Werner Thiede

Die „Digitalisierung aller Dinge“ als totalitäre Gefahr

Wird die digitale Revolution zur weltanschaulichen Herausforderung?

„Wir müssen noch einmal ganz von vorne anfangen, uns zu fragen, was läuft.“1

Bürgerlicher Freiheitsverlust: Drohen totalitäre Tendenzen?

Ende Januar 2014 äußerte der SPD-Politiker Egon Bahr in der ZDF-Talkshow „Illner“ eine scharfe Beobachtung: „Wir sind in einem digitalen Kampfzeitalter.“ Als ein Vierteljahr zuvor mein Buch „Die digitalisierte Freiheit. Morgenröte einer technokratischen Ersatzreligion“2 mit dem Hinweis erschien, von der Gegenwart und den nächsten zehn Jahren zu handeln, mag noch manche Stirn gerunzelt worden sein: Ob wohl solch ein Titel nicht doch Effekthascherei betreibt? Inzwischen aber sind immer mehr Details über weltweite digitale Geheimdienst-Schnüffeleien ans Licht gekommen – vor allem dank der gewissensgetriebenen Offenlegungen durch Edward Snowden, über den jetzt das Buch „The Snowden Files“ vorliegt.3 Die Öffentlichkeit ist international alarmiert. So hat die „Stuttgarter Zeitung“ am 21. Januar 2014 deutliche Worte gefunden: „Derzeit wird erfasst, was einer ist. Also Geschlecht, Alter, Wohnort, Einkommen – und mit wem jemand kommuniziert. Durch die Art, wie wir derzeit durch Algorithmen erfasst und klassifiziert werden, werden wir entpersonalisiert. Sie werden beispielsweise über Ihr Wohngebiet danach eingestuft, ob Sie kreditwürdig sind oder nicht. Sie kommen sofort in ein Raster. Sie wissen nicht, auf welcher Grundlage Sie eingestuft werden, und haben keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Das ist ein bedrohliches Szenario.“4

Um diese Zeit hatte der US-Sicherheitsexperte und Obama-Berater Richard Clarke in einem Interview mit dem ZDF eingeräumt, dass im Grunde die technischen Möglichkeiten für die Schaffung eines Überwachungsstaats vorhanden sind.5 Demnach hängt es nur noch von den ethischen oder unethischen Entscheidungen mächtiger Regierungen ab, ob und wie weit von dieser gefährlichen Fähigkeit Gebrauch gemacht wird. Trotz der demokratischen Verfasstheit unserer Staaten verliert unser aller Freiheit ihre Selbstverständlichkeit. Schon 2012 hatte der amerikanische „Wikileaks“-Unterstützer Jacob Appelbaum ausgerufen: „Widersetzt euch dem Überwachungsstaat!“6 Wie berechtigt dieser Appell war, sehen viele Menschen erst heute ein. Der Netzvordenker Sascha Lobo spricht in diesem Zusammenhang von einer massiven Kränkung: „Das Internet und mit ihm alle Kommunikationsnetze, mit denen es ohnehin verschmilzt, ermöglichen Überwachung und damit Kontrolle in nie dagewesenem Ausmaß.“7

Bereits Thomas Petri hatte als oberster Datenschützer im Freistaat Bayern beklagt: „Eher verhungert ein Hund im Metzgerladen, als dass der Staat und die Wirtschaft große Datenbestände unberührt ließen.“8 Laut Petri werden uns Staat und Wirtschaft bald wirklich lückenlos überwachen. Weil die industrielle Revolution erneut aufstockt, ändern sich die Zeiten. „Die Möglichkeit, mithilfe des Internets Bürger zu überwachen, steckt doch in der Technologie, es ist ein inhärenter Teil von ihr“, weiß auch der namhafte amerikanische Sprachwissenschaftler Noam Chomsky und erklärt: „Die Technologie, die Bürger zu überwachen, ist vorhanden. Und leider muss man davon ausgehen, dass jede Regierung alle technischen Mittel nutzt, um möglichst viel von ihren Bürgern in Erfahrung zu bringen und sie zu kontrollieren.“9

Für die USA hat auf diesem Hintergrund Ex-Präsident Jimmy Carter 2013 konstatiert: „Amerika hat derzeit keine funktionierende Demokratie.“10 Und für Europa hat im Februar 2014 kein Geringerer als der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, eingestanden: Freiheit und Demokratie sind von totalitären Tendenzen der digitalen Gesellschaft bedroht. Er fragt: „Macht das Speichern von Bewegungsbildern und Kommunikationsdaten unsere Welt wirklich sicherer, wie das seit 9/11 behauptet wird, oder wird damit der Staat, der ein neues ‚Super-Grundrecht Sicherheit‘ schützen will, nicht vielmehr selbst zum Sicherheitsrisiko für seine Bürger?“11 Die täglichen Berichte über völlig enthemmte Geheimdienste offenbaren laut Schulz ein zunehmend paranoides Staatsverständnis, und „deshalb scheint die Prognose, dass es zu einem freiheitlichen Rückschritt kommen wird, wenn die Sammelwut von Daten und die Digitalisierung aller Lebensbereiche unreguliert fortgeführt werden, wahrscheinlicher als die These, dass wir am Beginn eines neuen goldenen Zeitalters stehen“.

Die Lage ist angesichts der fortgeschrittenen, ja immer weiter und radikaler fortschreitenden digitalen Revolution tatsächlich ernst. Bislang haben wir es Schulz zufolge mit einer alles durchdringenden Technologie zu tun, aber noch nicht mit einem totalitären politischen Willen. Doch diese Gefahr ist im Wachsen, denn „die Verbindung von ,big data‘, also der gewaltigen Sammelleidenschaft für Daten durch Private und den Staat, und ,big government‘, also der hysterischen Überhöhung von Sicherheit, könnte in die anti-liberale, anti-soziale und anti-demokratische Gesellschaft münden“.12 Es muss darum – so Schulz weiter – eine Verständigung über die politische Gestaltung der digitalen Technologie gefunden werden. Ein frommer Wunsch, fürwahr, und nicht von ungefähr passivisch formuliert! Wer wird hier wohl aktiv werden – mit welchen Interessen und unter welchen bremsenden Bedingungen?

