Michael Roth

Streitbarer Protestantismus

Kann uns der christliche Glaube heute noch etwas sagen?

Auf dem Programm zur Veranstaltungsreihe „Streitbarer Protestantismus“ der Evangelischen Kirche im Rheinland im Umfeld des Reformationstages 2010 war zu lesen: „Der Protestantismus erweist sich dann im positiven Sinne als streitbar, wenn er den christlichen Glauben im Kontext der modernen Vernunft diskursiv und nach den Regeln der Vernunft verantwortet.“ Nach dieser Auffassung gehören Glaube und moderne Vernunft zusammen. In der Tat: Wenn man als eines der Kennzeichen der modernen Kultur ihre Reflexivität sieht, wird man sagen müssen, dass ein Protestantismus, der einen Ort in der modernen Kultur beansprucht, an dieser Reflexivität Anteil haben muss (und in diesem Sinne ein „streitbarer Protestantismus“ ist). Was aber bedeutet es, den Glauben im Kontext der modernen Vernunft zu verantworten? Und was ist es, das der Glaube uns heute noch zu sagen hat? Besteht die Aufgabe etwa darin – gegen die atheistische Kritik –, die Existenz Gottes vernünftig zu bewahrheiten? Und schließlich – im Blick auf die gegenwärtige Lage – ist ganz grundlegend zu fragen: Gibt es überhaupt den streitbaren Protestantismus, der „den christlichen Glauben im Kontext der modernen Vernunft diskursiv und nach den Regeln der Vernunft verantwortet“ (s. o.)? Diesen Fragen will ich mich im Folgenden widmen, indem ich mit der ersten beginne und nach dem streitbaren Protestantismus frage, in einem zweiten Schritt das Verhältnis von Glaube und Vernunft bedenke und schließlich zwei Thesen zur Verantwortung des Glaubens formuliere.

Streitbarer Protestantismus?

