Kein Platz für Kruzifixe in Gerichtssälen?

Der Präsident des Saarbrücker Amtsgerichts, Stefan Geib, ordnete an, religiöse Symbole aus Sitzungssälen zu entfernen. Stattdessen sollten Landeswappen aufgehängt werden. In einer E-Mail vom 1.3.2016 erläuterte er seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, warum es aus seiner Sicht ein richtiger Zeitpunkt gewesen sei, dies anzuordnen. Seine Entscheidung, die in keinem Zusammenhang mit konkreten Rechtskonflikten stand, führte zu heftigen kontroversen Diskussionen über Kruzifixe in öffentlichen Räumen. Es kam zu einer weiteren Phase jener Auseinandersetzungen, die seit dem Kruzifixurteil vom 16.5.1995 immer wieder beobachtet werden können.

Vonseiten der Partei Die Linke wurde die Entscheidung begrüßt. Die Grünen wiesen darauf hin, dass es auf der „Basis unserer Rechtsordnung weder einen Anlass noch eine Rechtfertigung [gibt], solche Symbole in Gerichtssälen überhaupt aufzuhängen. Denn das Kruzifix und jegliche Symbole anderer Religionsgemeinschaften stellen kulturelle Symbole dar, die die Werteordnung einer Religionsgemeinschaft repräsentieren. Diese ist jedoch nicht zwangsläufig mit der des Staates deckungsgleich.“ Die Landtagsfraktion der CDU sieht im Abhängen von Kreuzen allerdings das falsche Signal. Das Kreuz gehöre zur abendländischen Kultur, es stehe für Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer kommentierte die Anordnung des Gerichtspräsidenten mit der Überlegung, Gerichte ggf. gesetzlich zu verpflichten, in einem Teil der Verhandlungssäle Kruzifixe aufzuhängen. Humanistische Organisationen lehnten daraufhin „eine Kruzifix-Pflicht“ mit Emphase ab.

Nach der bisherigen Rechtslage liegt es im Ermessen von Behördenleitungen, Gerichtssäle mit Kruzifixen auszustatten oder nicht. Im Saarland gibt es Gerichtssäle mit und ohne Kruzifix. In 30 von 83 Gerichtssälen finden sich religiöse Symbole. In den letzten Jahrzehnten sind es zunehmend weniger geworden. Die säkulare Öffentlichkeit erkennt in Kreuzen, die in Gerichtssälen angebracht sind, eher Konfessions- und Kirchensymbole als Kultursymbole und empfindet sie als nicht mehr zeitgemäß.

In den Debatten zu Kruzifixen in Gerichtssälen zeigen sich unterschiedliche Strategien, mit Verschärfungen des religiös-weltanschaulichen Pluralismus umzugehen. Eine naheliegende Reaktion scheint das Plädoyer für ein tendenziell laizistisches Religionsrecht zu sein. Jedenfalls werden diejenigen Stimmen lauter, die den Rückzug der religiösen und weltanschaulichen Bewegungen aus dem öffentlichen Raum empfehlen, um Diskussionen über Voreingenommenheit und fehlende Neutralität zu vermeiden. Mit solchen Argumenten begründete der Präsident des Saarbrücker Amtsgerichtes seine Anordnung.

Die religionsrechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie das Grundgesetz vorsieht, gehen von einem Modell der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Staat und Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften aus. Sie lassen Raum für religiöse Symbole in der Öffentlichkeit. M. E. kann diesem Modell sehr wohl zugebilligt werden, dass es pluralismusfähig ist. Seine konkrete Weiterentwicklung ist angesichts der wachsenden weltanschaulichen Vielfalt jedoch eine unabgeschlossene Aufgabe.

Es gibt gute Gründe, Religionen und Weltanschauungen im öffentlichen Raum Platz zu gewähren und Kultursymbole nicht vorschnell zurückzunehmen. Das Kruzifix in Gerichtssälen ist immer auch Zeichen für die Notwendigkeit der Selbstbeschränkung des Staates und Hinweis darauf, dass jeder menschliche Richterspruch vorläufig bleibt.


Reinhard Hempelmann