Klar ist nämlich, dass an der laufenden Entwicklung der „stillen Revolution“ massive Kräfte aus Industrie und Wirtschaft interessiert sind. Die Fortschreibung im Sinne einer echten, sehr wirkkräftigen Revolution vieler Lebensbereiche wird in hohem Maße durch ökonomische Ziele bestimmt und geschickt vorangetrieben.13 In einem industriepolitischen Grundsatzpapier mit dem Titel „Der Staat als Gestalter der digitalen Welt“ spricht der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) demgemäß von der „vierten Stufe der Industrialisierung“, die „schon heute große Auswirkungen auf unser Leben“ habe.14 Tatsächlich bringt die digitale Revolution weltweit gravierende Veränderungen mit sich – in exponentiell steigendem Maße. Längst rollt der technologische Zug, sind einschlägige politische Entscheidungen gefallen.

Entsprechend hoch ist das Verführungspotenzial durch die digitalen Möglichkeiten, deren Faszinationskraft immer mehr Menschen erliegen. Dass ihnen „digitale Demenz“ droht, wie der einschlägige Bestseller des namhaften Hirnforschers Manfred Spitzer 2012 deutlich gemacht hat15, glauben viele aufgrund von entsprechender Propaganda schon längst nicht mehr. Zu groß ist der Reiz des Digitalen im heutigen Alltagsleben geworden, als dass man kritischen Stimmen noch breiten Raum einräumen möchte. Und wenn schon hier und da noch Raum, dann im Endeffekt doch kein Gehör! So werden beispielsweise in absehbarer Zeit in immer mehr Schulklassen Laptops oder iPads, ja regelrechter Smartphone-Unterricht eingeführt – und das völlig ungeachtet der begründeten Warnungen aus der Hirnforschung wie auch aus dem Sektor mobilfunk-kritischer Wissenschaft16, der kürzlich in einem Urteil des Bundesgerichtshofs17 sowie durch die Einstufung von Mobilfunk in eine hohe Risikoklasse durch die „Swiss Re“, einen der größten Rückversicherer, zumindest indirekte Würdigungen erfuhr.

Digitale Gleichschaltung und Gesinnungsschnüffelei

Eine gewisse Verunsicherung in der Bevölkerung wächst durchaus. Namentlich Datenschutz und Datensicherheit sind mit immer größeren Fragezeichen versehen. Die Geheimdienste lassen sich nicht wirklich in ihre Karten schauen. Klar ist: „Spätestens seit der Enthüllung weltumspannender digitaler Ausforschung durch Geheimdienste – eben auch urdemokratischer Staaten – hat das Digitalzeitalter selbst für den unbedarftesten Internet-Euphoriker seine Unschuld verloren.“18 Dies gilt auch mit Blick auf jedwede Form von Internetkriminalität. Eine Meldepflicht für Cybercrime lehnen Wirtschaftsverbände kategorisch ab: „Die Sicherheitsbehörden haben also noch nicht einmal belastbare Zahlen.“19 Die SCHUFA aber vermeldet: „Jeder fünfte Deutsche ist von Datenklau im Internet betroffen.“20

Wird jedoch hier und da intendiertes Gegensteuern halbwegs von Erfolg gekrönt sein? Wer die Schlacht im „digitalen Kampfzeitalter“ gewinnen wird, lässt sich heute noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber die Zeichen stehen keineswegs günstig für Freiheit und Demokratie. Allenthalben legt sich schon die Aufregung um die organisierte Ausspähung, die ja weitergeht. Nicht nur, dass Telefonate und E-Mails ausgespäht, ja auch alle Briefadressen fotografiert bzw. gescannt werden – die deutsche Bundesregierung geniert sich keineswegs, die Überwachung des Internets massiv auszuweiten. Dazu hat der Bundesnachrichtendienst (BND) laut „Spiegel“ ein 100-Millionen-Euro-Programm aufgelegt, aus dem bis zu hundert neue Mitarbeiter und weitere Computerkapazitäten finanziert werden sollen.21 Man kann sich ja an ungefähr alles gewöhnen – und im Zeitalter digital ermöglichter Bequemlichkeiten nimmt die Lethargie zu. Der große Theologe Karl Barth hat übrigens die Trägheit als eine Grundform der menschlichen Sünde angesehen.22

Mit allzu viel Widerstand müssen die digitalen Revolutionäre also nicht rechnen. Und kraft ihrer Mittel können sie ihn jedenfalls auf die Dauer immer effektiver ausbremsen. Wann wird es so weit sein, dass man gar nicht mehr anders als nur noch mit digitalen Geräten beim Einkaufen wird bezahlen können?23 Wann kommt die Pflicht zu implantierten Identifikations- und Ortungs-Chips? Ab wann wird Verkehrsteilnahme nicht mehr ohne digitale, funkende Vernetzung erlaubt sein?24 Und droht nicht schon sehr bald die allgemeine Einführung digitaler Stromzähler, die zumindest potenziell irgendwelchen Hackern oder Spähern erlauben könnten herauszufinden, welches Fernsehprogramm gerade in einer bestimmten Wohnung läuft?25

Mittlerweile ist das politisch, ökonomisch und verwaltungstechnisch interessante Datensammeln zur weithin geduldeten Manie geworden. Bundespräsident Joachim Gauck hat in seiner tiefsinnigen Ansprache am Tag der Deutschen Einheit 2013 beklagt: „Heute tragen Menschen freiwillig oder gedankenlos bei jedem Klick im Netz Persönliches zu Markte, die Jüngeren unter uns vertrauen sozialen Netzwerken gleich ihr ganzes Leben an. Ausgeliefertsein und Selbstauslieferung sind kaum noch voneinander zu trennen. Es schwindet jene Privatsphäre, die unsere Vorfahren sich einst gegen den Staat erkämpften und die wir in totalitären Systemen gegen Gleichschaltung und Gesinnungsschnüffelei zu verteidigen suchten.“ Wie doppelgesichtig die digitale Revolution sei, zeige sich besonders am Arbeitsplatz. Gauck weiter: „Naturgemäß hinken Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen der technischen Entwicklung hinterher. Wie noch bei jeder Innovation gilt es auch jetzt, als aufgeklärte und ermächtigte Bürger zu handeln.“

