Eziden, Yeziden oder Jesiden?

Keine rein akademische Angelegenheit

Im Materialdienst 6/2015, 205-218, wurden zwei Texte zur Situation der Eziden und zum Ezidentum als monotheistische Religion veröffentlicht. Die dort in der ersten Anmerkung begründete Übernahme der Schreibweise „Eziden“ (für Yeziden bzw. Jesiden) stieß auf die entschiedene Kritik einzelner Vertreter ezidischer Vereine in Deutschland.

Es ist naheliegend, dass mit Schreibweisen von Selbst- und Fremdbezeichnungen neben politischen Motiven häufig sensible Fragen der Identität verbunden sind. Die Eziden leben in ihrer Herkunftsregion auf mehrere verschiedene Staaten verteilt (Irak/Kurdistan, Türkei, Syrien, Iran, aber auch Georgien, Armenien, Russland u. a.) und stehen vielerorts als nichtmuslimische Kurden doppelt unter Druck. Das Ezidentum ist eine weitgehend mündlich tradierte Religion, die in ihren teilweise disparaten Ausformungen zunehmend auch von ezidischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erforscht und dargestellt wird. Nicht nur in der Außenperspektive stellt die differenzierte Wahrnehmung der komplexen Verhältnisse von ethnisch-kulturellen, religiösen und politischen Aspekten eine Herausforderung dar. Die Diasporasituation bietet vielen Eziden die Möglichkeit, eigene Traditionen (neu) zu entdecken, zu reformulieren und damit verstärkt reflexiv auf Identitätsfragen zu reagieren.

Welche Entscheidungen, Begründungen und auch Sensibilitäten spielen in der neu entfachten Diskussion um die Selbst- und Fremdbezeichnungen der Yeziden/Eziden eine Rolle? Welche Assoziationen sind mit dem Gebrauch der unterschiedlichen Schreibweisen verbunden? Auch wenn es trotz bestimmter Konventionen, etwa bei bekannten Namen, keine allgemein verbindliche Transliteration bzw. Umschrift fremdsprachlicher Begriffe gibt, sollte die Schreibweise Entgegenkommen signalisieren und vom Respekt für das Selbstverständnis getragen sein.

Wir dokumentieren drei Stellungnahmen zu der Frage, ob „Eziden“ oder„Yeziden / Jesiden“ geschrieben werden sollte: von der Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen, der Linguistin Baydaa Mohammed Saeed Mustafa sowie vom Zentralrat der Yeziden in Deutschland. Die im Hintergrund vermutlich durchaus virulenten politischen Motive werden durch diese Erklärungen nicht erhellt. Dennoch geben sie einen Eindruck vom aktuellen Stand der spannenden und spannungsgeladenen Diskussion, die nach sachlichen Kriterien allein derzeit kaum entscheidbar sein dürfte. Der Hannoveraner Religionswissenschaftler und Jurist Celalettin Kartal skizziert in seinem neuen Buch über die Eziden die Fragestellung, weist aber selbst auch keinen eindeutigen Ausweg aus dem „Dschungel der ‚Namensverwirrung‘“ (Deutsche Yeziden. Geschichte – Gegenwart – Prognosen, Religionen aktuell Bd. 17, Marburg 2016, 14-16). Er selbst gebraucht übrigens anders als das Cover seines Buches die Schreibweise „Êzîden“, „weil sich die Êzîden selbst so nennen“.1

Anmerkungen

  1. Ebd., 11, Anm. 1; eine eigenwillige Illustration der „Namensverwirrung“. Kartal erwähnt folgende Bezeichnungen für Eziden/Yeziden: Êzdî/Êzîdî, Ezda, Ezdaî, Yezidi („die osmanische Schreibweise für Êzîden“; von manchen Autoren auch „mit der sumerischen Sprache“ in Verbindung gebracht), Sunet, Sunetxan, Dasin/Dasinî.