Fiat Lux

Der „Orden Fiat Lux“ vor dem Ende?

(Letzter Bericht: MD 9/2006, 355f) Es verdichten sich die Hinweise, dass die Neuoffenbarungssekte „Fiat Lux“ des Tieftrance-Mediums Erika Bertschinger-Eicke alias „Uriella“ (geb. 1929) vor dem Ende stehen könnte. Aus Aussteiger-Kreisen war schon länger bekannt, dass es um den Mitgliederbestand und die Disziplin des angeblichen „Ordens“, vor allem aber um Uriellas Gesundheitszustand, nicht zum Besten stehe. Die einst medienversessene Uriella ist schon seit Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten, so dass die Spekulationen dementsprechend wild ins Kraut schossen. Auch für ihre eigenen Anhänger ist sie nicht mehr sichtbar, denn zu der offenbar schwerkranken Frau hat wohl nur noch eine ganz kleine Anzahl Vertrauter überhaupt Zugang.

Nun gibt es erste Belege dafür, dass die Gerüchte einen realen Hintergrund haben. Durch Indiskretionen wurden zwei angebliche Botschaften von Jesus Christus an Uriella bekannt, die dokumentieren, in welch katastrophalem Zustand sich einerseits der „Orden“ und andererseits Uriella selbst befinden müssen. In einer sogenannten „Kurzbotschaft“ vom 8.2.2009 heißt es: „Alle Aufträge, die von GOTT erteilt werden, haben den Vorrang gegenüber den täglichen Arbeiten, den Mahlzeiten und anderem mehr. Die Priorität haben stets Gehorsam, Pflicht, Verantwortung und Rettung eines Schöpfungsteils. Hier geht es um Eure, sich seit Jahrzehnten für Euch verzehrende und ergebenst dienende Ordensmutter Uriella. Ihr Leben steht auf des Messers Schneide! Jene, die diese Bewährungsprüfung bewusst nicht bestehen wollen und damit die Sünde wider den HEILIGEN GEIST begehen, mögen sich, bitte, freiwillig vom ORDEN distanzieren. Dadurch erfolgt auch die Trennung im Jenseits. Bei diesen sogenannten Ordensträgern handelt es sich um keine wahren FIAT LUX-Kinder, sondern um Nutznießer, die von GOTT in den letzten Atemzügen des jetzigen Aeons ohnehin nicht gebraucht werden können. GOTTES Segen. AMEN!“

Offenbar fruchteten aber weder die Drohungen mit dem Jenseits noch der Hinweis auf Uriellas Krankheit bzw. ihr „auf des Messers Schneide“ stehendes Leben. Denn am 20.3.2009 kam es zu einer zweiten Botschaft ähnlichen Inhalts: „Für GOTTVATER und Mich“ – gemeint ist wohl Jesus Christus – „ist es zutiefst erschütternd, dass 90% aller Ordensträger – trotz jahrelanger, intensiver Geistesschulung –, sich weigern, einen Auftrag ordnungsgemäß auszuführen! Jene, die in einem Angestelltenverhältnis stehen und für ihre Dienstleistungen honoriert werden, versündigen sich ganz besonders schwer. Es ist der gleiche Ungehorsam, der in der Ewigkeit zum Engelsturz führte. Sture Auflehnung, Besserwisserei, Gleichgültigkeit, Geltungssucht, Eigenwillen, Hochmut und Stolz sind u. a. die Hauptursache des Ungehorsams. Kein Erdenmensch mit diesen verheerenden Untugenden, hat auf AMORA [der nach Uriellas Vorstellung durch Katastrophen gereinigten Erde, C.R.] Zutritt. Wer auf eine Amnestie GOTTES spekuliert, lebt in einer gewaltigen Täuschung!“ Die Botschaften zeigen sehr deutlich, dass Uriellas Ehemann „Icordo“ alias Eberhard Bertschinger-Eicke trotz oder vielleicht gerade wegen seines anscheinend sehr despotischen Führungsstils die Gemeinschaft nicht mehr unter Kontrolle hat. Jedenfalls stürzten sich deutsche wie Schweizer Medien, die von den beiden kurzen Botschaften Kenntnis erhielten, begierig auf die Neuigkeiten von jener schrillen Figur, der sie einst immer bereitwillig ein Forum boten. Icordo verweigerte zunächst jeden Kommentar, empfing dann aber doch Anfang Mai zwei Reporter der Schweizer Boulevardzeitung „SonntagsBlick“. In dem Gespräch scheint Uriellas Ehemann bestätigt zu haben, dass die „Ordensmutti“ tatsächlich an Krebs erkrankt ist.

