Andreas Goetze

Antisemitismus und Nahostkonflikt. Ein Versuch, Begriffe zu klären

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Vielfach werden die folgenden Begriffe im jüdisch-christlich-muslimischen Dialog verwendet, wobei nicht immer deutlich ist, was im Einzelnen gemeint ist. Auf diese Weise entstehen Missverständnisse und Unschärfen, wenn über das Verhältnis zwischen Antisemitismus, Antizionismus und Antijudaismus gesprochen wird.

Antijudaismus als eine grundsätzlich ablehnende Gesinnung und Haltung gegenüber den Juden als Juden ist um Jahrhunderte älter als das Christentum. Der christliche Antijudaismus hat seine Wurzeln im Neuen Testament. Als Folge der wechselseitigen Ablehnung von junger Kirche und Synagoge kam es zu zwei konkurrierenden Schriftinterpretationen: Die christologische Auslegung der hebräischen Bibel (unseres Alten Testaments) zog eine antijüdische Auslegung nach sich (Legitimationszwang: Kirche als „neues Israel“; Entlastung der Römer auf Kosten der Juden beim Prozess gegen Jesus, Juden als Gottesmörder, jüdischer Gott als Rachegott, Juden als „Heilsverhinderer“, Zerstörung Jerusalems und die Zerstreuung der Juden als Zeichen des Gerichts Gottes für die Ablehnung von Jesus als Messias u. a.).

Antisemitismus: biologistisch-rassistisch begründeter Judenhass

Der Kampf der (germanischen) „Herren-Rasse“ um die Weltherrschaft, gegen das „internationale Weltjudentum“, hatte zwei Ziele: Lebensraumeroberung (hier gründet der Weltkrieg) und Judenvernichtung (gegen die „jüdische Weltverschwörung“ – hier gründet der Holocaust). Mit dem europäischen Nationalismus wuchs ein Antisemitismus heran, der ganz im Sinne des sozialdarwinistischen Zeitgeistes (Selektionsprinzip: das „Überleben des Tüchtigsten“) rassistisch-biologistisch begründet war und nicht mehr biblisch-religiös (wobei er dessen Motive aufnehmen konnte). Die über Jahrhunderte gezeichneten Zerrbilder hatten sich verselbstständigt: Juden waren zu einer „Metapher des Bösen“ geworden, die nicht einmal mehr einer realen Erscheinung bedarf, um Wirkung zu haben. Neben der religiös motivierten Judenfeindschaft kamen im Mittelalter und in der Neuzeit noch wirtschaftlich motivierte Feindbilder hinzu: die Juden als „Wucherer und Ausbeuter“, die die anderen Menschen finanziell durch hohe Zinsen unterdrücken und die Kontrolle über den Geldmarkt haben. Der Antisemitismus hat bis heute eine starke psychosoziale Funktion: Eine Bevölkerung, konfrontiert mit Schwierigkeiten mannigfacher Art, bedarf nach wie vor des „Sündenbocks“, um sich abzureagieren, sodass sich aufgestaute Neid-, Hass- und Frustrationsgefühle entladen können als Beitrag zur Legitimierung und Absicherung des eigenen Selbstverständnisses. Eine besondere Form in Deutschland ist ein „sekundärer Antisemitismus“ bzw. ein „Antisemitismus wegen Auschwitz“ (Erinnerungs- und Entlastungsfunktion: Schlussstrich-Debatte; Israelkritik anhand von Vergleichen mit der NS-Zeit).

Philosemitismus:1 unkritische projüdisch-israelische Haltung

1880 benutzt der konservative Historiker Heinrich von Treitschke, ein bekennender Judenfeind („Die Juden sind unser Unglück“), den Begriff „Philosemitismus“ zum ersten Mal in einem Aufsatz – als Kampfbegriff, um die Linksliberalen als Judenfreunde zu brandmarken. Insofern kann man den Begriff Philosemitismus durchaus in der Geschichte des Antisemitismus festmachen. In der jungen Bundesrepublik dient ein demonstrativer Philosemitismus dazu, sich von den NS-Verbrechen reinzuwaschen. So kam es zu einem durchaus deutlichen Graben zwischen der tiefen Verwurzelung des Antisemitismus in der Alltagswirklichkeit gegenüber einer öffentlich-offiziell bekundeten Haltung, projüdisch, pro­israelisch zu sein – eine Problematik, die bis heute nachwirkt.2  Philosemitismus hat ebenso wie der Antisemitismus nichts mit der jüdischen Realität zu tun und ist nicht an konkreten Begegnungen mit Juden und dem Judentum interessiert. Er war und ist ebenso voraussetzungslos – so konnte und kann er funktionalisiert werden. Er wurde zur Doktrin im westdeutschen Staatsverständnis. Auf diese Weise musste der tief verwurzelte Antisemitismus nicht infrage gestellt werden (Stichworte bis heute: „Normalität“, „Versöhnung“, „Schlussstrich“). Eine Auseinandersetzung war nicht gewünscht und wurde auf diese Weise vermieden.

