Handreichung zum Umgang mit Verschwörungserzählungen für den Religionsunterricht

Im Zuge der Covid-19 Pandemie verbreiten sich zunehmend antisemitische und rassistische Verschwörungserzählungen und Falschmeldungen. Um diesen innerhalb der Schule begegnen zu können, hat nun das Comenius Institut, in Zusammenarbeit mit dem Pädagogisch-Theologischen Institut der Ev. Kirche in Mitteldeutschland und der Ev. Landeskirche Anhalts, eine Handreichung für eine Unterrichtseinheit im Fach Religion zum Thema veröffentlicht.

Claudia Jetter
In ein Notizbuch erfolgen handschriftliche Eintragungen

Im Zuge der Covid-19 Pandemie verbreiten sich zunehmend antisemitische und rassistische Verschwörungserzählungen und Falschmeldungen. Um diesen innerhalb der Schule begegnen zu können, hat nun das Comenius Institut, in Zusammenarbeit mit dem Pädagogisch-Theologischen Institut der Ev. Kirche in Mitteldeutschland und der Ev. Landeskirche Anhalts, eine Handreichung für eine Unterrichtseinheit im Fach Religion zum Thema publiziert.1 Die Unterrichtseinheit, im Umfang von 6-8 Unterrichtsstunden, soll Schüler*innen dabei helfen, Verschwörungserzählungen zu erkennen, sich kritisch mit diesen auseinanderzusetzen und Strategien zu entwickeln, diesen im Alltag zu begegnen. Die Einheit wurde für die Jahrgangsstufen 7-9 konzipiert und bietet Anschlussmöglichkeiten für größere fächerübergreifende Projekte.

Die 48-Seiten-umfassende Handreichung beinhaltet, neben einer ausführlichen theoretischen Hinführung zum Thema Verschwörungserzählungen, Vorschläge für Stundenentwürfe, aufbereitete Arbeitsblätter und Methodenkarten so wie Links für Recherche-Arbeiten. Nach einer kurzen Einführung zum Anlass des Themas und der fiktiven Anforderungssituation2, die als Einstieg in die Unterrichtseinheit dient, folgt eine theoretische Aufbereitung des Themas unter Berücksichtigung aktueller Forschungsdebatten.3 So werden verschiedene Typologien von Verschwörungserzählungen aufgezeigt4 und deren Funktion in Krisensituationen diskutiert. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Kontext von Jugendlichen gelegt, die vermehrt Onlineangebote konsumieren, sich auf Gaming-Plattformen und Social-Media bewegen und dadurch Verschwörungserzählungen in besonderem Maße ausgesetzt sind. Der theoretischen Einführung folgen didaktische Vorüberlegungen, die die Lehrenden vorab sensibilisieren sollen für mögliche Konfrontationsmomente während der Einheit, sowie eine Kompetenzübersicht, exemplarisch anhand des Lehrplans von Sachsen-Anhalt für die Klassen 7-8,5 und Links zur weiteren Recherche.6

Im Anschluss daran werden im zweiten Teil der Handreichung7 die jeweiligen Arbeitsschritte der Unterrichtseinheit präsentiert. Diese sind aufeinander aufbauend strukturiert. In einem ersten Schritt werden dabei Verschwörungserzählungen auf der Sachebene analysiert, um Schüler*innen grundlegende Funktionen und Strukturen aufzuzeigen. Nach einer Anwendungsphase wird das neue Wissen vertieft durch Bezugnahme auf den historisch häufig christlichen Kontext von antijüdischen Verschwörungserzählungen, bevor das neu Erlernte mit den Schüler*innen übersetzt wird in konkrete Handlungsstrategien, um den gemeinschaftlichen Umgang in und mit der Pandemie zu fördern.

