Pfingstbewegung

"Europa, steh’ auf!" - Pfingst-Europa-Konferenz 2003

(Letzter Bericht: 2/2003, 56ff) Auf die vom 5. bis 9. Juni dieses Jahres stattfindende Pfingst-Europa-Konferenz ist von Seiten der deutschen Pfingstbewegung kontinuierlich hingewiesen worden. Als vor einem Jahr das Präsidium der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) tagte, berichtete der Präses des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP), Pastor Ingolf Ellßel, dass die Pfingstgemeinschaften ab 2003 eine Reihe von Hauptstadtevangelisationen starten werden. Auftakt dazu soll die Pfingst-Europa-Konferenz bilden, die im unmittelbaren Anschluss an den Ökumenischen Kirchentag in Berlin stattfindet. Man erwartet dazu bis zu 25.000 Teilnehmer. Auch bei der letztjährigen Konferenz des Forums Freikirchlicher Pfingstgemeinden (FFP), die vom 28. April bis 1. Mai unter Rekordbeteiligung von ca. 2.100 Personen in Kirchheim/Hessen stattfand, wurde eindringlich vom Präses des BFP auf die Pfingst-Europa-Konferenz hingewiesen. Sie soll zwei Schwerpunkte haben: persönliche Auferbauung und Mission bzw. Evangelisation. "Gebets- und Glaubensziel ist die Bekehrung von Hunderten von Menschen und mehr." Pfingstliche Evangelisation geschieht freilich mit Zeichen und Wundern. Eingeladen hat man dazu den bekanntesten deutschen Pfingstler, Reinhard Bonnke, für den Heilungswunder, Exorzismen, ekstatische Erfahrungen, sogar berichtete Totenerweckungen wichtige Mittel seiner evangelistischen Praxis darstellen, mit denen öffentlich geworben wird.

Auf der Homepage für die Pfingst-Europa-Konferenz www.pec2003.de erfährt man Einzelheiten über Trägerkreis und Programm der Veranstaltungen. Es wird auf eine breite Trägerschaft für das Großereignis verwiesen. Der Bereich der klassischen Pfingstbewegung und der neupfingstlerischen Gruppen wird jedoch kaum überschritten. Vorsitzender des Trägerkreises ist der Organisationsleiter des pfingstlerischen Missionswerkes Christus für alle Nationen (CafN), Siegfried Tomazsewski. Als zweiter Vorsitzender wird Helmut Diefenbach von der Freien Christlichen Jugend-gemeinschaft (FCJG) genannt. Ansonsten sind nahezu alle deutschen Pfingstgemeinschaften vertreten: Apostolische Kirche - Urchristliche Mission, Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, Gemeinde Gottes, Gemeinde der Christen Ecclesia, Jugend-, Missions- und Sozialwerk Altensteig, Vereinigte Missionsfreunde, Volksmission entschiedener Christen, Assemblies of God, Arbeitsgemeinschaft Pfingstlich Charismatischer Missionen (APCM), Christus für alle Nationen, Christen im Beruf (früher Geschäftsleute des vollen Evangeliums), Freie christliche Jugendgemeinschaft, Filia, Glaubenszentrum Bad Gandersheim, International Christian Chamber of Commerce (ICCC), Jugend mit einer Mission, Team Challenge, Voice in the City e.V., Youth Alive. Bereits diese Namen zeigen: Die Pfingst-Europa-Konferenz ist vor allem ein Familientreffen. Ob es gelingen wird, den inneren Kreis zu überschreiten und an den Abenden eine breitere Zuhörerschaft zu erreichen, wird man abwarten müssen. In Deutschland ist der Heilungsevangelist und Afrikamissionar Reinhard Bonnke eine ebenso bekannte wie umstrittene Person. Er wird der Hauptredner der Abendveranstaltungen im Jahn-Stadion und einer Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor sein. Die Erwartungen von Seiten der Pfingstbewegung richten sich insbesondere auf ihn. In Afrika sind es Hunderttausende, die zu seinen Massenevangelisationen strömen.