Gibt es überhaupt den streitbaren Protestantismus? Noch vor wenigen Jahren haben Säkularisierungsthesen allgemein Eindruck gemacht, die behaupteten, dass die Religion insgesamt in der säkularen Welt keinen Ort mehr haben wird. Doch hat sich die Großwetterlage geändert. Im Gegensatz zu den lange Zeit dominanten westlichen Modernisierungstheorien, die von der Unausweichlichkeit von Säkularisierungsprozessen und damit von einem unaufhaltsamen Prozess der Erosion und des allmählichen Verschwindens der Religion in der Moderne überzeugt sind, wird auf die Präsenz der Religion, ja auf die „Wiederkehr der Religion“ in der Gegenwart verwiesen. Von „Respiritualisierung“ (Matthias Horx2), „De-Säkularisierung“ (Peter L. Berger3) und einer „postsäkularen Gesellschaft“ (Jürgen Habermas4) ist die Rede, auch Theologen schließen sich dem Trend freudig an.Nun bin ich skeptisch hinsichtlich dieser Feier der Renaissance der Religion, zumindest scheint mir Vorsicht geboten, die nicht alle Phänomene über einen Kamm schert. Zunächst: Selbst wenn wir zustimmen, dass eine Renaissance der Religion zu beobachten ist, bedeutet dies keineswegs notwendig, dass sich Religion und Modernität vertragen. Es könnten antimoderne Kräfte sein, die sich hier ein letztes Mal kräftig bemerkbar machen, bevor sie restlos verschwinden, also: der letzte Großangriff vor der Kapitulation. Religion könnte auch der Schatten der Vernunft sein, das von dem „Schlaf der Vernunft produzierte Monster“ (Francisco de Goya)5. Eine weitere Frage: Wie steht es mit anderen Trends, die von Soziologen ja ebenfalls beschrieben werden und die die Renaissance der Religion relativieren, wie der weiterhin fortschreitende Prozess der Säkularisierung6 und ein Gewohnheitsatheismus7, der sich nicht wie früher an der Theodizeefrage abarbeitet, sondern ganz selbstverständlich ohne Gott lebt und dabei keineswegs das Gefühl hat, hier etwas zu vermissen? Vor allem aber müsste man im Blick auf die Rede von der „Wiederkehr der Religion“ genauer fragen, welche Phänomene alle unter das Stichwort „Religion“ gefasst werden. Was ist es, was da zurückkehrt, verdient dies als „Religion“ bezeichnet zu werden, oder ist es als diffuse Religiosität von Religion zu unterscheiden? Ist das Abbrennen einer Räucherkerze tatsächlich das gleiche wie ein das ganze Leben bestimmendes Vertrauen? Ist die Rede von transzendenten Energien oder einem kosmischen Geist, die Teilnahme an einem religiösen Event wie dem Kirchentag oder dem Weltjugendtag bereits ein religiöser Lebensvollzug?Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auf zwei kritische Anfragen beschränken. Zum einen scheint es mir verfehlt und für das Phänomen „Religion“ kontraproduktiv, den Begriff „Religion“ allzu weit zu fassen und beispielsweise bereits jede Form der Spiritualität „Religion“ zu nennen. Es geht mir nicht darum, unterschiedliche Formen der Spiritualität zu diskriminieren, sondern darum, vorsichtig anzufragen, ob es sich hier wirklich um Religion handelt oder eher um ein religiöses Bedürfnis. Zumindest lässt sich beobachten, dass diese Spiritualität nichts mit den Gehalten des christlichen Glaubens anfangen kann, seine Inhalte sogar weitgehend ablehnt.8 In diese Richtung verweisen deutlich die Untersuchungen des Religionssoziologen Detlef Pollack: „Die Formen der Religion wandeln sich in den modernen Gesellschaften. Zweifellos. Aber mit dem Formenwandel geht ein Bedeutungsverlust der Religion einher, der alle ihre Dimensionen betrifft, ihre institutionelle und rituelle ebenso wie ihre individuelle und erfahrungs- und überzeugungsmäßige.“9 Ganz offensichtlich ist dem spirituellen Bedürfnis eine konkrete Religion zu „gehaltvoll“.Nun kann man natürlich – wie etwa der Berliner Theologe Wilhelm Gräb – auch diese Formen der Spiritualität zur Religion erklären und es der Theologie zur Aufgabe machen, ihre „Sinnformen“ zu erschließen. Theologie hat dann „keine ihr vorgegebene Botschaft von Gott auszurichten, sondern das religiöse Verhältnis der Individuen ... auszulegen“10. Damit macht sich die Theologie – wie bereits weite Teile des Kulturprotestantismus im 19. Jahrhundert – zum Vorreiter der Verflüchtigung der konkreten Inhalte der Religion. Ich bin skeptisch hinsichtlich solcher Entwürfe und stimme H. J. Körtner zu, wenn er formuliert: „Kulturtheologische Konzepte, die sich als Aufgüsse kulturprotestantischer Ideen von vorgestern entpuppen, weisen keinen Weg in die Zukunft, sondern gehören zu den Erscheinungsformen der Selbstsäkularisierung von Theologie und Kirche.“11 Dieser selbstgewählten Verflachung wird meines Erachtens auch kein großer Erfolg beschieden sein. In Bezug auf die kulturprotestantischen Versuche des 19. Jahrhunderts, durch das Abstoßen von Glaubensaussagen eine Synthese mit dem Zeitgeist zu erreichen, hat Werner Elert bereits 1919 betont, dass ein Erfolg nicht nachweisbar ist. „Eher das Gegenteil ist der Fall. Die Verachtung ist umso größer geworden.“12 Ich vermute, dass es auch den Aufgüssen kulturprotestantischer Ideen in der Gegenwart ähnlich gehen wird.13Ein zweiter Punkt, auf den ich im Zusammenhang des „Wiedererstarkens der Religion“ kurz eingehen will, betrifft das Erstarken des evangelikalen Christentums in und ausgehend von den USA. In Verachtung der Hermeneutik von fast 2000 Jahren, zu der auch historisch-kritische Forschung gehört, wird dem biblischen Kanon eine Autorität zugesprochen, die eher an die Bedeutung des Korans im Islam erinnert. Die Bibel wird nicht dem kritischen, forschenden Verstand des Menschen ausgesetzt, da der menschliche Verstand der biblischen Aussage unterworfen sei und nicht umgekehrt.14 Der Glaube wird somit gegen die Vernunft ausgespielt, die Bibel nicht Gegenstand des vernünftigen Verstehens, sondern des auf Vernunft verzichtenden Gehorsams. Der in so geprägten evangelikalen Kreisen bekundete Abschied von der „Gegenwart“ zeigt sich beispielsweise in der Forderung, im schulischen Lehrplan die Evolutionstheorie durch die Theorie des Intelligent Designs zu ersetzen. Wie die Spiritualisierung der Religion, so geht auch das fundamentalistische bzw. evangelikale Christentum auf Kosten traditioneller Religion.Wenn wir nach dem Verhältnis von Moderne und Religion – und damit nach dem Verhältnis von Glaube und Vernunft – fragen, haben wir mit Spiritualisierung und Fundamentalisierung zwei „Lösungswege“ vor uns: Verflüchtigung der Religion einerseits und Abschied aus der Moderne andererseits. Anders ausgedrückt: Verabschiedung des Wahrheitsanspruchs einerseits und fundamentalistischer Wahrheitsanspruch andererseits. Gibt es einen dritten Weg? Etwa den streitbaren Protestantismus, der den Wahrheitsanspruch des Glaubens ebenso festhält wie seine (wie auch immer zu verstehende) „Vernünftigkeit“ und dabei weder der kulturalistischen noch der fundamentalistischen Gefährdung15 unterliegt? Ein solcher dritter Weg, der das Christentum als „denkende Religion“16 verantwortet, hat das Verhältnis von Glaube und Vernunft zu klären.

