Interreligiöser Dialog

„Die Aussprache unserer Namen darf kein Hindernis für Freundschaft sein“ - Erste Muslim-Jewish Conference

Rund 60 jüdische und muslimische junge Menschen aus 25 Ländern aller Kontinente kamen Anfang August 2010 für eine Woche in Wien zur ersten Muslim-Jewish Conference (MJC) zusammen, um in Vorträgen, Dialogrunden und gemeinsamen Aktivitäten Brücken der Verständigung zu bauen. Gründer und Generalsekretär Ilja Sichrovsky (27) hatte mit einem Team diese Konferenz initiiert, um künftige Führungskräfte in Wirtschaft, Politik und Bildung an einen Tisch zu bringen und einen fachlichen und persönlichen Austausch über die jeweils eigenen Religions- und Kulturgrenzen hinaus zu ermöglichen. Ziel ist es, eine gemeinsame Sprache zu finden, Vorurteile zwischen Juden und Muslimen zu überwinden und, wo möglich, bei gemeinsamen Projekten zusammenzuarbeiten. Dazu sollen künftig regelmäßig Treffen stattfinden.

Der Erfahrung, weithin ohne Kontakt zur jeweils anderen Seite erzogen worden zu sein und daher vorwiegend mit Stereotypen und Vorurteilen konfrontiert zu werden, stellt damit eine neue Generation von Akademikern ein auf Nachhaltigkeit angelegtes Programm entgegen, das eine ebenso respektvolle wie differenzierte Debatte über Negativprägungen und Perspektiven zu deren Überwindung auf den Weg bringt. „Die Aussprache unserer Namen darf kein Hindernis für Freundschaft sein“, so Sichrovsky. In zunehmend multikulturellen und multireligiösen Kontexten sei es dringend geboten, Kommunikationsunfähigkeit und weitere Polarisierung zu bekämpfen. Man weigere sich, die Zukunft weiterhin nur unter dem Vorzeichen des Konflikts zu sehen; vielmehr suche man Mittel und Wege, dem „Anderen“ zu begegnen, ihn besser zu verstehen und deshalb mit ihm anstatt über ihn zu reden. Zugleich wurde das Recht auf kritische Auseinandersetzung mit religiösen Konzepten und deren gesellschaftlichen Auswirkungen bekräftigt und die Existenz von „wichtigen Unterschieden“ betont. Der Nahostkonflikt wurde im Programm indes ausgespart. Zu emotional und kontrovers sind die unterschiedlichen Paradigmen auf der einen und der anderen Seite, denen man sich aber gerade mit einer gemeinsamen Sprache und auf Augenhöhe nähern möchte.

Ergebnisse und Forderungen an die eigene Adresse sowie an die Öffentlichkeit fasst eine 29-seitige offizielle Erklärung zusammen, die bei der Schlusskonferenz präsentiert wurde. Sie spiegelt die Themen der Hauptarbeitsgruppen „Islamophobie und Antisemitismus“, „Bildung“ und „Die Rolle der Medien“ wider. Im Bereich Bildung erscheint die nachdrückliche Forderung nach Stärkung interkultureller und interreligiöser Kompetenz durch die verbindliche Einführung bzw. den Ausbau religionsvergleichender Studien besonders wichtig. Auch die Vermittlung und Erweiterung eines kritisch-analytischen Instrumentariums für den kritischen Umgang z. B. mit kontroversen Geschichtsbildern wird hervorgehoben. Die Initiatoren zogen eine positive Bilanz der ersten Konferenz. „Die Teilnehmer haben durch die persönliche Konfrontation gelernt, dass der Mensch wichtiger ist als das Religionsbekenntnis. Es ist eine gemeinsame Ebene entstanden“, hieß es. Einzig Visaprobleme stellten ein vorerst unüberwindbares Hindernis dar: So konnten zehn Studenten aus Nigeria, dem Iran und dem Westjordanland trotz Unterstützung des österreichischen Außenministeriums aufgrund der fehlenden Reisegenehmigung nicht teilnehmen.


Friedmann Eißler