Christlicher Zionismus: apokalyptisch-endzeitlich geprägte, unkritische projüdisch-israelische Haltung

Eine Spielart des Philosemitismus ist der christliche Zionismus (auf internationaler Ebene: „Internationale Christliche Botschaft in Jerusalem“, verbreitet insbesondere in christlich-evangelikalen Kreisen, politisch bedeutsam als Grundhaltung amerikanischer Präsidenten wie Ronald Reagan oder George W. Bush, aber auch des britischen Außenministers Lord Balfour, nach dem die „Balfour-Erklärung“ von 1917 benannt ist). Für Vertreter des christlichen Zionismus kann der Staat Israel nichts Unrechtes tun, weil er in ihren Augen in ununterbrochener Kontinuität zum alten Israel der Bibel steht. Sie interpretieren 1. Mose 12,3 im Sinne von: „Wenn du Israel kritisierst, dann kritisierst du Gott.“ Sie sehen in der Staatsgründung Israels und der Rückkehr der Juden im Jahr 1967 nach Jerusalem und nach „Judäa und Samaria“ (völkerrechtlich: die besetzten Gebiete) entscheidende apokalyptische Zeichen für den Beginn der Endzeit und das zweite Kommen Christi und unterstützen damit die Siedlungspolitik des Staates Israel uneingeschränkt.3  Die Grundüberzeugungen der „christlichen Zionisten“ lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Gott gab den Juden das ganze Land Palästina als ein verheißenes Land in biblischen Zeiten. Diese göttliche Schenkung des Landes gibt Juden heutzutage ein fortdauerndes und bedingungsloses Recht, das Land zu besetzen, ohne Rücksicht auf andere Menschen, die historisch dort gelebt haben.
Als Vorbereitung für die letzte Phase der Endzeit, bei der Jesus als Messias wiederkommt, müssen alle Juden ins Land zurückkehren, es in vollem Umfang wiederbesiedeln und den Tempel wieder aufbauen.
Die Gründung des Staates Israel und die jüdische Besiedlung des Landes sind Erfüllung biblischer Prophetie, die in die letzten Tage des Gerichts und der Erlösung hineinführen werden. Dies wird vollendet werden, wenn sich alle Juden zum Christentum bekehrt haben.
Dann wird die Schlacht von Harmageddon stattfinden, in der die Feinde Gottes (Ungläubige, Kommunisten, Muslime) getötet werden. Die Heiligen (einschließlich der bekehrten erwählten Juden) werden zum Himmel entrückt werden, während Gott die Erde von den Feinden Gottes säubern wird. Anschließend werden diese Heiligen zu einer gereinigten Erde herabsteigen, um die Wohltaten des dann anbrechenden „Tausendjährigen Reiches“ zu genießen.

John Hagee4, Gründer von „Christians United for Israel“, einer Gruppe, die im Nahostkonflikt die Politik des Staates Israel bedingungslos unterstützt und zum Kreuzzug gegen den Islam aufruft, benutzt gleichzeitig antisemitische Muster für sein Geschichtsbild: Hitler wurde demnach von Gott gesandt, um die Juden aus Europa zu vertreiben und so zu helfen, dass der Staat Israel gegründet werden konnte. Das Festhalten an der Judenmission ist ebenfalls ein wesentliches Kennzeichen dieser Bewegung. Der Rückzug aus dem Gaza-Streifen und der Abbau der dortigen jüdischen Siedlungen durch den Staat Israel wurden als „Verrat an Gott und seinem Plan“ gedeutet.