In diesem Sinn haben im vergangenen Dezember mehr als 550 prominente Autoren aus der ganzen Welt in einem internationalen Aufruf ein Ende von Massenüberwachung durch Regierungen und Unternehmen gefordert. Ganz richtig heißt es in deren viel beachtetem Appell: „Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft unter ständiger Beobachtung ist keine Demokratie mehr.“26 Demgemäß betont der IT-Fachanwalt Thomas Stadler: „Ein Staat, der seine eigenen Bürger oder die Bürger fremder Staaten systematisch überwacht, kann sich nicht zugleich als freiheitlicher Rechtsstaat begreifen.“27 Und mit Recht warnen Jochen Bittner und Yassin Musharbash: „Wer davon ausgehen muss, dass sein Verhalten überwacht wird, passt sein Verhalten an die Überwachung an – das macht unfrei.“28 Aber die Massen scheinen in die Digitalisierung ihrer Freiheit schicksalsergeben einzuwilligen. Erweist sich die digitale Revolution nicht als eine Walze, der sich nichts und niemand mehr wirkmächtig in den Weg stellen kann?

Der Psychologe Hans-Joachim Maaz erörtert Hintergründe des laufenden Kulturprozesses. Er erklärt zunächst, die politische Macht liege inzwischen bei Mehrheiten, an deren Informiertheit und politischer Bildung Zweifel angebracht seien: „Menschen lassen sich aus psychischen (narzisstischen) Abwehrgründen leicht beeinflussen und manipulieren und werden dann zu Opfern von Meinungsmachern, statt nach einem wohlüberlegten politischen Willen zu handeln. Die politische Überzeugung und Entscheidung kann ganz oberflächlich bleiben, ohne dass die ihr zugrunde liegende psychische Motivation geklärt wäre. So wird gerne ein Kandidat gewählt, der etwas verspricht und vor allem dafür sorgt, dass man nicht mit späteren, beunruhigenden Wahrheiten belastet wird.“29 Doch Mehrheitsentscheidungen sind laut Maaz nur akzeptabel, wenn es parallel dazu eine Pflicht zur politischen Bildung und zur Klärung der subjektiven Motivation gibt. Demokratie ist von daher ungeachtet all ihrer unbestrittenen Vorteile in Zeiten wachsender „digitaler Demenz“ in sich ein Gebilde geworden, das auf ganz neue Weise ein massen- und informationspsychologisches Problem darstellt. Von daher erläutert Maaz: „Dass die Mehrheit einer Bevölkerung nicht selbstverständlich eine vernünftige, gesunde, progressive Einstellung vertritt, sondern von hochpathologischen Motiven getragen sein kann, hat nicht nur die deutsche Geschichte wiederholt gezeigt. Wenn unter Gruppendruck alle ähnlich denken und handeln, verbirgt sich das Pathologische unter dem Deckmantel der ‚Normalität‘. Das aus narzisstischer Not bestehende Bedürfnis, dazuzugehören, so zu sein, wie alle sind, und sich möglichst gut dem Zeitgeist anzupassen, kurz, das zu machen, was alle machen – um nicht alleine dazustehen und den Selbstwertmangel zu erleiden –, ist eine nicht zu unterschätzende Kraft für unreflektierte Fehlentwicklungen einer Gesellschaft.“

Ähnlich hat bereits vor Jahren der Theologe Erhard Ratz erkannt, dass die Kontrolle der technischen Intelligenz erschwert und durch die Differenzierung des technologischen Prozesses nahezu unmöglich wird: „Kontrolle durch die Politiker ist heute kaum gegeben. Jeder Parlamentarier wird eingestehen, daß sein Sachverstand nur in seltenen Fällen ausreicht, um sachgerechte Entscheidungen zu treffen, ganz besonders dann, wenn dies mit komplizierten technisch-naturwissenschaftlichen Problemen verknüpft ist.“30 Demokratie wird heute gerade infolge der fortschreitenden Digitalisierung immer mehr strukturell ausgehöhlt. Speist sich nicht die verbreitete Begeisterung darüber, dass das Internet doch geradezu demokratische Prozesse hier und im Ausland fördere, bei näherer Betrachtung wenigstens teilweise aus recht kurzschlüssigen und kurzfristigen Beobachtungen?31

Die „stille Revolution“ der digitalen Technokratie unterwandert den demokratischen Staat auf eher unmerkliche und doch effektive Weise. Einer geschickt agierenden, mächtigen Lobby der Industrie stehen Politikerinnen und Politiker gegenüber, denen bei ihren Entscheidungen oft genug der nötige Weitblick fehlt, sowie eine unschwer manipulierbare Bevölkerung, die sich durch bestechende Geräte und teure Werbung gern ködern lässt. Peter Hahne bemerkt treffend: „Manipulation – das ist längst der ‚Kunstgriff‘ der Politikpropaganda, der Wirtschaftswerbung und der Informationsindustrie. Manipulation ist der gezielte Einfluss auf Entscheidungen von Menschen, den diese als gezielten Einfluss (und damit als Beeinträchtigung ihrer freien Entscheidung!) gar nicht wahrnehmen ... Menschen machen etwas mit Menschen. Bestimmte Menschen sollen mit bestimmten Mitteln zu bestimmten Verhaltens- und Denkweisen gebracht werden. Und ganz bestimmte Menschen wollen unter raffiniertester Ausnutzung technischer, psychologischer und soziologischer Mittel ganz bestimmte Ziele erreichen. Da es das Bestreben der Manipulatoren ist, möglichst unerkannt zu bleiben, bedarf es eines wachen und kritischen Geistes, diese Machenschaften zu entlarven.“32 Doch wo ist dieser wache, kritische Geist noch anzutreffen? Selbst die öffentlichen Medien geben ihm nur noch eingeschränkt Raum.33

Kybernetischer Totalitarismus im Kommen

Wie wenig der Wert der Freiheit noch gilt, zeigt sich an der immer weniger verschämten, klarer gesagt: unverschämten Absicht der Abschaffung der Privatsphäre. Deren digitale Durchlöcherung – nicht zuletzt durch den Einsatz militärischer und käuflich erwerbbarer Drohnen – wird von den einen beklagt, von den anderen begrüßt. Beispielsweise präsentierte die weltgrößte Elektronikmesse in Las Vegas Anfang 2014 ein Gerät namens „Sense Mother“, das der Beobachtung des eigenen Privatraums dienen soll. Damit kann man etwa kontrollieren, ob die Kinder im Bad tatsächlich Zähne putzen. Mit Recht kommentierte ein deutsches Wochenmagazin: „Diese Mother ist Big Brother.“34 Doch fatalerweise sind immer mehr Zeitgenossen willens, ihre Freiheit zugunsten digitaler Beobachtung jeder Art abzugeben.