Glaube, Vernunft und die Vernunft des Glaubens

Wenn wir fragen, wie eine Verantwortung des Glaubens im Kontext der modernen Vernunft aussehen könnte, müssen wir das Verhältnis von Glaube und Vernunft näher bestimmen. Der Vorwurf, dass gerade der Protestantismus Vernunft und Glauben auseinanderreiße, ist alt; Papst Benedikt XVI. meinte ihn in seiner Regensburger Rede vom 12. September 2006 erneuern zu müssen.17 Er zeiht damit den Protestantismus derselben Verfehlung, die er (freilich durch den Mund des byzantinischen Kaisers Manuel) den Anhängern Mohammeds vorhält: das Auseinanderreißen von Vernunft und Religion.18Ein weit verbreitetes Missverständnis hinsichtlich des Glaubens ist das szientistische Missverständnis, in dem explizit oder implizit die Auffassung vertreten wird, das Glaubenswissen habe den Status empirischen Wissens von Tatsachen. „Die religiöse Aussage ‚Gott hat die Welt geschaffen‘ hätte somit prinzipiell den Status des alltagssprachlichen Satzes ‚Corinna hat diesen Kuchen gebacken‘.“19 Doch religiöse Sätze haben nicht nur andere Kriterien zur Verifikation, sondern eine grundsätzlich andere Logik als empirische Tatsachenbehauptungen. Das hat Ludwig Wittgenstein deutlich gezeigt. So macht er in seiner Vorlesung über Religion auf die Differenz zwischen religiösen und sonstigen Äußerungen aufmerksam.20 Auch wenn religiöse Äußerungen die syntaktische Struktur von Äußerungen haben, können sie nicht im Sinne von Behauptungen über Tatsachen aufgefasst werden.21 Sie sind weder mit Wissensaussagen noch mit Hypothesen oder Wahrscheinlichkeitsurteilen, aber auch nicht mit historischen und empirischen Sätzen zu vergleichen. Offenkundig ist Glaube falsch verstanden, wenn man ihn als „Für-wahr-Halten“ versteht. Er bezieht sich nicht auf Einzelsachverhalte in der Erfahrungswelt wie die Frage, ob Hasen Wiederkäuer sind oder nicht, es geht in ihm aber auch nicht um einzelne Fragen zu der Erfahrungswelt als Ganzer, wie etwa die, ob die Erde in sechs Tagen oder sechs Millionen Jahren entstanden ist. Der Glaube ist auch keine bestimmte Theorie über den Grund der Erfahrungswelt. So ist er nicht das Für-wahr-Halten der (kosmologischen) Aussage „Die Welt verdankt sich einem unbewegten Beweger (oder einer unverursachten Ursache)“. Der Glaube ist vielmehr ein bestimmter „Lebensvollzug“, eine bestimmte Art zu leben. Christen sind nicht dadurch ausgezeichnet, dass sie Aussagesätze für wahr halten, die andere bestreiten, sondern dadurch, dass sie an einem bestimmten Lebensvollzug teilnehmen, der ihr ganzes Leben orientiert.Bereits die reformatorische Tradition hat den Glauben als einen Lebensvollzug verstanden, insofern sie ihn als ein das Leben bestimmendes und prägendes Vertrauen bezeichnet. So versteht Luther den Glauben als Erfüllung des ersten Gebotes; denn er ist das Vertrauen auf Gottes Zusage „Ich bin der Herr, dein Gott!“. Im Großen Katechismus legt Luther diese Zusage so aus: „ICH, ich will dir gnug geben und aus aller Not helfen, laß nur Dein Herz an keinem andern hangen noch rugen [gemeint: ruhen]“22. Die angemessene Antwort auf eine solche Zusage ist, sie im Modus des Vertrauens im eigenen Leben wirksam werden zu lassen, kurz: der menschliche Lebensvollzug. Dieser ist kein Vermögen neben anderen Vermögen wie dem Denken, dem Wollen, Fühlen oder Handeln, sondern eine Ausrichtung dieser Vermögen.Wenn Benedikt XVI. dem Protestantismus meint den Vorwurf machen zu müssen, Glaube und Vernunft auseinanderzureißen, dann ist sein Verständnis von der Vernunft einem überholten Vernunftkonzept verpflichtet. Wir sprechen heute nicht mehr von der Vernunft als einem großen Subjekt, das sich als Garant unserer vernünftigen Weltorientierung in der Vernunft und der Geschichte durchsetzt, sondern von unterschiedlichen Rationalitäten.23 Der Vernunftbegriff wird nicht mehr substanziell, sondern dispositional verwendet, Vernunft ist eine Funktion.24 In ihrem funktionalen Verständnis ist die Vernunft eine Funktion von etwas, was nicht selbst schon Vernunft ist. Ich erinnere nur an Arthur Schopenhauer, der an der Dezentrierung der Vernunft seinen Anteil hatte, insofern er die Vernunft als bloßes Epiphänomen des Willens bestimmt hat.25 Dieser Primat des Lebens gegenüber dem Geist wird auch von Friedrich Nietzsche geteilt. Vor allem aber die – auch von Nietzsche erkannte – Sprachlichkeit der Vernunft verbietet es, von der Vernunft zu sprechen.26 Vernunft ist abhängig von der Sprache, und Sprache gibt es nicht nur als eine einzige Sprache, als Universalsprache. Vielmehr ist Sprache nur in verschiedenen Sprachen gegenwärtig. Von daher können wir formulieren: Vernunft ist immer „Vernunft von ...“, Vernunft eines Menschen, eines Systems, eines Prozesses, einer Institution.27 Vernunft ist stets situierte Vernunft. „Sie ist eingebettet in die leiblichen ... Vollzüge menschlichen Lebens (leiblich situiert), und sie ist zusammen mit diesen eingebunden in konkrete Situationen und den Wechsel von Lebenssituationen in Interaktion mit wechselnden Umwelten.“28 Diesem funktionalen Verständnis der Vernunft hat bereits die Reformation vorgearbeitet. Ist das römisch-katholische Modell – wie es im Ersten Vatikanum laut wird – der Unterscheidung zwischen natürlicher Vernunft und übernatürlicher Gnadengabe verpflichtet, so unterscheidet es zwischen Dingen, die durch die natürliche Vernunft verstehbar sind, weil sie als solche evident sind, und Dingen, die aufgrund der Offenbarung das Vermögen der Vernunft übersteigen und daher im Gehorsam aufzunehmen sind.29 Diese Fundamentalunterscheidung zwischen Natur und Übernatur wird von Luther ersetzt durch die Fundamentalunterscheidung von Sünde und Glaube, in die die Vernunft eingeordnet wird. Die Vernunft – so kann Luther sagen – ist das Hauptunterscheidungskriterium zwischen Mensch und Tier.30 Doch gerade als solches unterliegt auch die Vernunft der Alternative, durch den Glauben oder den Unglauben bestimmt zu sein. Unter den Bedingungen der Sünde ist nach Luther auch die Vernunft unter der Macht der Sünde gefangen.31 Sie ist nach dem Fall keinesfalls unversehrt geblieben32, sondern verkehrt; die Vernunft richtet sich unter den Bedingungen der Sünde daher in der Tiefe nicht auf das Beste33, sondern ist in ihrer Tiefe von einem Abgott beherrscht. Aufgrund dieser Tatsache kann Luther die Vernunft als „die hochste hur“34 bezeichnen. Wenn Luther daher behauptet: „Ratio non potest ad invisibilia se transferre“35, dann gilt dies, weil die Vernunft der sündigen Verblendung unterworfen ist. Ist die Vernunft unter der Macht der Sünde verblendet, so wird nach Luther die Vernunft durch das Wort wiedergeboren: Die Vernunft wird keinesfalls zerstört, aber auch nicht erhöht, sondern bekehrt und erleuchtet. Sie ist nun Werkzeug des Heiligen Geistes.36 Damit wird von Luther die Unterscheidung zwischen einem höheren und einem niederen Seelenvermögen zerbrochen durch die Unterscheidung zwischen der Bestimmtheit des menschlichen Seelenvermögens durch Gott (im Glauben) oder durch einen Abgott (in der Sünde). Luther hat die Vernunft nicht als neutrale Instanz bestimmt, sondern als ein Vermögen, das von unterschiedlichen Lebensbewegungen in Dienst genommen werden kann, vom Glauben und von der Sünde.

