Satsang-Lehrer John de Ruiter verhaftet

Ein spiritueller Weisheitslehrer aus Kanada wurde nach Missbrauchsvorwürfen aus dem engsten Kreis seiner Anhänger Ende Januar festgenommen. In einer Erklärung rechtfertigte er seine Übergriffe mit pädagogischen Absichten.

Michael Utsch

Der Satsang-Lehrer John de Ruiter (Jg. 1959) ist als international tätiger Weisheitslehrer bekannt. Der Sanskrit-Begriff „Satsang“ bedeutet „Zusammenkunft mit der Wahrheit“ und wird als Veranstaltungsformat von einer großen Zahl psychospiritueller Lehrerinnen und Lehrer in Anspruch genommen. Seit über zwei Jahrzehnten hat de Ruiter eine weltweite Anhängerschaft um sich gesammelt und unterrichtet seine Anhänger in dem von ihm gegründeten „College of Integrated Philosophy” in Edmonton (Kanada). Der ehemalige Schuhmacher, der sich selbst als „lebende Verkörperung der Wahrheit“ beschreibt, hat in den letzten 25 Jahren ein ausgeklügeltes Unternehmen von bezahlten Livestreams, Social-Media-Kanälen, Konferenzen und das „John de Ruiter TV“ entwickelt. In dem repräsentativen „Oasis-Center“ in Edmonton gab er sein höheres Wissen in wöchentlichen Sitzungen („Meetings“) mit jeweils mehreren hundert Zuhörern weiter. Laut Zeitungsberichten wurde das Gebäude im Oktober 2021 für 6.650.000 Dollar verkauft. Seitdem sollen die Treffen in einem gemieteten Bürogebäude stattfinden und zusätzlich spirituelle Exerzitien auf einem Campingplatz in der Nähe abgehalten werden.

Auch in Europa und Australien organisierte das Team von de Ruiter Retreats. Mehrmals im Jahr besuchte der spirituelle Lehrer auch Deutschland und führte Seminare in Hamburg, Köln und München durch. Nach einem mutmaßlichen Selbstmord einer 32-jährigen Deutschen aus dem engsten Umfeld de Ruiters im Jahr 2014 kamen Vorwürfe sexueller Übergriffe ans Licht, die auch öffentlich berichtet und diskutiert wurden. Nach Zeitungsberichten ist de Ruiter am 22.01.2023 verhaftet worden.

Von Anhängern aus dem engsten Kreis seiner Gemeinschaft wird de Ruiter vierfache sexuelle Nötigung von Frauen vorgeworfen. In einer Ankündigung auf der Website der Gruppe wurden die kommenden Treffen mit ihm abgesagt, bereits erworbene Eintrittskarten würden zurückerstattet. Nach Medienberichten begründete de Ruiter sein Verhalten damit, dass er von einem Geist angewiesen worden sei, sexuelle Handlungen an den Frauen vorzunehmen, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, in einen höheren Bewusstseinszustand zu gelangen und spirituelle Erleuchtung zu erreichen. Mittlerweile soll de Ruiter nach Zahlung einer Kaution von 30.000 Dollar auf freien Fuß gesetzt worden sein unter der Bedingung, die Stadt nicht zu verlassen und mit Ausnahme seiner Frau und seiner Töchter nicht ohne Aufsicht mit Frauen allein zu sein.

Dieser aktuelle Fall in einer spirituellen Gruppe bestätigt, dass die Gruppendynamik religiöser und spiritueller Gemeinschaften durch die Leitungsperson ausgenutzt werden kann. Leider gibt es viele vergleichbare Fälle in allen Religionen und weltanschaulichen Gruppen, bei denen sexueller Missbrauch spirituell gerechtfertigt wird. Es ist dringend nötig, die Zusammenhänge zwischen spiritueller Leitung und freier Zustimmung, freiem Willen bzw. Nötigung und sexuellen Übergriffen besser zu verstehen sowie Qualitätssicherungsmaßnahmen und Präventionsangebote auch für den freien Bildungs- und Heilkundemarkt zu entwickeln, wie das schon in vielen Bereichen etabliert wurde, in denen es Schüler-Lehrer-Beziehungen gibt.
 

Michael Utsch

 

Berichte:

https://www.theglobeandmail.com/canada/article-alberta-spiritual-leader-john-de-ruiter-charged-with-four-counts-of

https://nypost.com/2023/01/29/canadian-spiritual-leader-john-de-ruiter-granted-bail-in-sex-assault-case/

Kritisches Portrait des Satsang-Lehrers John de Ruiter: Materialdienst der EZW 1/2018, 31-34

Ansprechpartner

Foto Dr. Michael UtschProf. Dr. phil. Michael Utsch
Wissenschaftlicher Referent
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
10117 Berlin