Freigeistige Bewegung

Keine Humanistische Lebenskunde in NRW

(Letzter Bericht: 5/2011, 183-185) Ein Schulfach „Humanistische Lebenskunde“ wird es im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) an öffentlichen Schulen vorerst nicht geben. Der Humanistische Verband NRW zog seine Klage gegen das Land während der mündlichen Verhandlung am 14. Januar 2014 vor dem 19. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster zurück. Zuvor hatte der vorsitzende Richter Bernd Kampmann angedeutet, dass der Senat die Klage zurückweisen werde, weil die Einführung eines Unterrichtsfaches auch davon abhängig sei, dass die Zahl der Mitglieder einer Gemeinschaft die dauerhafte Durchführung des Unterrichts erlaube. Unverzichtbar sei dies wegen des Planungs-, Organisations- und Kostenaufwandes, der mit der Einführung eines neuen Faches für den Staat verbunden sei. Der Humanistische Verband war seinerseits nicht bereit gewesen, seine Mitgliederstruktur offenzulegen und eine verlässliche Aussage über die Zahl der nicht religionsmündigen Kinder abzugeben. Ein ordentliches Schulfach ist Pflichtunterricht. Eine Mindestzahl von Schülerinnen und Schülern muss erreicht werden.

Bereits 2006 hatte der Humanistische Verband beim Schulministerium beantragt, das Fach Humanistische Lebenskunde als Alternative zum Religionsunterricht einzuführen. Dies war abgewiesen worden, ebenso die Klage des Verbandes beim Verwaltungsgericht Düsseldorf (2011). Die Hoffnung, dass das OVG anders urteilen würde als die Vorinstanz, war innerhalb des Humanistischen Verbandes mehrfach deutlich ausgesprochen worden. Viele waren fest davon überzeugt, dass das Berliner „Erfolgsmodell“ der Humanistischen Lebenskunde durch eine Entscheidung des Gerichtes in NRW bundesweite Bedeutung gewinnen könnte. Diese Hoffnungen sind jetzt enttäuscht worden. Die religionsrechtlichen Rahmenbedingungen in NRW sind andere als in Berlin.

In einer Erklärung zum Rückzug der Klage bringt der Humanistische Verband NRW sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass das OVG sich vornehmlich mit der Frage von Mitgliedszahlen beschäftigt und die Frage der Gleichbehandlung von Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften nicht beantwortet habe. Ebenso wird auf die Absicht verwiesen, die Humanistische Lebenskunde als wertebildendes Fach für alle Menschen unabhängig von Konfession oder Religion anzubieten. Bedauert wird vonseiten des Verbandes, „dass eine Wertebildung für Kinder nichtreligiöser Menschen ... daher in NRW derzeit immer noch nicht möglich (ist)“.

Durch die Rücknahme der Klage kam es zu keiner Entscheidung des Gerichtes in Münster. In der Verhandlung wurde die Problematik des Antrags des Humanistisches Verbandes NRW allerdings offensichtlich: Eine äußerst kleine Gemeinschaft – die übrigens in NRW wie die christlichen Kirchen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes besitzt – möchte im öffentlichen Raum der Schule ein neues Fach etablieren. Sie wird dies zuerst nur für ihre eigenen Mitglieder tun können. Der Anspruch wird jedoch erhoben, für alle Kinder nichtreligiöser Menschen Wertebildung zu ermöglichen. Das Recht, frei von jeder Religion leben zu wollen, kann jedoch nicht bedeuten, einen „weltlichen“ und „praktischen“ Humanismus im Sinne des Humanistischen Verbandes zu vertreten. Die Inanspruchnahme des öffentlichen Raumes der Schule für die Vermittlung einer humanistischen und atheistischen Weltauffassung erfordert von einer Gemeinschaft transparente Organisationsformen und Auskunftsfähigkeit im Blick auf Mitgliederzahlen.


Reinhard Hempelmann