Religion goes green. Ein Klimafestival zum interreligiösen Potential der Umweltethik

Neben dem bereits in die 1960er Jahre zurückreichenden Engagement der christlichen Kirchen zur Bewahrung der Schöpfung bringen sich nun auch andere Religionsgemeinschaften in die Umweltdebatte ein und entwickeln Ideen zur Bewältigung der Klimakrise. Rüdiger Braun berichtet über das erste interreligiöse Klimafestival, zu dem am Reformationstag in digitaler Form eingeladen wird.

Rüdiger Braun
Auf einer Tafel Schrift There is NO Planet B

Religiöse und spirituelle Akteure aus zehn Glaubensgemeinschaften haben sich zur Initiative GreenFaith Deutschland - Klimaakteur:innen im Glauben verbunden zusammengeschlossen und feiern am 31. Oktober das „Erste Interreligiöse Klimafestival“. Das von der Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg, vom Abrahamischen Forum in Deutschland, vom Sufi-Zentrum Rabbaniyya (World Peace Institute of Sufism), der Werkstatt Ökonomie (WÖK) und dem Internationalen GreenFaith Netzwerk unterstützte Klimafestival lädt – zur „Mobilisierung für Klimagerechtigkeit“ – zu spirituellen Inputs, Diskussionsrunden und Klima-Workshops ein, in deren Rahmen Gäste aus Theologie, Gesellschaft und Wissenschaft über Themen des Klimawandels diskutieren:

Unter dem Titel Religion und Klima? Lasst uns reden! wird es um die Frage gehen, wie religiöse Menschen sprachfähiger werden, um sich in Klimagespräche einzubringen, zugleich aber auch darum, „im interreligiösen Gespräch die religiöse Vielfalt aufzuzeigen und das Gemeinsame zu entdecken“. Der Workshop Religion und politisches Engagement? Klärungsbedarf! zielt stärker auf den politischen Auftrag, den Menschen aus ihren religiösen Traditionen für ihr Klimaengagement ableiten und diskutiert mit religiösen und spirituellen Klimaaktivisten die Klimaforderungen von GreenFaith: Dazu gehören, neben „100 % erneuerbarer Energie, grünen Arbeitsplätzen und Gesundheitsversorgung für alle“ das wertebasierte und klimabewusste Handeln der globalen Finanzmärkte, eine „Willkommenskultur für Klimaflüchtlinge“, die Beendigung unmoralischer Investitionen, Klima-Entschädigungen und schließlich „mutiges Handeln von Glaubensgemeinschaften“. Im Workshop Mit allen Sinnen: Klima-Inspiration in Kunst und Musik geht es darum, Kraft zu schöpfen aus der Kunst und Gemeinschaft zu erleben.

Die Religion und (Klima-)Politik verschränkende Initiative zielt, wie das Einladungsschreiben zum Festival betont, nicht nur auf die Vernetzung und die Inspiration religiös motivierter KlimaakteurInnen, sondern auch auf die Stärkung und Sichtbarmachung der „gemeinsamen Werte der Religionen“: „Respekt vor der Heiligkeit der Menschen und der gesamten Natur“. Der Glaube dürfe sich nicht der Bedrohung durch den Klimawandel geschlagen geben, sondern gebe die Kraft, sich der Herausforderung zu stellen und „die Welt tiefgreifend zu verändern“. Das internationale GreenFaith-Netzwerk möchte, so heißt es visionär, eine „weltweite, multireligiöse Klima- und Umweltbewegung“ aufbauen, die mit allen religiösen und spirituellen Gemeinschaften „ein moralisches Erwachen für die Heiligkeit der Erde und die Würde aller Menschen“ schafft: Weil die Welt aufgrund autoritärer Regierungen und extraktiver Industrien aus dem Gleichgewicht geraten sei, stünden die über 80% der Weltbevölkerung umfassenden Religionen vor der Herausforderung, die Gelegenheit „zu einem mutigen Wandel, zu einem Leben in Verbundenheit miteinander und mit der Erde“ zu ergreifen und für „nachhaltige Politiken, Handlungen und Praktiken auf allen Ebenen“ einzutreten.