Der „SonntagsBlick“ schrieb: „Sicher ist: Uriella hat extreme Schmerzen. Doch sie erträgt ihr Leid bis zum letzten Blutstropfen im Kelch. Morphium gegen die Schmerzen darf sie keines nehmen, denn sonst kann sie die göttlichen Botschaften nur noch verschwommen empfangen. Denn diese erreichen sie noch immer. Zwar nicht mehr wie früher in Volltrance, dafür per Telefon ... Je länger das Gespräch dauert, desto mehr kommt Uriellas Stellvertreter in Fahrt. Er räumt sogar Fehler ein. Der Orden hätte bei seinen Weltuntergangs-Prophezeiungen keine Daten nennen sollen. Gott hält sich halt nicht immer an den Zeitplan. Die Fiat-Lux-Gemeinde ist auf die Zeit nach Uriellas Tod vorbereitet. Fest steht, dass Icordos Frau erdbestattet wird und einen Grabstein bekommt. Wo, bleibt geheim. Weil Uriella als Sprachrohr Gottes die höchste geistige Sphäre erreicht hat, darf sie nach ihrem Tod im Paradies bleiben – so sehen es jedenfalls die Sektenmitglieder. Sie glauben an die Wiedergeburt. Icordo selbst behauptet, er sei im 15. Jahrhundert der Zürcher Reformator Ulrich Zwingli gewesen. Die Geistheilerin wird für ihre Jünger auch im Paradies das Licht ihrer Gemeinde bleiben. ‚Wenn ich diese Erde einmal verlasse, bin ich mit meinem Geist immer noch beim Orden Fiat Lux’, sagte sie in einem ihrer letzten Interviews. Ob dies allerdings auch Uriellas Anhänger so sehen, ist fraglich. Nachfolger Icordo fehlt das Charisma, um die Sekte zusammenzuhalten. Dies zeigte sich auch letzten Donnerstag. Dem Tag, als Uriella vor 33 Jahren in Egg ZH zum ersten Mal in Volltrance eine Botschaft empfangen hatte. Gerade noch ein paar Dutzend Angehörige kamen nach Ibach (D), um die göttliche Eingebung zu feiern. Parkten vor drei Jahren noch Hunderte weißer Autos vor dem Sektenzentrum im Schwarzwald, waren es vor drei Tagen noch gut 50. Dass die Sekte schrumpft, fiel auch Ibachs Bürgermeister Artur Meiners auf. An seiner Abschiedsfeier Anfang Mai erschienen nur noch wenige Anhänger. ‚Sie gaben mir ein Ständchen und sangen minutenlang: heilig, heilig.’ Icordo redet und redet. Gerade als er freudig in die Kamera lacht, ruft ihn ein Jünger ans Telefon – Uriella wolle ihn sprechen. Minuten später ist er wie verwandelt zurück. ‚Der Heiland wünscht nicht, dass unser Gespräch veröffentlicht wird.’ Drohen tut er nicht mit dem Fegefeuer, sondern mit dem Anwalt. Die Todgeweihte hat ihn immer noch unter Kontrolle“ (SonntagsBlick, 10.5.09).

Interessant ist an dem Artikel zweierlei: Zum einen, dass sich angesichts des zu erwartenden Ablebens von Uriella die Doktrin des „Ordens“ offenbar gewaltig geändert hat, denn früher ging man bei „Fiat Lux“ immer davon aus, dass es nie zu einem Tod Uriellas kommen werde, weil zuvor die Reinigung der Erde und deren Umwandlung in „Amora“ zu erwarten sei. Zum andern bestätigt sich einmal mehr, dass „Fiat Lux“ nur noch sehr wenige Anhänger aufweist. Der „SonntagsBlick“ veröffentlichte zu dem Bericht ein Foto des erwähnten Abschiedsständchens für den Ibacher Bürgermeister. Zu sehen sind darauf ein dirigierender Icordo und relativ alte „Fiat Lux“-Mitglieder. Dies bestätigt den Eindruck von Beobachtern, dass vor allem jüngere Sektenmitglieder den „Orden“ längst verlassen haben. Übrig geblieben sind jene älteren Damen und Herren, die schlicht keine Ausstiegsperspektive haben. Was aus ihnen wird, wenn Uriella nicht mehr lebt, bleibt abzuwarten. Die Prognose des hier Schreibenden: Icordo ist tatsächlich zu unbeliebt, um die Gemeinschaft dauerhaft zusammenhalten zu können. Wahrscheinlich zerfällt der „Orden“ deshalb in Mini-Grüppchen, unter denen es dann möglicherweise zum Streit kommt, bei welchem nun Uriella tatsächlich als „Licht ihrer Gemeinde“ geistig anwesend ist. Solche Abspaltungen gab es auch schon in der Vergangenheit. Fest steht jedenfalls, dass der „Orden Fiat Lux“ in seiner jetzigen Form bald Geschichte ist.


Christian Ruch, Chur/Schweiz