Bonnke selbst scheint im Blick auf seinen Einsatz in Deutschland ebenfalls erwartungsvoll zu sein. In einem Wort an die PEC spricht er seine Hoffnungen aus: "Was wir momentan in Afrika erleben, übersteigt alle menschlichen Vorstellungen. Millionen von Menschen nehmen Christus als ihren persönlichen Erlöser an. Das gibt mir Glauben für Deutschland und für Europa." In charakteristischer Weise schreibt er sich selbst nicht nur im Zusammenhang der Pfingstkonferenz, sondern im Blick auf die Evangelisierung Europas und besonders Deutschlands eine zentrale Rolle zu: "Vor einigen Monaten sprach Gott zu mir durch einen Traum. Ich war am Brandenburger Tor und stand in einer unüberschaubaren Menschenmenge, so wie ich das von Afrika kenne. In der Ferne sah ich die Plattform und hörte den Evangelisten. Was mich sehr erstaunte war, dass ich durch die Lautsprecher meine eigene Stimme hörte - aber ich war nicht der Verkündiger! Der Heilige Geist bewegte die riesige Zuhörerschaft und tief bewegt wachte ich auf. Der Herr sprach zu mir, dass er Europa nicht vergessen habe. Auch hier soll und muss sein Wille geschehen. ... JETZT IST DEUTSCHLAND DRAN."

Bereits mit der Verteilaktion seiner Evangelisationsschrift "Vom Minus zum Plus" war die Ankündigung einer "endzeitlichen Seelenernte" und der Errettung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz verbunden gewesen. 1995 ließ das von Bonnke geleitete Missionswerk Christus für alle Nationen diese Kleinschrift per Post an 40 Millionen Haushalte gehen und verband damit die Erwartung einer Massenerweckung. Offensichtlich hoffen viele Pfingstgemeinschaften von der Arbeit von CfaN lernen zu können. Andererseits wirken solche Erwartungen auf zahlreiche Christen anderer Kirchen geradezu abschreckend. Wer Bonnkes prophetische Aussagen aus früheren Jahren zu Erweckungen in Deutschland noch nicht vergessen hat, kann ihm nur drastische Fehlprognosen und Übertreibungen vorhalten. Bonnkes Power-Evangelium erscheint vielen anderen Christen als verzerrte Form des christlichen Zeugnisses.

Auf den weiteren Veranstaltungen der Pfingst-Europa-Konferenz werden verschiedene Prediger zu Wort kommen: Joel Edwards, Allan Laur, David Petts, Ingolf Ellßel. Zentrale Themen sind: Die Gaben des Geistes, die Taufe im Heiligen Geist, Jesus-Proklamationen. Das Selbstverständnis pfingstlichen Christentums hat seinen Kristallisationspunkt in der Erfahrung und dem Verständnis der Geistestaufe und der Gaben des Geistes. Für den Pfingstler bedeutet die Geistestaufe vor allem die Ausstattung mit Kraft, die dem Bekehrten und Glaubenden in einem zweiten Schritt göttlicher Zuwendung zuteil wird und ihn zu einem vollmächtigen, von Zeichen und Wundern begleiteten Zeugnis befähigt. Von der Mehrheit der Pfingstler wird die Geistestaufe als erstrebenswertes Ziel jedes christlichen Lebens angesehen. Für die Wahrnehmung anders geprägter Frömmigkeit folgt daraus: In dem Maße, in dem die Geistestaufe als Norm und äußerlich wahrnehmbares Zeichen eines geisterfüllten Lebens betont wird, im selben Maße ist man genötigt, ein christliches Leben ohne diese Erfahrung als defizitär anzusehen.

Die diesjährige Pfingst-Europa-Konferenz stellt den Rahmen für unterschiedliche Treffen auf europäischer Ebene dar: Kinder-Kongress (KIDS PEC), Missionskonferenz, Internationale Frauenkonferenz, Business Konferenz. Von besonderem Interesse dürfte der Teenager- und Jugend-Kongress (Catch The Flame) sein, der auch in früheren Jahren bereits unter der Leitung der Freien Christlichen Jugendgemeinschaft (FCJG) stattfand.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die Pfingstbewegung im europäischen Kontext ausgebreitet. Ihrem Wachstum sind hier jedoch deutliche Grenzen gesetzt, was u. a. in grundlegenden kulturellen Orientierungen Europas begründet ist. Man muss über den europäischen Kontext hinausblicken, um das rasante Wachstum pfingstlicher Frömmigkeit mit entsprechender Deutlichkeit zu entdecken. Dennoch tragen die pfingstlichen Bewegungen auch in Europa mit dazu bei, die historischen Monopole des katholischen Südens und protestantischen Nordens zu beseitigen. Man wird gespannt sein dürfen, inwiefern Vielfalt und Einheit des europäischen pfingstlichen Christentums im Zusammenhang der Konferenz sichtbar werden und ob die zahlreichen pfingstlich geprägten Migrationskirchen dabei auch Berücksichtigung finden.

Reinhard Hempelmann