Zu den herausragenden Intellektuellen, die vor den Folgen der anstehenden Radikal-Digitalisierung warnen, zählt der Berliner Philosophieprofessor Byung-Chul Han. Er erklärt: „Wir werden bald in einer Smart City leben, in der alles, ja, komplett alles miteinander vernetzt sein wird, nicht nur Menschen, sondern auch Dinge. Wir werden nicht nur von Freunden, sondern auch von Haushaltsgeräten, Haustieren und Lebensmitteln im Kühlschrank E-Mails erhalten. Das Internet der Dinge macht es möglich. In der Smart City werden wir alle mit dem Google Glass unterwegs sein, wir werden überall und jederzeit mit nützlichen Informationen versorgt, ohne dass wir sie eigens abgefragt hätten. Wir werden ins Restaurant gelotst, in die Bar, ins Konzert. Die Datenbrille wird für uns auch Entscheidungen treffen.“35 Wie leicht wird solch digitalisierte Freiheit mit echter Freiheit verwechselt! Han prognostiziert: „Das Internet der Dinge vollendet gleichzeitig die Transparenzgesellschaft, die ununterscheidbar geworden ist von einer totalen Überwachungsgesellschaft. Dinge, die uns umgeben, beobachten und überwachen uns. Sie senden pausenlos Informationen über unser Tun und Lassen. Der Kühlschrank etwa weiß Bescheid über unsere Essgewohnheiten. Die vernetzte Zahnbürste über unsere Zahnhygiene. Die Dinge wirken aktiv mit an der Totalprotokollierung des Lebens.“ Die aber werde Vertrauen vollständig durch Information und Kontrolle ersetzen, so Han weiter.

Dass zumindest ein Teil der Gesellschaft solch eine Entwicklung nicht möchte, liegt auf der Hand. Diese Minderheit wird aber trotz der Massivität der offensiven und invasiven technologischen Effekte nicht gefragt. Mit der ausgreifenden Digitalisierung schreitet deshalb umso deutlicher eine „digitale Polarisierung“ unserer Gesellschaft voran.36

Jaron Lanier, einer der Pioniere des Cyberspace, sieht in seinem Buch „Gadget“ einen „kybernetischen Totalitarismus“ heraufziehen.37 Und geht diese kritische Entwicklung nicht zeitlich parallel einher mit einem sich ausbreitenden Gefühl, dass mit unserer Demokratie gerade im zusammenwachsenden Europa ohnehin nicht mehr alles zum Besten steht? „Die Demokratie in der Europäischen Union ist eine windschiefe Konstruktion“, bemerkt etwa Matthias Krupa.38 Da passt es ins Bild, dass es die Europäische Kommission ist, die eine „Digitale Agenda“ als eine der Säulen der „Strategie Europa 2020“39 vorgelegt hat. Nach ihr richten sich die Regierungen der Staaten mehr oder weniger freiwillig – und verspielen dabei zunehmend gewohnte bürgerliche Freiheiten. Zu Recht beklagt die Heidelberger Freiheitsforscherin Ulrike Ackermann: „Das Heil sehen EU-Beamte, europäische Regierungschefs und ihre Finanzminister in noch mehr zentraler Planung, Egalisierung und Vereinheitlichung ... Der Preis ist freilich hoch: Die schleichende Entwicklung hin zum Bundesstaat wird begleitet von einem enormen Demokratiedefizit.“40

Innerhalb Europas nimmt Deutschland bekanntlich eine gewisse Führungsrolle ein. Die neue Regierung hat 2013 eigens einen Infrastrukturminister ernannt: Erster Amtsinhaber ist Alexander Dobrindt (CSU), der für die Digitalwirtschaft den Breitbandausbau vorantreibt, zugleich für den Bund als Anteilseigner des größten deutschen Netzbesitzers steht41 und eine „Netzallianz Digitales Deutschland“ schaffen will. Er arbeitet ganz im Sinne seines Parteivorsitzenden, des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer: Der möchte ausdrücklich, dass die digitale Revolution „in allen Lebensbereichen, von den Schulen bis zur Kultur“42 die Herrschaft ergreift. In Deutschland und darüber hinaus gilt, was die Tageszeitung „Die Welt“ Anfang 2014 auf Seite 1 vermeldet hat: „Bundesregierung und EU-Kommission wollen Europa gemeinsam an die Weltspitze des digitalen Fortschritts bringen.“43 All dies vollzieht sich im weltweiten Ringen um eine technische, kulturell ausgreifende Revolution, wie es sie derart effektiv noch nie gegeben hat. Immer mehr „weiße Flecken“ in digitaler Hinsicht sollen rund um den Globus ausradiert werden.

Dieser Gesamtprozess vollzieht sich mehr oder weniger rücksichtslos. „Die Stimmen der Bürger werden übertönt. Der Verweis auf das allgemeine Interesse verbirgt, was wirklich vorgeht und welche Unternehmen und Branchen gewinnen“, erklärt der renommierte US-Wirtschaftswissenschaftler Robert Reich. „Konzerne heuern Armeen von Lobbyisten, Anwälten, Experten und PR-Spezialisten an ... Daher können sich die Bürger mit ihren Wünschen und Werten immer weniger Gehör verschaffen.“44 Sascha Adamek und Kim Otto haben in ihrem Buch „Der gekaufte Staat. Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben“ (2008) für Deutschland gezeigt: Die Politik ist längst massiv unterwandert. Gesetze und Behörden wirken in der Folge gleichsam maßgeschneidert am Erfolg mit, der wirtschaftlich ja ungefähr von allen Seiten gewünscht wird.