Zwei Thesen zur Verantwortung des Glaubens

These I: Über Inhalte des Glaubens zu sprechen, bedeutet, über konkrete Fragen des Lebens zu sprechen.

1. Gegen das szientistische Missverständnis des Glaubens, in dem explizit oder implizit die Auffassung vertreten wird, das Glaubenswissen habe den Status empirischen Wissens von Tatsachen, haben wir den Glauben als einen Lebensvollzug bestimmt, der das ganze Leben des Glaubenden orientiert. So wird man sagen können: Geglaubt wird nicht, indem in einer bestimmten Weise bekannt wird, sondern indem in einer bestimmten Weise gelebt wird. Mit dem Glauben ist eine bestimmte Form der Wahrnehmung der Welt und des Verhaltens in und zu der Welt bezeichnet.
2. Die Art und Weise, den Glauben zu bekennen, ist von dem Lebensvollzug des Glaubens zu unterscheiden, aber nicht zu trennen. Mit dem Glauben – so haben wir gesehen – ist eine Ausrichtung der Vermögen wie des Denkens, des Wollens, Fühlens oder Handelns bezeichnet. Den Glauben gibt es daher auch nicht unabhängig von diesen Vermögen. Als über sich selbst nachdenkender und sprechender Mensch bringt er diesen Lebensvollzug folglich auch in Gesagtem und Gedachtem zum Ausdruck – und kommt damit zu konstatierender Sprache („ich glaube, dass“). Insofern kommt es auch zu „Inhalten“ des Glaubens. Allerdings darf dieses Gesagte und Gedachte des Glaubens nicht mit dem Glauben selbst verwechselt werden: Es ist als Ausdruck des Glaubens ernst zu nehmen, als Versuch seiner Darstellungsweise.
3. Wenn der Glaube in der konstatierenden Sprache zu „Inhalten“ kommt, müssen diese immer wieder auf die gelebte Vertrauensbewegung, die der Glaube in seiner „Fundamentalebene“37 ist, hin durchsichtig gemacht werden. Gerade hier ist vor einem entscheidenden (Selbst-)Missverständnis des Glaubens zu warnen: Wenn sich der Glaube artikuliert, indem er Glaubensinhalte zur Sprache bringt, dann beansprucht er damit keineswegs (quasi in einem zweiten Schritt), ein theoretisches Wissen über die Welt zu produzieren. Er informiert in diesen Inhalten nicht über einzelne Sachverhalte der Erfahrungswelt oder die Erfahrungswelt als Ganze, sondern in diesen Inhalten geht es um die Frage: „Wer bin ich?“38 Die christlich-religiöse Rede versucht dies in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck zu bringen und bedient sich dazu konstatierender Sprache. Diese Inhalte des Glaubens bringen zum Ausdruck, wie ein Mensch sich und sein Leben versteht und deutet. Die konstatierenden Sätze haben nicht die Aufgabe, die Welt in einer bestimmten Hinsicht zu charakterisieren, sondern in diesen Sätzen lokalisieren wir uns in der Welt, sie haben daher keine semantisch-deskriptive, sondern eine pragmatisch-performative Funktion. Der Glaube spricht sich über Inhalte aus. „Er spricht über Inhalte (Gott, Christus, die Schöpfung, die Erlösung) – und dies ist die einzige Möglichkeit, über sich selbst zu reden, sich selbst zu deuten. Und er spricht über sich selbst, deutet sich selbst – und kann das nur, indem er über jene Inhalte spricht. Er spricht über Inhalte (e. e. durch das Medium von Inhalten) über sich selbst. Nicht beides nebeneinander, sondern das eine durch das andere und nie ohne das andere.“394. Wenn der Glaube verstanden wird als eine Lebensbewegung, die im Leben aktuell wird, dann muss er vom Verstehen und Denken an immer neuen Orten und in Bezug auf immer neue Fragen ergriffen werden. Der Glaube steht daher nicht neben oder über unseren alltäglichen Verstehens- und Kommunikationszusammenhängen, sondern er wird in, mit und unter ihnen aktuell. Der Glaube wird aktuell in den wechselnden Verstehenskontexten, in denen Menschen immer schon versuchen, sich ihre Lebenswelt anzueignen. An diese bleibt der Glaube auch gebunden, er lässt sich nicht unabhängig von diesen wechselnden Verstehenskontexten zur Sprache bringen. In diesen immer schon im Gang befindlichen Verstehenskontexten geht es um konkrete Fragen des Lebens, der Lebensbewältigung, vor denen der Glaubende wie der Nichtglaubende gleichermaßen steht und an deren Beantwortung sie gemeinsam beteiligt sind.