In Reaktion auf die in den 1960ern aufkommende Umweltbewegung, die sich im christlichen Engagement zur Bewahrung der Schöpfung bald auf breiter gesellschaftlicher Basis etablieren konnte, haben sich Ende der 1960er Jahre auch in anderen religiösen Traditionen Intellektuelle mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich das allseits eingeforderte ökologische Engagement aus religiösen Prinzipien begründen ließe. Im muslimischen Kontext waren es vor allem der iranische Philosoph Seyyed Hossein Nasr und der aus Sri Lanka stammende Fazlun Khalid, die zur Formulierung einer islamischen Umweltethik koranische Topoi wie die „Statthalterschaft auf Erden“ (ḫilāfa fī‘l-arḍ) oder die vom Menschen übernommene „Treuhandschaft“ (amāna) einer neuen, in der islamischen Tradition und Kommentarliteratur so bislang nicht vorgenommenen ökologischen Interpretation zuführten. Zu deren Umsetzung in die Praxis gründete Khalid 1994 die Islamic Foundation For Ecology & Environment Sciences (IFEES). Inspiriert von diesen Denkern haben sich die zuerst in der anglophonen Welt geprägten Begriffe Öko-Islam und Öko-Dschihad mittlerweile auch in Deutschland zur Bezeichnung einer Strömung durchgesetzt, die als „Synergie der westlich geprägten Umweltbewegung mit islamischen Werten“ (Zbidi 2015, 324) gewissermaßen einen Zwitter bzw., mit Khalid gesprochen, ein Paradoxon darstellt: „A secular articulation of current concerns appears to be a motivation for Muslims to look for answers from within their own traditions“ (Khalid 2010, 16). Das enorme Potential eines islamisch begründeten Umweltansatzes dürfte dabei vor allem darin liegen, mit seinem integrativen Ansatz das Bewusstsein für gesamtgesellschaftliche und damit interreligiös verbindende Anliegen zu fördern.

Einen Einblick in diese gemeinsamen Anliegen gibt der auf dem Klimafestival angebotene „Markt der Vielfalt“, in dem – neben den Naturschutz Teams des Abrahamischen Forums, die zeigen, wie „Schöpfung bewahren“ funktioniert, und den spirituellen Klimaaktivisten von Brücke des Glaubens/Extinction Rebellion, die „beherzt auf die Straße“ gehen – auch das 2010 von muslimischen Ingenieuren gegründete Unternehmen NourEnergy interessierte Muslime darüber aufklärt, wie sie im Ramadan mit „Green Iftar“ Klimaschutz betreiben oder ein ökologisch nachhaltiges Gemeinde- und Moscheemanagement führen können. Inspiriert durch den IFEES-Gründer Khalid haben im selben Jahr muslimische Studierende aus nicht religionsbezogenen Studienfächern den muslimischen Umwelt-Verein Hima e.V. (www.hima-umweltschutz.de) gegründet, der sich ausschließlich dem Thema Umweltschutz widmet und die schariarechtliche Institution der ḥimā – eine bereits vorislamische und vom Islam übernommene Praxis der Einrichtung von Reservaten – mit einer neuen umweltethischen Bedeutung auflädt: Im anglophonen Öko-Islam stehen die Buchstaben HIMA mittlerweile modernisiert für „Human Integrated Management Approach“ bzw. für „a community-based conservation system that considers interaction between nature conservation and human well-being“ (Zbidi 2015, 328). Es ist davon auszugehen, dass auch die großen muslimischen Verbände das Thema Ökologie, über ihre Beteiligung im Abrahamischen Forum und im Beirat des Netzwerkes „Religionen und Naturschutz“ hinaus, zukünftig noch stärker aufgreifen und in ihre Moscheen tragen. Denn das interreligiöse Potential des politisch allseits geforderten zivilgesellschaftlichen Engagements der Religionsgemeinschaften für das Thema Ökologie und Klimaschutz kommt auch ihnen und ihrer gesamtgesellschaftlichen Anerkennung zugute.
 
Rüdiger Braun
 
 
Quellen
www.greenfaith.de
https://greenfaith.org/klimafestival/?lang=de
https://abrahamisches-forum.de/projekte/religionen-fuer-biologische-vielfalt/
https://actionnetwork.org/events/interreligioses-klimafestival-greenfaith-deutschland/
Khalid, Fazlun (2010): The Environment in Islam. Islam and the Environment, Amman.
Zbidi, Monika (2015): Islamische Normenlehre zum Umweltschutz, in: ZUR 6 (2015), 323-330.

Ansprechpartner

Foto Dr. Rüdiger BraunPD Dr. theol. Rüdiger Braun
Wissenschaftlicher Referent
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
10117 Berlin