Politischer Zionismus: moderne jüdische Nationalbewegung

Unter „Zionismus“ verstehe ich die Übernahme der modernen romantischen Nationalstaatsidee unter dem Druck der Judenverfolgung im 18. und 19. Jahrhundert: Der politische Zionismus entstand im Klima der Aufklärung, des Anwachsens des europäischen Nationalismus und des fortdauernden Antisemitismus in Mittel- und Osteuropa. In der Erkenntnis, dass die Assimilationsversuche (die Anpassung an die europäische Kultur und Gesellschaft und das Verständnis von Judentum als eine an kein bestimmtes Land gebundene Religion) immer mehr scheiterten, wurden das Fehlen eines eigenen Landes und die Verbundenheit mit dem „Land der Väter“ vielen Juden bewusst (programmatische Schrift: Theodor Herzl, Der Judenstaat, 1896). Das Selbstverständnis der religiösen Juden mit ihrer Deutung von „Erez Israel“ lag dabei mehrheitlich nicht in Übereinstimmung mit dem politischen Zionismus. Das Ziel des Zionismus war es, das Judentum zu modernisieren, indem er es politisierte, nationalisierte und das jüdische Volk in die jüdische Nation verwandelte, um den Juden zur Selbstachtung als eigenständiges Volk zu verhelfen und die Achtung der Nichtjuden zu gewinnen.

Zionismuskritik: kritische Haltung zum Staat Israel bis hin zur Ablehnung desselben

Kritik am Zionismus als politischer Bewegung hat unterschiedliche Aspekte und reicht von innerjüdischer Kritik über Kritik an der konkreten israelischen Politik bis hin zu einer klaren Ablehnung des Existenzrechtes des Staates Israel. Zunächst ist festzuhalten: Wesentlich für das Selbstverständnis des Zionismus selbst war der Gedanke, nach der alle jüdischen Gemeinden überall in der Welt als Bestandteil einer heimatlosen Nation anzusehen seien. Daraus folgte notwendigerweise die Ablehnung der „Diaspora-Existenz“ des Judentums („Leben in der Diaspora verkennt die wahre Bestimmung des Judentums“).

Aus jüdischer Perspektive: So gab es bereits innerjüdische Kritik, die sich, wenn nicht als antizionistisch, so doch bewusst als nichtzionistisch verstand: Zum einen aus religiösen Gründen („säkulare, menschliche Einflussnahme für die Schaffung des messianischen Reiches ist gotteslästerlich“), zum anderen aus pragmatisch-politischen Gründen (neues Selbstverständnis der „Diaspora“, die sich dem Rechtfertigungsdruck entzieht, indem sie jüdisches Leben nicht identifiziert mit Leben im jüdischen Staat).
Aus arabischer Perspektive: Vonseiten der arabischen Nachbarn meinte Antizionismus vom Ursprung her die Nichtanerkennung des Staates Israel und damit die Bestreitung seines Existenzrechtes überhaupt (insofern war das Oslo-Abkommen 1993 zwischen dem Staat Israel und der PLO historisch zu nennen, weil hier zum ersten Mal die Anerkennung des Existenzrechtes gegenseitig ausgesagt worden ist).
Im westlichen Kontext: Antizionismus wird verstanden als Kritik an der israelischen Politik. Dabei wird besonders der Staat Israel als stärkste Militärmacht des Nahen Ostens und als unterdrückende Macht beschrieben – entgegen denjenigen, die im Staat Israel vor allem ein bedrängtes und gefährdetes Land sehen.

Antizionismus ist nicht einfach mit Antisemitismus gleichzusetzen: Nicht alle Juden sind Zionisten. Die meisten Juden leben nicht im Staat Israel und wollen das auch nicht. Nicht alle Zionisten sind Juden (s. o.), und nicht alle Israelis sind Juden. Antizionismus nähert sich allerdings antisemitischen Stereotypen, wenn bei der Kritik an der Politik des Staates Israel der historische Hintergrund ausgeblendet wird (Staatsgründung als Reaktion auf den Antisemitismus), die Geschichte der Juden einfach allgemein in die Geschichte des europäischen Imperialismus eingeordnet wird und wenn dabei leichtfertig von „jüdischer Macht“ und „jüdischem Einfluss“ gesprochen wird. So kann sich Antisemitismus hinter der Fassade legitimer Kritik an der Politik des Staates Israel verstecken.