These II: Die Frage des Glaubens ist nicht, ob Gott existiert oder nicht, sondern wie in Bezug auf unsere Lebenswirklichkeit von Gott gesprochen werden kann und muss.


1. Weil der Glaube etwas anderes ist als das Für-wahr-Halten von Aussagen über die Erfahrungswelt oder einer Hypothese über den Grund der Erfahrungswelt, ist er natürlich auch etwas anderes als das Für-wahr-Halten der Existenz Gottes. Die religiöse Rede von Gott unterscheidet sich somit nicht nur inhaltlich, sondern kategorial von dem Für-wahr-Halten der Existenz eines Yetis.40 Und daher kann man sich mit dem Glauben auch nicht ausein-andersetzen, indem man über Gott als ein theistisches Objekt streitet, wie man über die Existenz eines Yeti-Objektes streitet; denn anders als beim Streit zwischen Anhängern der Hypothese von der Existenz eines Yetis und den Bestreitern dieser Hypothese geht es im Streit zwischen Glaubenden und Glaubens-Skeptikern gar nicht um ein theoretisches Wissen von einem bestimmten Wesen. Der Glaube ist ein bestimmter Lebensvollzug, der sich innerhalb unserer Verstehensbewegungen zur Sprache bringt und sich dabei genötigt sieht, von Gott zu reden. Von diesem Kontext ist das Wort Gott nicht zu lösen, ja, der Begriff „Gott“ ist durch den Lebensvollzug des Glaubens geradezu definiert. Mit dem Begriff „Gott“ bringt der Mensch zum Ausdruck, wie er sich in der Welt loziert. Wie es für Aussagen mit Indexworten wie „hier“, „jetzt“ oder „heute“ gilt, dass ihnen keine Hier-, Jetzt- oder Heute-Fakten entsprechen, sondern der Sprecher sich mit diesen Worten in der Welt loziert, so gilt in der Rede des Glaubens auch für Aussagen mit dem Wort Gott, dass ihnen keine Gott-Fakten entsprechen, die unabhängig vom konkreten Gebrauch der Worte verstanden werden können.41 Von diesem konkreten Gebrauch ist die Rede von Gott auch nicht zu isolieren ohne unverständlich und nichtssagend zu werden, vor allem nicht, ohne ihre Bedeutung für das konkrete Leben des im Gebet sich zur Sprache bringenden Menschen zu verlieren.
2. Wenn ich gesagt habe, dass der Glaube etwas anderes ist als das Für-wahr-Halten der Existenz Gottes, dann darf nicht übersehen werden, dass es natürlich auch ein solches Für-wahr-Halten der Existenz Gottes gibt. Dies ist im rationalen Theismus der Fall. Es ist daher nötig, den Glauben von dem rationalen Theismus zu unterscheiden, mit dem er häufig verwechselt wird.42Rationaler Theismus ist der Glaube an die Existenz eines allmächtigen, allweisen und allguten Wesens, das die Welt erschaffen hat und erhält.43 Beim rationalen Theismus handelt es sich um eine Theorie. Sie besitzt den Anspruch zu zeigen, dass die Hypothese der Existenz Gottes eine bessere Erklärung für die Welterfahrung und ihre Phänomene bietet als die Hypothese seiner Nicht-Existenz. Der Theismus geht davon aus, dass sich die Existenz Gottes rational einsichtig machen lässt und bedient sich dafür philosophisch-ontologischer, empirischer oder naturwissenschaftlicher Argumente. Der Atheismus ist mit dem rationalen Theismus insofern verwandt, als er davon ausgeht, dass es sich bei Gott um eine Theorie hinsichtlich der Welterklärung handelt. Anders als der rationale Theismus vertritt er die Auffassung, dass Gott kein gutes Erklärungsmodell für die Wirklichkeit ist, sei es, weil diese Hypothese durch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung überflüssig gemacht wird, sei es, dass das Theodizeeproblem sie unwahrscheinlich macht. Gerade von einem solchen rationalen Theismus ist der Glaube – wenn man ihn als Lebensvollzug versteht – zu unterscheiden. Man muss sich eben klarmachen, dass der Begriff „Gott“ in verschiedenen Zusammenhängen auf verschiedene Weise fungiert und dass daher nicht immer und überall dasselbe gemeint ist, wenn von „Gott“ geredet wird. Es ist ein Unterschied, ob der Begriff „Gott“ innerhalb rationaler Überlegungen über den Grund der Erfahrungswelt verwendet wird oder innerhalb der Sprache des Glaubens.Das Problem (vieler) atheistischer Bestreitungen des Glaubens besteht darin, dass sie den Glauben mit dem Theismus verwechseln44 und suggerieren, es ginge im Streit zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden um „Argumente für und gegen die Existenz Gottes“45. Dies ist auch eindeutig bei Richard Dawkins46 der Fall, der den Glauben auf ein religiöses Für-wahr-Halten reduziert, das dann im Lichte der epistemischen Kriterien der Naturwissenschaften beurteilt und verworfen wird.47 Insofern eine atheistische Kritik von einer Misskonzeption dessen, was Glaube ist, ausgeht und den Glauben mit dem rationalen Theismus verwechselt, kann es nicht die Aufgabe der Theologie sein, den Theismus zu verteidigen, den der Atheismus bestreitet, der aber vom Glaubenden gar nicht vertreten wird.3. „Wie ein Schuster einen Schuh machet und ein Schneider einen Rock, also soll ein Christ beten. Eines Christen Handwerk ist beten.