Wo aber führt das alles hin? „Wie wird die digitale Weltordnung aussehen? Wird sie mehr Freiheit oder mehr Unfreiheit bringen?“45 So fragt Mathias Döpfner, und dasselbe fragen sich immer mehr Zeitgenossen. Christoph Kucklick gehört zu denen, die gute Gründe für die Befürchtung sehen, „dass die eigentliche Bedrohung auch im 21. Jahrhundert der staatliche Big Brother ist“.46 Manche Besorgnisse richten sich spekulativ auf irgendwelche Verschwörungstheorien, seien sie esoterischer, sektiererischer oder sonstiger Art. Solche Annahmen lassen sich nicht wirklich beweisen; allerdings sollte man sie auch nicht vollkommen aus dem Bereich des Denkbaren verbannen. Es könnte durchaus verborgene Zusammenschlüsse Mächtiger und Reicher geben, die sich die Möglichkeiten der „Digitalisierung aller Dinge“ für ihre wohlmeinenden (oder auch nicht wohlmeinenden) Ziele zu Dienste machen wollen. Mehr als ein grundsätzlicher Ruf zur Wachsamkeit kann in dieser Situation kaum weiterhelfen. Aber schon solches „Wachbleiben“ ist, wie bereits dargelegt, heutzutage zu einem virulenten, virtuell erzeugten Problem geworden.

Weltanschauliche Aspekte der digitalen Revolution

Die politisch, industriell und ökonomisch sehr konkret angepeilte „Vernetzung der Welt“ ist keineswegs bloß ein hinzunehmender Selbstläufer technologischen Fortschritts. Vielmehr geht die digitale Revolution wie jede Revolution mit weltanschaulichen, womöglich religiösen Implikationen einher, auch wenn das nicht unmittelbar ins allgemeine Bewusstsein tritt; und auf sie gilt es zu reagieren. Die subtile Infragestellung bürgerlicher Freiheiten, wie sie hier skizzenhaft dargelegt worden ist, bedeutet bereits in sich einen weltanschaulich bedeutsamen Vorgang. Denn mit dem Wert der Freiheit geht es um Autonomie und überhaupt ums Menschenbild. Und mit dem Menschenbild geht es zumindest indirekt auch ums Welt- und Gottesbild im Denken des Einzelnen wie der Gesellschaft insgesamt.

Die forcierte „Digitalisierung aller Dinge“ treibt das technische Prinzip der Machbarkeit auf die Spitze. Es fördert damit Perspektiven der Selbstvergötzung des Menschen – und schwächt zugleich die ethisch stets notwendige Bereitschaft zur Selbstkritik und Selbstkontrolle. Überbordender Narzissmus prägt den Geist der digitalisierten Gesellschaft – und führt zur Unterminierung des ethischen Prinzips der Empathie. Der dank des technischen Fortschritts selber zum Gott gewordene Mensch, den schon Sigmund Freud emporwachsen sah47, sucht in seiner Unruhe den Horizont der Transzendenz ins Immanente hineinzuziehen. Religion erhält deshalb immer mehr monistische Züge – und formt sich auf dem Hintergrund eines zunehmenden Säkularismus im 21. Jahrhundert selber immer mehr zu einer technizistischen Ersatzreligion um.

Zu deren Eigenschaften gehört es bezeichnenderweise, sogar die Unsterblichkeit der Seele in den Bereich des Machbaren zu ziehen – als könne man auf technologischem Weg der Sterblichkeit entfliehen! Zwar ist sich der Neurologe Todd E. Feinberg sicher: Die „Menschheit wird auch dem fortgeschrittensten Computer niemals Bewusstsein zusprechen“.48 Aber solche Besonnenheit ist im Zeitalter der konsequenten Digitalisierung wenig attraktiv. Heute tritt die „Zeitlosigkeit der Elektronik“49 an die Stelle des religiösen Ewigkeitsgedankens. Auf diesem Hintergrund ringt man – mit Schirrmacher formuliert – um die technisch machbare „Verwandlung des menschlichen Fleisches in einen Stoff unvorstellbarer Vollkommenheit, ein Akt geistiger Wiedergeburt und körperlicher Unsterblichkeit“.50

Der britische Philosoph Steven Cave weiß: „Viele scheinen eine Art digitalen Doppelgänger zu haben. Gedanken, Bilder, Freundschaften – das alles existiert auch in der virtuellen Welt. So hegen manche die Hoffnung, dass ein digitales Selbst die Person überlebt als diffuses Selbst oder Avatar – vorausgesetzt, es habe genug von der Psyche oder dem Geist der Person übernommen. Die sogenannten ‚Transhumanisten‘ denken, das Gehirn ließe sich mit Software speichern und rekonstruieren. Sie sammeln sogar Geld, um die Forschung in diese Richtung zu unterstützen.“51 Demgemäß zeigt sich der Zukunftsforscher Hans Moravec überzeugt von den Heilsmöglichkeiten künftiger Technik: Stück für Stück unseres versagenden Gehirns könne durch überlegene elektronische Ersatzteile erhalten werden – „obwohl am Ende keine Spur des ursprünglichen Körpers oder Gehirns mehr übrig ist“.52 Längst geht es hierbei um durchaus konkrete Vorstellungen. Das zeigt sich an dem russischen Milliardär Dmitry Itskov, Gründer der „Initiative 2045“53: Sie hat sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen bis zum Jahr 2045 tatsächlich unsterblich zu machen.54 Schon bis 2020 soll es möglich sein, Roboter-Avatare durch Gedankensteuerung zu kontrollieren; 2025 könnten die Gehirne von Menschen, deren Körper kurz vor dem Exitus stehen, in Roboter verpflanzt werden, was ihnen ein „aktives“ Leben ermöglichen soll. Um 2035 sollen Wissenschaftler dann fähig sein, menschliche Gehirne und somit Bewusstsein auf Computer zu kopieren, also in Roboter zu verpflanzen. Damit soll ein postmortales Weiterleben ermöglicht werden. 2045 werde es Unsterblichkeit in Form von rein in künstlichen Medien existierenden Menschen geben, die durch holografische Avatare repräsentiert werden.