Was unterscheidet faire Kritik von Antisemitismus? (Das 3-D-Modell)

Das erste „D“ ist der Test auf Dämonisierung gegen jede (theologische, wirtschaftliche, politische) Form der Kollektivanklage. Das zweite „D“ ist der Test auf Doppelstandards, wenn man also mit zweierlei Maß misst. Das dritte „D“ ist der Test auf Delegitimierung. In der Vergangenheit haben Antisemiten stets versucht, die Legitimität der jüdischen Religion, des jüdischen Volkes oder von beidem zu verneinen. Kritik am Staat Israel ist möglich, es ist aber immer antisemitistisch, wenn das Existenzrecht Israels angezweifelt wird.
Problemanzeige: Die unausgesprochene Grundlage des jüdisch-christlichen Dialogs über Jahrzehnte war (und ist) die Gleichung Judentum = Zionismus = Staat Israel. Unter dieser Voraussetzung konnte Kritik an der Politik des Staates Israel ohne Weiteres als antizionistisch und damit antijüdisch bzw. sogar antisemitisch eingeordnet werden. Damit wird aber unterstellt, dass der jüdische Staat mit dem jüdischen Volk identifiziert werden kann (was wohl dem zionistischen Selbstverständnis entspricht, nicht aber dem Selbstverständnis der Juden weltweit: s. o. zum Diaspora-Verständnis). Wie bestimmen wir das Verhältnis von „Israel nach der Schrift“ und „Israel als Staat“?

Im arabischen Kontext

Wahrnehmung des jeweiligen Kontextes

Das Verhältnis Juden – Araber hat seine eigenen historischen Verflechtungen. Wir müssen vorsichtig sein, unsere spezifisch deutschen Vorstellungen und die damit einhergehenden Interpretationsmuster auf den Vorderen Orient zu übertragen. Entgegen der verkürzten westlichen Darstellungsweise geht es nicht um einen Konflikt Muslime – Juden, sondern Araber – Juden (die christliche Minderheit ist in diesem Konfliktfeld nicht zu vergessen).
Im arabischen Kontext waren die Juden nur eine Minderheit unter vielen, d. h. die Aufmerksamkeit konzentrierte sich nicht wie in Europa nur auf sie. Historisch gesehen ist der mittelalterliche Orient viel stärker durch ethnische (und religiöse) Vielfalt gekennzeichnet als der mittelalterliche Okzident.
Die Juden in Nordeuropa besetzten überwiegend jene ökonomischen Nischen, die von den Christen verschmäht wurden (Bankgeschäfte, Kreditwesen). Währenddessen waren die Juden in das wirtschaftliche Leben der arabischen Gesellschaft integriert, sie waren gesellschaftlich, ökonomisch und kulturell eingebettet. Das Verhältnis von Muslimen zu Nichtmuslimen wurde in der islamischen Welt mehr pragmatisch unter dem Gesichtspunkt der Machtverhältnisse und des Nutzens interpretiert und nicht mit rasseideologischen Gründen. Im nordeuropäischen Kontext waren die Juden eine marginalisierte, schwache Minderheit, die wenig konfliktfähig war.
Die geschichtliche Situation im Nahen Osten ist eine völlig andere. Zum einen zerbrach mit dem Ende des Osmanischen Reiches und den Einflüssen der Kolonialmächte das stabilisierende Dhimmi-System. Zum anderen entstand der Staat Israel, der im arabischen Kontext als übermächtiger Gegner wahrgenommen wird. Das Verhältnis der muslimischen Mehrheit zu Minderheiten war grundsätzlich pragmatisch bestimmt, je nach religionspolitischem Kontext – das zeigt auch schon ein Blick in den Koran. Auf der einen Seite sind Juden und Christen die „Leute des Buches“, gut angesehen auch bei Allah; auf der anderen Seite haben sie die Schrift verfälscht.

Elemente des arabischen Antisemitismus – Versuch einer geschichtlichen Einordnung

Anknüpfend an die Liturgien der christlich-orthodoxen Kirchen (der größten Kirche im Vorderen Orient) und ihre judenfeindlichen Passagen („Kirche als neues Israel“, „Juden als Gottesmörder“, „das – kommende – Gericht über die Juden“) haben die christlichen Araber (und die Missionsgesellschaften) den Antisemitismus europäischer Ausprägung im 19. Jahrhundert im Nahen Osten verbreitet. Die islamische Tradition kennt eine religiös-heilsgeschichtliche Judenfeindschaft aus der Zeit Mohammeds. Zunächst suchte Mohammed die Juden zu gewinnen und hoffte, sie würden ihn als Propheten Gottes für die Araber anerkennen. Die jüdischen Stämme haben nach islamischer Darstellung die neue Gemeindeordnung in Medina 622 nicht unterschrieben, die für sie kein Vertrag war, sondern einem Edikt gleichkam. Folge: Mohammed distanzierte sich von den Juden. Die islamische Anklage steht in der Perspektive der Botschaft des Korans: Gegen alles bessere Wissen hätten die Juden nicht wahrhaben wollen, dass Mohammed der angekündigte Prophet sei, der ihnen in der Thora beschrieben worden ist. Daraus resultiert schließlich der Vorwurf, der zur islamischen Lehre geworden ist: „Die Juden haben die Schrift verfälscht“ (Sure 2,75ff; 4,46ff).