“48 Für die Praxissituation des Glaubens ist das Gebet entscheidend, hier spricht er sich am unmittelbarsten aus – in Bitte, Dank und Klage an Gott. Charakteristisch ist für den Glauben nicht die Rede über Gott, sondern die Rede zu Gott. Hier bringt der Glaubende sein Leben zur Sprache – vor Gott zur Sprache. Er bringt das Leben zur Sprache vor dem, von dem er alles Gute erwartet. Gerade dadurch wird Gott zu Gott gemacht. Gott wird nicht zu Gott gemacht, indem er für wahr gehalten und bekannt wird, sondern indem ihm vertraut wird – indem der Mensch mit und vor Gott lebt. Verifiziert wird Gott durch den Lebensakt des Glaubenden. Und umgekehrt: Das Bekenntnis zu Gott ist leer, wenn ihm kein Lebensakt entspricht. In dem Sinne ist der Glaube „Schöpfer der Gottheit“49. Nur von diesem Vertrauen kann Gott definiert werden; in „den semantischen Gehalt des Begriffes Gott gehört der Glaube hinein“50.4. Die christlich-religiöse Verwendungsweise des Begriffs Gott ist nicht zu lösen von dem, was in dieser Rede zur Sprache gebracht wird: die zum Leben befreiende Zusage in der Begegnung mit der Person Jesus von Nazareth. Die christlich-religiöse Rede spricht über Gott nicht an sich, sondern nur in Bezug auf den von Gott in Christus befreiten Menschen. Und damit kann sie auch über Gott nicht sprechen, ohne den Menschen in bestimmter Weise in der Welt zu lozieren. Denkt der Glaube über Gott nach, so denkt er über das eigene Leben nach, das durch die Begegnung mit Jesus von Nazareth als dem Christus Gottes befreit wird. Ich habe gesagt, dass der Glaube etwas anderes als die Theorie über ein absolutes Wesen ist, sondern eine in der Begegnung mit Jesus von Nazareth gründende Vertrauensbewegung. Der Begriff Gott fungiert dazu, die Unvergleichbarkeit, Unverfügbarkeit und Unüberholbarkeit dieses Geschehens für mein Leben zu bezeichnen. Von diesem Gebrauch ist die christliche Rede von Gott nicht zu lösen, ohne leer zu werden. Wohlgemerkt: Der Glaube redet nicht erst von Gott und dann von seinem Leben, sondern er redet von Gott, indem er die Bedeutung des Geschehens für das Leben thematisiert und hierbei auf die Unvergleichbarkeit, Unverfügbarkeit und Unüberholbarkeit zu sprechen kommt. Die Frage ist daher nicht, ob ein theistisches Objekt existiert, sondern wie von Gott gesprochen werden muss. Die Frage der Existenz Gottes ist keineswegs grundlegender als die nach der Bedeutung des Geschehens des Lebens und Sterbens des Menschen Jesus von Nazareth für mein Leben, kurz gesagt: als die Frage nach Gnade.515. Mit diesen Überlegungen ist die apologetische Aufgabe der Theologie keineswegs verabschiedet, sondern in einer bestimmten Weise präzisiert. Wenn ich formuliert habe, dass der Glaubende von Gott redet, indem er die Bedeutung des Geschehens für sein Leben (und das Leben seinesgleichen) thematisiert und hierbei auf die Unvergleichbarkeit, Unverfügbarkeit und Unüberholbarkeit zu sprechen kommt, so tut er dies nicht ein für alle Mal und auch nicht in einem abgeschlossenen Raum. Hier ist zu bedenken, was wir uns bei der ersten These klar gemacht haben: Der Glaube steht nicht neben oder über unseren alltäglichen Verstehens- und Kommunikationszusammenhängen, sondern er wird in, mit und unter ihnen aktuell. Und damit wird der als Lebensbewegung verstandene Glaube aktuell in den verschiedenen Verstehenskontexten, in denen es um konkrete Fragen des Lebens und der Lebensbewältigung geht. Hier wird deutlich, was Vertrauen auf Gott bedeutet, nicht nur für den anderen, sondern auch für den Glaubenden selbst – nicht in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit eines theistischen Objektes, sondern in Bezug auf die Lebenswirklichkeit.