Ähnlich äußert sich in den USA der Erfinder, Technik-Prophet und Geschäftsmann Ray Kurzweil, den inzwischen der Google-Konzern unter Vertrag genommen hat. Er rechnet mit dem Triumph künstlicher Intelligenz über die menschliche, ja mit der ihm persönlich noch zugutekommenden Realisierung des utopischen Ziels, dass die Technik ewiges Leben bringe.55 Auch er meint, bis etwa 2045 sollten die Unsterblichkeit erreicht und das Altern besiegt sein.56 Sogar die „Auferstehung der Toten“ wird im Horizont entsprechenden Denkens als technisch machbar eingeschätzt – zu realisieren freilich erst in fernen Zeiten.57 Das alles gehört zu der unglaublichen Eschatologie technizistischer IT-Ersatzreligion. Hierzu erläutert der Zukunftsforscher Andreas Eschbach kritisch: „Dass unser Geist, das Bewusstsein letztlich eine Art Software sei, die zufällig auf der Hardware Gehirn abläuft, aber genauso gut auf jede andere Hardware übertragbar sein soll, ist ein moderner Mythos, aber keinesfalls gesicherte Tatsache. Gesicherte Tatsache ist, dass es darüber, wie Geist, Intelligenz, überhaupt Bewusstsein zustande kommen – wie es also kommen kann, dass wir ich sagen können; wie es zugeht, dass wir sind und, schlicht gesagt, aus unseren Augen hinaus in die Welt gucken können –, noch keinerlei gesicherte Tatsachen gibt.“58 Desgleichen betont Reinhold Popp als Leiter des Zentrums für Zukunftsstudien der Fachhochschule Salzburg: „Das menschliche Bewusstsein ist unendlich komplex; die Annahme, es könne auf Maschinen übertragen werden, ist blauäugig.“ Die Verpflanzung des Bewusstseins wäre laut Popp allzu komplex: „Das klingt einfach nach einer Übersetzung des alten Alchemisten-Traums vom ewigen Leben in unsere moderne Zeit.“59

Der Anhängerschaft der sich ausbreitenden IT-Ersatzreligion bleibt das Jesus-Wort entgegenzuhalten: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ (Matth 16,26). Der Begriff der Seele60 ist hier eindeutig als eine Größe verstanden, die das Universum im Ansatz transzendiert und doch beschädigt werden kann. Insofern bringt die digitale Revolution mit ihren hier skizzierten Versuchlichkeiten und weltanschaulichen Implikationen Gefahren nicht nur in politischer, psychologischer und medizinischer, sondern auch in spiritueller Hinsicht mit sich. Theologie und Kirche sind deshalb sowohl auf ethischem als auch auf dogmatischem Gebiet herausgefordert. Ihr Wächteramt ist durch die Zuspitzung der technologischen Entwicklung und ihrer gesellschaftlichen Folgen in ganz neuer Weise gefragt. Das gilt gerade angesichts der von Martin Schulz und anderen benannten Risiken in Richtung eines neuartigen, technokratisch möglichen Totalitarismus, der an einer technizistisch und säkularistisch durchwachsenen Zivilreligion durchaus Interesse haben könnte. So ist nach Mathias Döpfner der „Verlust des religiösen Gehalts, der allumfassenden Sinnbestimmung durch das Göttliche ein Nährboden, auf dem das Bedürfnis nach einer anderen ordnenden Kraft, einer neuen höchsten und letzten Instanz gedeiht. Diese neue, allzuständige, alles ordnende Kraft ist statt Gottvater dann Vater Staat ... Weil man nicht mehr oder kaum noch an ein Leben nach dem Tod und ein Jenseits glaubt, muss man mit staatlicher Hilfe das Paradies auf Erden schaffen. So wird die gottlose Gesellschaft staatsgläubig.“61 Wenn dann der Staat selbst alles auf „digitale Agenden“ setzt und viele digitalisierte Seelen weltanschaulich ganz auf ihn eingestellt sind, dürfte sich die „Big Brother“-Vision in George Orwells „1984“ als eine harmlose Untertreibung herausstellen.


