Innenministerium verkündet Fortschritte der Imamausbildung

Als die Deutsche Islam Konferenz vergangenen Monat erneut tagte, stand in ihrer Ergebnisbilanz die Imamausbildung im Fokus. Seit der ersten Islam Konferenz wird das Thema immer wieder bewegt. In diesem Jahr vermeldete Innenminister Horst Seehofer nun endlich nennenswerte Entwicklungen.

Hanna Fülling
Betender in Moschee

Als die Deutsche Islam Konferenz vergangenen Monat erneut tagte, stand in ihrer Ergebnisbilanz die Imamausbildung im Fokus. Seit der ersten Islam Konferenz wird das Thema immer wieder bewegt. In diesem Jahr vermeldete Innenminister Horst Seehofer nun endlich nennenswerte Entwicklungen, die er der Öffentlichkeit am 10. November als „praktische Fortschritte“ präsentierte (https://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Meldungen/DE/rede-seehofer-videokonferenz-imamausbildung.html). Seehofer führt seine positive Bilanz auf zwei Entwicklungen zurück: auf die Ausbildung zu Islamischen Religionsbeauftragen der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) sowie auf die Imamausbildung des „Islamkollegs Deutschland“ in Osnabrück. 

Die DITIB Akademie stellte im Januar 2020 ihr Ausbildungsprogramm für Islamische Religionsbedienstete unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit und begleitet durch Markus Kerber, Staatssekretär für Heimat des Bundesinnenministeriums, vor. (vgl. http://ezw.kjm6.de/nlgen/tmp/1579684264.html). In der Akademie werden Religionsbeauftragte ausgebildet, die eine Vielzahl von Aufgaben wie „Seelsorgearbeit, Vorbeten, religiöse Unterweisung und Betreuung zu verschiedenen Anlässen wie Geburt, Tod oder Hochzeiten, Unterricht an Wochenenden für die Kinder und Jugendlichen in der Moschee, das Predigen am Freitag und an den Festtagen“ haben. Obwohl insbesondere die Chutba, also die Freitags- und Festtagspredigt, in DITIB-Moscheen männlichen Imamen vorbehalten ist, sind auch Frauen an dem Ausbildungsprogramm zugelassen, sie können jedoch keine Imaminnen werden. Grundsätzlich können an der DITIB-Akademie alle AbsolventInnen der Islamischen Theologie ungeachtet ihrer Verbandszugehörigkeit teilnehmen. Das vorausgesetzte Theologiestudium kann sowohl an deutschen Universitäten wie auch an internationalen Universitäten absolviert werden. 

Die Dozierenden sollen nach den Angaben von DITIB neben einem Bachelorabschluss der Islamischen Theologie auch über eine langjährige praktische Erfahrung in Moscheegemeinden und über deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Ein Großteil des Unterrichts findet in deutscher Sprache statt. Bislang sind in den Gemeinden der DITIB laut Auskunft des Verbandes 1.170 hauptamtliche Religionsbeauftragte in Vollzeit tätig. Nur 160 Religionsbeauftragte der DITIB sind Theologinnen und Theologen, die in Deutschland geboren und sozialisiert wurden. Durch die Ausbildung in der Eifel soll sich dieser Anteil erhöhen (vgl. Bestandserhebung zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden, 11). 

Eine weitere Entwicklung hin zu einer Imamausbildung in Deutschland stellt das Islamkolleg Deutschland (IKD) in Osnabrück dar. Es wurde im November 2019 als eingetragener Verein gegründet, um eine theologisch praktische Ausbildung deutschsprachigen religiösen Betreuungspersonals zu ermöglichen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören islamische Theologen und Wissenschaftlern, das Bündnis Malikitischer Gemeinden, die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland, der Zentralrat der Marokkaner in Deutschland, der Zentralrat der Muslime in Deutschland und - auf Landesebene - Muslime in Niedersachsen sowie muslimische Einzelpersonen (vgl. Bestandserhebung zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden, 6-7). Auffallend ist, dass drei der vier Gründungsmitglieder des Koordinierungsrats der Muslime - DITIB, Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IRD) und der Verband islamischer Kulturzentren (VIKZ) - nicht beteiligt sind. Neben DITIB bieten auch der IRD und der VIKZ eigene Ausbildungsmöglichkeiten für Imame in Deutschland an. Der IRD hat 2014 eine Bildungsakademie gegründet, in der Imame und religionspädagogische Fachkräfte ausgebildet werden (vgl. ebd.). Der VIKZ widmet sich schon seit vielen Jahren der Imamausbildung in Deutschland und bietet gegenwärtig neben interreligiösen und interkulturellen Fortbildungsangeboten für Imame auch ein vierjähriges Ausbildungsprogramm an. Diese eigenen Angebote können als eine Ursache für die Zurückhaltung der Verbände betrachtet werden, sich am Islamkolleg in Osnabrück zu beteiligen. 

Eine zweite organisatorische Auffälligkeit des IKD besteht darin, dass keine VerteterInnen der teilnehmenden Verbände im Vorstand sind.

Das Islamkolleg Osnabrück bildet neben Imamen auch weiteres religiöses Personal wie z. B. Gemeindepädagoginnen aus. In einer zweijährigen Ausbildung werden praktische Kompetenzen vermittelt, die für die religiöse Leitung einer muslimischen Gemeinde erforderlich sind, wie die Predigtlehre, die Koranrezitation, gottesdienstliche Praktiken, Gemeindepädagogik, Seelsorge sowie Kompetenzen in der sozialen Arbeit und politische Kontextsensibilität. Pro Jahr sollen etwa 30-40 Personen aufgenommen werden. Vorrangig richtet sich der Studiengang an Absolventinnen und Absolventen der Institute für islamische Theologie aus Deutschland. Das Islamkolleg Osnabrück wird in der Konzeptionsphase und in der ersten Umsetzungsphase als Modellprojekt vom Bundesinnenministerium und vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium gefördert.

Seehofer hat diese beiden Entwicklungen auf der DIK als Meilensteine für einen „Islam in, aus und für Deutschland“ bewertet. Er betrachtet sie als Ausdruck dafür, dass sich der deutsche Staat um seine muslimischen BürgerInnen kümmert und nicht länger zuschaut, wie andere Staaten die Imamausbildung und -einsetzung in Deutschland verantworten. Zehn Jahre nach der Einrichtung von Zentren für islamische Theologie in Deutschland sind solche Perspektiven dringend notwendig. Doch bleiben einige zentrale Fragen für die weitere Entwicklung bislang ungelöst: wie kann eine Imamausbildung in Deutschland umgesetzt werden, die in den Moscheegemeinden breite Akzeptanz erfährt? Wie kann die Vielfalt des Islams darin abgebildet werden? Welche langfristigen Perspektiven gibt es für die Ausbildung in Osnabrück sowie für die Finanzierung von Imamen? Wie kann der Kritik begegnet werden, dass das BMI durch die Wertschätzung und Begleitung der DITIB-Akademie, bestehende Spannungen mit DITIB aufweicht? Wie der Kritik, dass keine liberalen MuslimInnen in die Imamausbildung in Osnabrück involviert sind? Diese Fragen zeigen, dass der weitere Weg der Imamausbildung noch durch viele Unwägbarkeiten gekennzeichnet ist und weiterer Handlungsperspektiven bedarf.

Hanna Fülling


Links

Rede des Bundesinnenministers zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden (Imamausbildung) https://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Meldungen/DE/rede-seehofer-videokonferenz-imamausbildung.html

Bestandserhebung zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden https://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/bestandserhebung-ausbildung-religioeses-personal.html