wird…“ (113).

Schließlich landet er bei einem Modell von Weltseele im platonischen Sinn, welche er flugs mit Gott gleichsetzt: „Wir alle sind nur verschiedene Aspekte ein und desselben Wesens: Gott“ (148). Denn er nimmt an, dass bei Bewegungen mit Lichtgeschwindigkeit der „gemeinsame Grenzfall von Längenkontraktion und Zeitdilatation zur Omnipräsenz und Ewigkeit“ führe. Dieses Ergebnis entspreche „der theologischen Weltanschauung“. Was die religiöse Wahrheitsfrage angehe, komme es – eine schlichte Konsequenz aus dem Ansatz des spirituellen Monismus – „auf die richtige Mischung“ an. Der Synkretist nennt allgemeinreligiös einleuchtende Elemente wie die Bedeutung von Liebe, Gnade, Wissen, Meditation, Achtung vor dem Leben und friedliches Miteinander, um dann einen klaren Trennstrich zu ziehen: „Alles andere ist nur Ballast und Ausschmückung der Religionen“ (135). Wer mit einer solchen Einstellung den „Dialog“ fordert, muss sich nicht wundern, wenn er von den Eingeladenen so wenig ernst genommen wird, wie er sie ernst nimmt.

Auch wenn dieses Buch wieder in lockerem Tonfall mit Grundinformationen aus Relativitätstheorie und Quantenphysik aufwartet, ist es eigentlich von fromm-naiver Machart, die sich nicht zuletzt dadurch bekundet, dass netterweise jede Erwähnung von Farben oder Farbtönen auch in der entsprechenden Farbe abdruckt ist. Es gehört letztlich in die Esoterik-Ecke. Mein analytisches Urteil illustriere ich abschließend mit einem weiteren einschlägigen Zitat: Laut Niemz „sind wir alle stets aufgefordert, mit jeder unserer Handlungen kreativ zum Gelingen dieser wunderbaren Schöpfung beizutragen, indem wir [sic!] das Spiel der Schöpfung erfolgreich im Sinn Gottes vollenden“ (138).


Werner Thiede, Regensburg