Werner Thiede, Regensburg


Anmerkungen

  1. Umberto Eco, Über Gott und die Welt, München/Wien 1985, 162.
  2. Berlin 2013 (siehe www.digitalisierte-freiheit.de ). Vgl. auch meinen Aufsatz „Die digitale Religion“, in: Sonntagsblatt 8/2014, 4-6, sowie ein Interview mit mir unter dem Titel „Gott liket mich nicht – er liebt mich“, in: Newsletter zum ökumenischen Predigtpreis 1/2014 (www.predigtpreis.de ).
  3. Luke Harding, The Snowden Files. The Inside Story of the World’s Most Wanted Man, London 2014.
  4. In diesen Zusammenhang gehört nicht zuletzt die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. So unterstreicht die Medizinerin Silke Lüder, Sprecherin der Bürgerinitiative „Aktion ‚Stoppt-die-e-Card‘“: „Die Gier nach den Medizindaten der Bürger ist immens. Die Krankenkassen wollen mit der eGK den Weg in eine Überwachungsmedizin ebnen. Sie wollen, dass elektronische Krankenakten zentral in Rechenzentren gespeichert werden, damit sie auf Patientendaten zugreifen und die Behandlung lenken können. Auch die privaten Klinikkonzerne scharren schon mit den Hufen. Sie brauchen die Medizindaten, um ihre Profite weiter kräftig zu steigern“ (Mittelbayerische Zeitung vom 14.1.2014, 4).
  5. Siehe http://m.heute.de/ZDF/zdfportal/xml/object/31444666  sowie andere Quellen.
  6. www.faz.net/aktuell/wirtschaft/reportage-auf-der-kirmes-der-nerds-12008135.html (Zugriff 28.12.2012). Eindringlich hat schon seit Jahren auch der Whistleblower William Binney, der als ehemaliger NSA-Mitarbeiter an der Entwicklung der Überwachungsprogramme des amerikanischen Geheimdienstes beteiligt war, auf die Datensammelwut der NSA und die totalitäre Gefahr aufmerksam gemacht (www.golem.de/news/nsa-whistleblower-sie-errichten-einen-totalitaeren-staat-1306-100098.html , Zugriff 2.7.2013).
  7. Sascha Lobo, Die Mensch-Maschine, zit. nach www.spiegel.de/netzwelt/web/die-mensch-maschine-sascha-lobo-ueber-das-erkrankte-internet-a-943413.html  (Zugriff 16.1.2014). Lobo weiter: „Gleichzeitig addiert sich politisch Kränkung zu Kränkung, in einer nicht für möglich gehaltenen Dimension ... Die Überwachungsmaschinerie hat sich verselbständigt, sie ist zum Selbstzweck geworden.“
  8. Zit. nach Günter Flegel, Die langen Arme des Staates, in: Fränkischer Tag vom 29.8.2013, 4.
  9. Im ZEIT-Interview „Stoppen Sie das, Mister Obama!“ (26/2013, 43f).
  10. Siehe www.spiegel.de/politik/ausland/nsa-affaere-jimmy-carter-kritisiert-usa-a-911589.html  (Zugriff 18.7.2013).
  11. Zit. nach F.A.Z. vom 6.2.2014. Schulz betont weiter, die digitale Revolution stelle eine ähnliche politische Herausforderung für die Humanisierung der technischen Entwicklung dar, wie es die Industrialisierung im 19. Jahrhundert gewesen sei: Wie seinerzeit werde eine soziale Bewegung gebraucht, welche „die Unverletzlichkeit der menschlichen Würde ins Zentrum ihrer Überlegungen stellt und die nicht zulässt, dass der Mensch zum bloßen Objekt degeneriert“. Es gehe um „die Verteidigung unserer Grundwerte im 21. Jahrhundert“.
  12. Ebd.; vgl. auch Albert Wieland, Moral als Wille zur Macht, Bietigheim/Baden 2013.
  13. Dazu mein Aufsatz „Ökonomisierung als ethische Maxime heutiger Gesellschaftspolitik? Warum die vierte Stufe der Industrialisierung Technik-Kritik obsolet macht“, in: Matthias Heesch u. a. (Hg.), Theologie im Spannungsfeld von Politik und Kirche, Festgabe zum 75. Geburtstag von Hans Schwarz, Frankfurt a. M. u. a. 2014 (im Druck).
  14. Siehe www.bitkom.org/files/documents/Grundsatzpapier_Industriepolitik_BITKOM.pdf  (2012).
  15. Manfred Spitzer, Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen, München 2012 (Übersetzung in elf Sprachen).
  16. Dazu mein Buch „Mythos Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft“(München 2012) sowie der Aufsatz „Mobilfunk und implizite Weltanschauung. Geistige Affinitäten zu einer invasiven Technologie“ (in: MD 12/2012, 443-454).
  17. Zum einschlägigen Urteil des Bundesgerichtshofs siehe meinen Kommentar „Die Mobilfunk-Diskussion“, in: Mittelbayerische Zeitung vom 30.1.2014, 4.
  18. Ulrich Clauss, Verkaterte Netzgemeinde, in: DIE WELT vom 30.9.2013, 3.
  19. Ulrich Clauss, Dobrindts Klingeldraht, in: DIE WELT vom 13.1.2014, 1.
  20. www.focus.de/finanzen/banken/schufa/schuetzen-sie-ihre-identitaet-jeder-fuenfte-deutsche-von-datenklau-im-internet-betroffen_id_3491803.html  (Zugriff 15.1.2014).
  21. Vgl. www.fr-online.de/politik/empoerung-ueber-internet-ueberwachung-durch-deutschen-geheimdienst,
    1472596,23360242.html; www.golem.de/news/nsa-geheimdienste-lassen-sich-sicherheitsluecken-liefern-1306-99821.html?utm_source=nl.2013-06-17.html&utm_medium=e-mail&utm_campaign=golem.de-newsletter  (Zugriffe 18.6.2013).
  22. Der Mensch ist „nicht nur der Prometheus oder Luzifer, sondern – brauchen wir der Deutlichkeit halber und der Grobheit der Sache entsprechend, ein paar grobe Ausdrücke! – auch ganz einfach ein Faulpelz, ein Siebenschläfer, ein Nichtstuer, ein Bummler“ (Karl Barth, Die Kirchliche Dogmatik IV/2, IV, 2, 453f).
  23. Mit der Umsetzung der EU-Geld-Richtlinie (2009/110/EG) soll Bargeld zunehmend verschwinden zugunsten sicherer „E-Geld-Dienstleistungen“. Die EU fordert für alle Bürger der Mitgliedsstaaten die „elektronische Geldbörse“ in Form einer Zahlungskarte oder einer anderen Chipkarte bzw. Speichermedien für „E-Geld“. „Near Field Communication“ (NFC) heißt der Funkstandard für Smartphones, der die Geldbörse immer mehr vergessen machen soll. Clauss ist besorgt um „die Sicherheit der zukunftsträchtigen mobilen Bezahldienste per Handy“ (Dobrindts Klingeldraht, a.a.O., 1).
  24. In Deutschland hat der Bundestag bereits 2013 die Einführung „intelligenter“ Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern in deutsches Recht umgesetzt. Das sei alternativlos gewesen, denn es bestehe eine „Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie 2010/40/EU“, deren Ziel es sei, „eine koordinierte und effektive Einführung von Intelligenten Verkehrssystemen im Straßenverkehr im Interesse einer effizienteren, umweltverträglicheren und sichereren Mobilität zu gewährleisten“ (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/123/1712371.pdf, Zugriff 20.2.2014).
  25. Vgl. Werner Thiede, Wenn Strom- und Wasserzähler „strahlen“. Ethische Aspekte der künftig einzusetzenden digitalen Messgeräte, in: ETHICA 20 (2012), 165-183.
  26. Siehe www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/autoren-gegen-ueberwachung/demokratie-im-digitalen-zeitalter-der-aufruf-der-schriftsteller-12702040.html  (Zugriff 13.1.2014).
  27. www.golem.de/news/imho-von-der-hinterlist-einer-lichtscheuen-politik-1306-100028.html  (Zugriff 27.6.2013). Der SPD-Politiker Thomas Oppermann mahnt: „Der Staat darf nicht alles machen, was technisch möglich ist“ (zit. nach: Stuttgarter Zeitung vom 1.7.2013, 6).
  28. Jochen Bittner/Yassin Musharbash, Jäger im Daten-dschungel, in: ZEIT 27/2013, 3.
  29. Hans-Joachim Maaz, Die narzisstische Gesellschaft. Ein Psychogramm, München 2012, 209. Nächstes Zitat ebd.
  30. Erhard Ratz, Kriterien für eine humane Zukunft. Probleme der Humanisierung des Technologieprozesses, in: Nachrichten der Evang.-Luth. Kirche in Bayern 31 (1976), 381-385, hier 384.
  31. Aufschlussreich hierzu Linus Neumann, Für Umstürze ungeeignet. Der Mythos der Facebook-Revolution ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich, in: zeitzeichen 3/2012, 28-30.
  32. Peter Hahne, Nur die Wahrheit zählt, Friesenheim-Schuttern 62011, 54f.
  33. Dazu mein Aufsatz „Information und Wahrheit. Zur Macht der Medien im Mobilfunk-Zeitalter“, in: MUT 546, Juni 2013, 76-80.
  34. Siehe den Beitrag „Die ‚Will-ich-haben‘-Messe“, in: Focus 3/2014, 86-89, hier 89, wo auch die Frage erhoben wird: „Wer will schon, dass jede kleine Sünde ans Smartphone gepetzt und registriert wird?“
  35. Byung-Chul Han, Im digitalen Panoptikum, in: DER SPIEGEL 2/2014, 106f, hier 106. Nächstes Zitat ebd.