Michael Roth


Anmerkungen

1 Überarbeiteter Vortrag des vom Evangelischen Forum Bonn und der Evangelischen Akademie im Rheinland – im Rahmen der Reihe „Streitbarer Protestantismus“ der Evangelischen Kirche im Rheinland – veranstalteten Streitgesprächs zwischen Prof. Dr. Herbert Schnädelbach und mir unter dem Titel „Kann uns der christliche Glaube heute noch was sagen? Religion und Religionskritik im 20. Jahrhundert“ am 2.11.2010 im Haus der Kirche in Bonn. Herrn Prof. Dr. Schnädelbach danke ich für die kritischen Anfragen, die – wie ich zu hoffen wage – nicht nur mir, sondern auch dem Text zugute gekommen sind.
2 Vgl. Matthias Horx, Trendbuch, Bd. 1: Der erste große deutsche Trendsport, München 1993.
3 Peter L. Berger, The Desecularization of the World. Resurgent Religion and World Politics, Washington 1999.
4 So hat Jürgen Habermas unter dem Eindruck dieser globalen Wiederkehr der Religion seine Sicht von der Transformation der Religion in rationale Diskursethik (vgl. dazu ders., Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft, Frankfurt a. M. 1995, 118f) modifiziert und eingeräumt, dass er die „Religionsentwicklung in der Moderne mit Max Weber etwas zu voreilig unter die ‚Privatisierung von Glaubensmächten’ subsumiert und zu vorschnell eine affirmative Antwort auf die Frage suggeriert habe‚ob denn von den religiösen Wahrheiten, nachdem die religiösen Weltbilder zerfallen sind, nicht mehr und nichts anderes als nur die profanen Grundsätze einer universalistischen Verantwortungsethik gerettet, und das heißt: mit guten Gründen, aus Einsicht, übernommen werden können“ (ders., Exkurs: Transzendenz von innen. Transzendenz im Diesseits, in: ders., Texte und Kontexte, Frankfurt a. M. 21992, 127-156, 141).
5 Vgl. C. Christopher Soufas, „Esto si que es leer“. Eine neue Lektüre von Goyas Caprichos, in: Volker Bohn (Hg.), Bildlichkeit. Internationale Beiträge zur Poetik, Frankfurt a. M. 1990, 129-161.
6 Hierauf macht aufmerksam: Ulrich H. J. Körtner, Megatrend Gottvergessenheit. Die These von der Wiederkehr der Religion hat wenig Anhalt an der Wirklichkeit, in: Imprimatur. Nachrichten und kritische Meinungen aus der katholischen Kirche 40 (2007), 37-40; ders., Wiederkehr der Religionen? Säkularisierung, Revitalisierung und Repolitisierung von Religion aus der Sicht protestantischer Theologie, in: Europäische Akademie für Lebensforschung, Integration und Zivilgesellschaft (Hg.), Atheismen und Säkularisierung oder Wie religiös sind noch die Bürgergesellschaften Europas?, Krems 2007, 117-132.
7 Vgl. Detlef Pollack, Zur religiös-kirchlichen Lage in Deutschland nach der Wiedervereinigung. Eine religionssoziologische Analyse, in: ZThK 93 (1996), 586-615; Wolf Krötke, Der Massenatheismus als Herausforderung der Kirche in den neuen Bundesländern, in: Wiener Jahrbuch für Theologie 2 (1998), 215-228.
8 Vgl. hierzu auch: Herbert Schnädelbach, Der fromme Atheist, in: ders., Religion in der modernen Welt. Vorträge, Abhandlungen, Streitschriften, Frankfurt a. M. 32009, 78-85, 85: „Der fromme Atheist gibt zu, dass er ihn [den Glauben] nicht hat. Er kann sich nicht dazu entschließen, ihn zu haben, denn er weiß, dass er ihn dann auch nicht hätte ... Das bedeutet nicht, dass er unempfindlich wäre für das Religiöse; er ist nicht einfach ‚unmusikalisch‘; denn sonst wäre er nicht fromm. Er kann sich vorstellen, was Glaube wäre ..., aber er kann nicht glauben. Vielleicht würde er sich, wenn sich etwas ohne sein Zutun gut gefügt hat, gerne bedanken, aber bei wem? Oder sich im anderen Fall beklagen, aber wo ist die Adresse? Und dann weiß er auch, dass das, was heute unter dem Titel ‚Religiosität‘ auf dem Markt ist und dessen ‚Wiederkehr’ gefeiert wird, nicht das ist, was einmal mit Religion im Ernst gemeint war. Hier geht es nur um eine bestimmte Erlebnisqualität, ‚Spiritualität‘ genannt, die vor allem bei religiösen Groß-Events anzutreffen ist; sie ist bestenfalls geeignet, unser allgemeines Wohlbefinden um eine bestimmte Facette zu ergänzen. Das wird der fromme Atheist nicht einfach verachten, aber er wird es nicht mit dem verwechseln, was ihm fehlt.“
9 Detlef Pollack, Säkularisierung – ein moderner Mythos? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland, Tübingen 2003, 137.
10 Wilhelm Gräb, Religion und die Bildung ihrer Theorie. Reflexionsperspektiven, in: Birgit Weyel / Wilhelm Gräb (Hg.), Religion in der modernen Lebenswelt. Erscheinungen und Reflexionsperspektiven, Göttingen 2006, 205.
11 Ulrich H. J. Körtner, Wiederkehr der Religionen? Das Christentum zwischen neuer Spiritualität und Gottvergessenheit, Gütersloh 2006, 81.