Als fortlaufende Ergebnissicherung soll ein Podcast von der Klasse gemeinsam erstellt und am Ende der Einheit der Öffentlichkeit, zum Beispiel über die Schul-Website, präsentiert werden. Auch wenn dieses Medium den Schüler*innen möglicherweise weniger vertraut ist, so ist es trotz allem eine schöne Idee, die gesamte Klasse aktiv an einem Projekt mitwirken zu lassen, das außerdem ein für alle sichtbares Ergebnis erbringt.8 Neben der Podcast-Idee birgt die Handreichung noch viele weitere Ideen, um die Unterrichtseinheit abwechslungsreich und interaktiv zu gestalten. So enthält sie unter anderem die Anleitung zu einer strukturierten Kontroverse,9 zu welcher auch ein verpflichtender Perspektivwechsel gehört. Ebenso gibt es einen Vorschlag für eine Fotoarbeit mit Lego-Figuren und Sprechblasen, welche Verfasser, Anhänger und Betroffene von Verschwörungserzählungen visuell darstellen soll.10

In Zeiten von zunehmender Informationsflut und Fake Facts in den Social-Media bietet diese Unterrichtseinheit eine Möglichkeit, die kritische Beurteilungs- und Dialogkompetenzen unter Schüler*innen zu fördern, und richtet gleichzeitig den Blick auf die Lernenden und ihre Bedürfnisse. Zusammen mit den hilfreichen Vorschlägen, den bereits gut aufbereiteten Materialien und weiteren Tipps und Links ist diese Handreichung eine wertvolle Ressource für Religionslehrer*innen.
 
Claudia Jetter

Handreichung zum Umgang mit Verschwörungserzählungen:
https://bagkr.de/wp-content/uploads/2021/06/Handreichung_Zum-Umgang-mit-Verschwoerungserzaehlungen.pdf?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=newsletter-12020_19
 

1 Die Handreichung ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Dr. Juliane Ta Van und Dr. Sabine Blaszcyk, die diese im Rahmen einer Kooperation mit narrt, dem Netzwerk für antisemitismuskritische- und rassismuskritische Religionspädagogik und Theologie entwickelt haben. https://bagkr.de/wp-content/uploads/2021/06/Handreichung_Zum-Umgang-mit-Verschwoerungserzaehlungen.pdf?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=newsletter-12020_19.

2 Als Einstieg dient ein fiktiver Kettenbrief rund um Bill Gates und Covid-19, welcher unter Schüler*innen kursiert. Die Schulleitung bittet daraufhin die Fachschaft Religion, einen Podcast zur Aufklärung über Verschwörungserzählungen zu produzieren. (S.3).

3 Vgl. u.a. Nocun/Lamberty (2020); Tezcan (2020); Blume (2020).

4 Die Handreichung folgt Michael Butters Typologie von Verschwörungserzählungen (S. 4-5). Vgl. Michael Butter, Nichts ist, wie es scheint (Berlin: Suhrkamp, 2018).

5 Die Lehrplaneinheit wird exemplarisch mit Kompetenz-Schwerpunkt Ethik dargestellt, um neben den Wissensbeständen vor allem die Beurteilung von Konsequenzen persönlichen Handelns und ethischer Entscheidungen in analogen und digitalen Kontexten zu fördern. (S. 10-11).

6Vgl. S. 9-11.

7 Vgl. S. 13-16.

8 Anstatt eines Podcasts wären hier zum Beispiel auch kurze Stop-Motion-Trickfilme denkbar, die, wie Podcasts, mit Text und Musik hinterlegt werden können, zugleich jedoch eine visuelle Komponente haben. (Vgl. https://www.bildung.digital/artikel/stop-motion-app-gestalten).

9 In der Debatte soll diskutiert werden, ob Kettenbriefe mit Verschwörungserzählungen ernstgenommen werden sollten. (Vgl. S. 13).

10 Vgl. S. 27.

Ansprechpartner

Foto Claudia Jetter M.A.Dr. Claudia Jetter
Wissenschaftliche Referentin
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
10117 Berlin