Gesellschaft

Alles neu - bei Karl May

Lange hat es gedauert …, nun ist sie endlich fertig, die dreiteilige Neuverfilmung von Karl Mays „Winnetou“. Hielt sich zunächst das Gerücht, es würde zum 100. Todestag im Jahr 2012 eine Neuverfilmung an Originalschauplätzen in den USA geben, so ist das, was nun an Weihnachten 2016 im Fernsehprogramm zu sehen war, ein merkwürdiges Produkt deutschen Filmschaffens.

Nicht nur, dass der Wilde Westen einmal mehr wie Kroatien aussieht, nicht nur, dass die Handlung allenfalls Namen und einen ganz groben Handlungsrahmen aus den Büchern Karl Mays übernahm – die legendären „Winnetou-Filme“ aus den 1960er Jahren waren da freilich auch nicht viel besser – nein: Ein zentrales Element May‘schen Schaffens fiel in einer Weise unter den Tisch, dass es auch für Weltanschauungsbeauftragte interessant ist.

Denn wie immer man Karl Mays Werk einordnet (eine umfassende Darstellung bietet der EZW-Text 220: „Winnetou ist ein Christ“, 2012) – das eine kann man nicht leugnen: Das Werk Karl Mays wird durchweg von einem Ringen um die „wahre Religion“, die nach Meinung Karl Mays das Christentum ist, durchzogen.

Dass Karl May dabei ungemein irenisch vorgeht, dass „Mission“ in seinem Verständnis vor allem mit der Tat und nicht mit Worten geschieht (im Werk Mays tauchen immer wieder Menschen auf, die mit vielen Worten von Gott reden, dabei aber Heuchler oder sogar Verbrecher sind) und dass sich Old Shatterhand in seinen Gesprächen mit Winnetou immer an den Grundsatz „Lass mir meine Religion, so wie ich dir die deine lasse“ hält, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Frage, wie christlicher Glaube überzeugend missionarisch gelebt werden kann, das ganze Werk Karl Mays durchdringt. Und es ist mehr als Zufall, dass Winnetou ebenso wie Hadschi Halef Omar am Ende den Weg zum christlichen Glauben findet und dass wir Karl May sogar Bekehrungsgeschichten – am drastischsten, aber auch am eindrücklichsten ist sicher die des Old Wabble in „Old Surehand 2“ – verdanken, die man sofort in entsprechende Bücher übernehmen könnte, wären sie denn wahr.

Nimmt man diese wesentliche Bedeutung der christlichen Religion im Werk Karl Mays wahr, dann kann das, was an Weihnachten (!) an esoterisch verhunztem Unsinn in die Wohnzimmer schwallte, nur unangenehm überraschen. Denn Old Shatterhand, der als unaufdringlicher, aber gleichwohl erfolgreicher Missionar der Tat zu den Apachen kommt, erscheint im Film als ein wissenschaftsgläubiger Agnostiker, der dann von Nscho-Tschi zum Schamanismus bekehrt wird – das Ganze mit den üblichen esoterischen Floskeln („sie hat meine Seele aus dem Tod zurückgeholt“) und in einer Art, die mit viel Rauch und wirren Tänzen an billige Gebrauchsesoterik erinnert. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem unstrittig interessanten Thema „Schamanismus“ vermochte ich jedenfalls nicht zu entdecken, wohl aber die Erkenntnis, dass deutsche Medien inzwischen in einer Weise entchristlicht sind, dass der Missionar zum Missionierten wird, und das in denkbar platter Weise. Und konsequenterweise stirbt Winnetou dann am Ende des dritten Teils des Films nicht mit einem Bekenntnis zum christlichen Glauben, sondern mit einem allgemeinen Appell an die Humanität auf den Lippen.

Die friedliche Auseinandersetzung der Religionen, die gegenwärtig eines der drängendsten Themen unserer Gesellschaft ist und um deren Lösung sich Karl May zu seiner Zeit durchaus wegweisend bemüht hat, ist in dieser Neuverfilmung jedenfalls durch reichlich billigen Firlefanz ersetzt worden. Schade eigentlich.


Heiko Ehrhardt, Hochelheim/Hörnsheim