Verschiebung der Machtverhältnisse, Ohnmachtsgefühle und antisemitische Stereotype

Zu diesem geschichtlich-religionspolitischen Hintergrund mischten sich seit dem 19. Jahrhundert antisemitische Stereotype und verbanden sich zum arabischen Antisemitismus. Im Lichte der erfahrenen Ohnmacht werden judenkritische bzw. christenkritische Koranpassagen neu gelesen und für antisemitische Ausführungen bzw. für feindselige Handlungen instrumentalisiert. Nichts symbolisiert das Gefühl der Ohnmacht der Muslime mehr als der Ägyptenfeldzug Napoleons 1798. Das Selbstbild war bis dahin: „Ihr Gläubigen seid die beste Gemeinschaft, die unter den Menschen entstanden ist“ (Sure 3,110). Die „Schriftbesitzer“ (ahl al-kitab), die nach dem Zeugnis des Korans vom Islam zurückgedrängt worden waren, waren in der Gestalt der Kolonialmächte zurückgekommen und übernahmen die politische Macht im islamischen Kernland. Der arabische Antisemitismus hat vielfach die Funktion, durch die Beschwörung des gemeinsamen Feindes die inneren Differenzen zu überspielen und damit einen Beitrag zur eigenen Legitimation der Regime zu sein.


Andreas Goetze


Anmerkungen

   Wolfram Kinzig, Philosemitismus, Teil 1: Zur Geschichte des Begriffs, Teil 2: Zur historiographischen Verwendung des Begriffs, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 105 (1994), 202-228, 361-383.
   Werner Bergmann/Rainer Erb, Antisemitismus in Deutschland 1945 – 1996, in: Wolfgang Benz/Werner Bergmann (Hg.), Vorurteil und Völkermord. Entwicklungslinien des Antisemitismus, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1997, 397-434; Klaus-Henning Rosen, Vorurteile im Verborgenen. Zum Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland, in: Herbert A. Strauss/Norbert Kampe (Hg.), Antisemitismus. Von der Judenfeindschaft zum Holocaust, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung 213, Bonn 1985, 256-279; Irene A. Diekmann/Elke-Vera Kotowski (Hg.), Geliebter Feind – gehaßter Freund. Antisemitismus und Philosemitismus in Geschichte und Gegenwart, Berlin 2009.
   Mit zahlreichen Belegen vgl. dazu Martin Kloke, Christliche Zionisten – eine kritische Darstellung, in: compass-Infodienst für christlich-jüdische und deutsch-israelische Tagesthemen im Web, online-extra Nr. 112 (2010), www.compass-infodienst.de (Abruf: 7.10.2013).
4    Vgl. dazu G. Richard Fisher, The Other Gospel of John Hagee. Christian Zionism and Ethnical Salvation, www.pfo.org/jonhagee.htm  (letzter Abruf: 7.10.2013). Die Verknüpfung von Antisemitismus mit Zionismus ist in der Vorstellungswelt der christlichen Rechten möglich, weil sie, wie beispielsweise in den Schriften des evangelikalen Pastors und Gründers der Lobby-Gruppe „Christians United for Israel“, John Hagee, nachzulesen ist, zwischen „wahren Juden“ und „jüdischen Lügnern“ unterscheiden. Während Letztere in seiner Vorstellungswelt den Kommunismus oder auch Pornografie verbreiten, sich für Friedensschlüsse mit den Palästinensern einsetzen und somit der „Synagoge des Satans“ angehören, kommen gute Juden, wie der Rabin-Mörder Jigal Amir, ihrer „heiligen Pflicht am Land“ nach: Sie sind Verfechter der Groß-Israel-Ideologie, sie lehnen jegliche Verständigung mit den arabischen Nachbarn ab und fordern einen Krieg gegen den Iran. Im deutschen Kontext vgl. Ludwig Schneider, Das böse Alibi, in: Nachrichten aus Israel (NAI) 2007 (1995), 30; vgl. auch zahlreiche Veröffentlichungen von Fritz May, Christen für Israel (CFI), sowie das Parteiprogramm der „Partei Bibeltreuer Christen“ (PBC): Die neue Kraft in Deutschland! Grundsatzprogramm, Karlsruhe 1995, 8f. Zuletzt Alan Posener, Vorsicht vor den falschen Freunden Israels, Kommentar am 5.6.2013 in „Die Welt“.