  36. Diese Diagnose formuliere ich in: Die digitalisierte Freiheit, a.a.O., 58ff.
  37. Jaron Lanier, Gadget. Warum die Zukunft uns noch braucht, Frankfurt a. M. 2010, 88. Vgl. auch Xuewu Gu, Demokratie oder autoritärer Staat? in: Thomas Kunze/Wolfgang Maier (Hg.), Einundzwanzig. Jahrhundertgefahren – Jahrhundertchancen, Berlin 2010, 63-67.
  38. In der ZEIT 22/2013, 4. Von einem Defizit der Demokratie in Europa sprechen auch Sylvie Goulard und Mario Monti, De la démocratie en Europe, Paris 2012.
  39. Siehe europa.eu/legislation_summaries/information_society/strategies/si0016_de.htm (Zugriff 1.10.2013).
  40. Ulrike Ackermann, Ist Europa zu retten?, in: DIE WELT vom 30.9.2013, 2. Ackermann zufolge ist Europa vom Grundansatz her nicht nur ein Friedens-, sondern auch ein Freiheitsprojekt. Was aber wird durch die digitale Revolution daraus?
  41. Vgl. Ulrich Clauss, Dobrindts Klingeldraht, a.a.O., 1, wo auch explizit auf eine „gesicherte Telekom-Rendite für den Bund“ hingewiesen wird.
  42. Horst Seehofer in einem Interview im vbw-Magazin 6/2012, 15f.
  43. „EU unterstützt deutschen Kraftakt beim Internet“, in: DIE WELT vom 13.1.2014, 1.
  44. Robert Reich, Superkapitalismus. Wie die Wirtschaft unsere Demokratie untergräbt, Frankfurt a. M./New York 2008, 272f.
  45. Mathias Döpfner, Die Freiheitsfalle. Ein Bericht, Berlin 2011, 235.
  46. Christoph Kucklick, Der vermessene Mensch, in: GEO 8/2013, 80-98, hier 94.
  47. Vgl. Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur, in: ders., Kulturtheoretische Schriften, Frankfurt a. M. 1986, 191-270, hier 222.
  48. Siehe seine Äußerungen in: John Brockman (Hg.), Das Wissen von morgen, Frankfurt a. M. 22008, 139.
  49. So der Psychologe Wolfgang Bergmann, Abschied vom Gewissen. Die Seele in der digitalen Welt, Asendorf 2000, 49.
  50. Frank Schirrmacher, EGO. Das Spiel des Lebens, München 2013, 228.
  51. Interview mit Stephen Cave, „Geht noch ein bisschen mehr?“, in: ZEIT 51/2012, Beilage „Christ & Welt“, 5.
  52. Hans Moravec, Computer übernehmen die Macht, Hamburg 1999, 265.
  53. 2045.com (Zugriff 22.2.2013).
  54. Vgl. auch www.pressetext.com/news/20120806019#news/20120824001  (Zugriff 2.9.2012). Dazu Jörg-Uwe Albig, Die Sehnsucht nach dem ewigen Leben, in: GEO Wissen 51/2013, 154-161.
  55. Vgl. Heike Buchter / Burkhard Strassmann, Die Unsterblichen, in: ZEIT 14/2013, 23.
  56. Der amerikanische Internetkonzern Google will in diesem Sinn das Altern verzögern: Er kündigte im September 2013 die Gründung eines entsprechenden Gesundheitsunternehmens namens Calico an (laut F.A.Z. 219 vom 20.9.2013, 11).
  57. Vgl. Frank J. Tipler, Die Physik der Unsterblichkeit, München 1994 (dazu meine Überlegungen in: Die digitalisierte Freiheit, a.a.O., 175f).
  58. Andreas Eschbach, Das Buch von der Zukunft, Berlin 22005, 82.
  59. www.pressetext.com/news/20120824001  (Zugriff 19.3.2013).
  60. Dazu näherhin mein Beitrag „Du meine Seele ...“ in: Petra Schulze (Hg.), Beffchen, Bibel, Butterkuchen, Frankfurt a. M. 2009, 62-70.
  61. Mathias Döpfner, Freiheitsfalle, a.a.O., 52.