12 Werner Elert, Reduktion und Restriktion in der Dogmatik, in: NKZ 30 (1919), 406-427, 422. Zu Elert: Michael Roth, Hermeneut der Gegenwart? Werner Elerts Versuch‚ mit dem Gegenwartsmenschen zu verhandeln, in: Rudolf Keller / Michael Roth (Hg.), Mit dem Menschen verhandeln über den Sachgehalt des Evangeliums. Die Bedeutung der Theologie Werner Elerts für die Gegenwart, Erlangen 2004, 155-174.
13 Friedrich Wilhelm Grafs These, die gesamtgesellschaftliche Infragestellung der protestantischen Kirche im deutschsprachigen Raum sei „auch als Verdrängung liberaler Theorietraditionen zu begreifen“ (ders., Kulturprotestantismus wieder aktuell. Die alten theologischen Urteile müssen revidiert werden, in: LM 25 [1986], 309-312, 312), wage ich zu bezweifeln. Diesen Zweifel teile ich mit Körtner, Wiederkehr der Religionen?, a.a.O., 89; Wolfgang Schoberth, Wieviel Kultur braucht das Christentum? Wieviel Christentum braucht die Kultur?, Bayreuth 2002, 7, Anm. 12.
14 Vgl. Michael Roth, Das Verhältnis von Glaube und Schrift. Überlegungen zu einer protestantischen Bestimmung der „Autorität“ der Schrift, in: Berliner Theologische Zeitschrift 22 (2005), 230-249.
15 So auch Ingolf U. Dalferth, Evangelische Theologie als Interpretationspraxis. Eine systematische Orientierung, Leipzig 2004, 59.
16 Adolf von Harnack, Die Entstehung der christlichen Theologie und des kirchlichen Dogmas, Gotha 1927, 2. Zu diesem Anliegen vgl. auch Michael Roth, Was sucht lutherische Theologie bei den Kulturwissenschaften? Überlegungen zur Bedeutung des interdisziplinären Gesprächs für eine lutherische Theologie, in: Johannes von Lüpke / Edgar Thaidigsmann (Hg.), Denkraum Katechismus, Festgabe für Oswald Bayer zum 70. Geburtstag, Tübingen 2009, 507-526.
17 Vgl. die bei der Deutschen Bischofskonferenz beziehbaren „Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls“, Nr. 174.
18 „Die Folge im einen, im islamischen Fall, so legt der Redetext nahe, sei das Schwert, mit dem der vermeintlich rechte Glaube verteidigt werde; im anderen Fall sei es der Subjektivismus des Gewissens, die ‚Beliebigkeit‘ des individuellen Gottesverhältnisses, die dem Relativismus des modernen Lebens kaum noch etwas – jedenfalls keine ‚gemeinschaftsbildende Kraft‘ mehr – entgegenzusetzen habe. Protestantismus und Islamismus als zwei Seiten derselben Medaille? Das wäre wohl eine Zuspitzung des Gedankens, aber es wäre noch derselbe Gedanke“ (Uwe Justus Wenzel, Glaube und Vernunft, Stolz und List. Ein Rückblick auf die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI, in: Knut Wenzel (Hg.), Die Religion und die Vernunft. Die Debatte um die Regensburger Vorlesung des Papstes, Freiburg i. Br. / Basel / Wien 2007, 11-15, 13).
19 Thomas Rentsch, Gott, Berlin / New York 2005, 11.
20 Ludwig Wittgenstein, Vorlesungen über den religiösen Glauben, in: ders., Vorlesungen und Gespräche über die Ästhetik, Psychoanalyse und religiösen Glauben. Zusammengestellt und herausgegeben aus Notizen von Yorick Smythies, Rush Rees und James Taylor von Cyril Barrett, deutsche Übersetzung von Ralf Funke, Frankfurt a. M. 32005, 75-98.
21 Vgl. hierzu u. a. Martin Laube, Im Bann der Sprache. Die analytische Religionsphilosophie im 20. Jahrhundert, Berlin / New York 1999, 420ff.
22 Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (BSLK), 560. Vgl. hierzu Michael Roth, Zum Glück. Glaube und gelingendes Leben, Gütersloh 2011, 190ff.
23 Vgl. Karl-Otto Apel / Matthias Kettner, Die eine Vernunft und die vielen Rationalitäten, Frankfurt a. M. 1996.
24 Vgl. Herbert Schnädelbach, Vernunft, Stuttgart 2007, 120ff.
25 Vgl. Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung. Vollständige Ausgabe nach der dritten, verbesserten und beträchtlich vermehrten Auflage von 1859, Köln 2009, bes. 686ff.
26 Vgl. Friedrich Nietzsche, Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne, in: ders., Sämmliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden, Bd. 1, hg. von Giorgio Colli / Mazzino Montinari, Ber-lin / New York 21988, 873-890.
27 Vgl. Ingolf U. Dalferth, Fundamentaltheologie oder Religionsphilosophie?, in: Matthias Petzoldt (Hg.), Evangelische Fundamentaltheologie in der Diskussion, Leipzig 2004, 171-193, 172.
28 Ingolf U. Dalferth, Glaubensvernunft oder Vernunftglauben? Anmerkungen zur Vernunftkritik des Glaubens, in: Friedrich Schweitzer (Hg.), Kommunikation über Grenzen, Gütersloh 2009, 612-627, 619.
29 Zur Verhältnisbestimmung von Vernunft und Glaube im Ersten Vatikanum vgl. Michael Roth, Die Bedeutung der Fundamentaltheologie für die Evangelische Theologie, in: Kerygma und Dogma 48 (2002), 99-117.
30 Vgl. Martin Luther, Disputatio de homine, in: Gerhard Ebeling, Disputatio de homine, Bd. 1: Text und Traditionshintergrund (Lutherstudien II), Tübingen 1977, 15-24, These 6.
31 Vgl. ebd., These 24.
32 Vgl. ebd., These 21.
33 Vgl. ebd., These 28.
34 WA 51, 126, 9.
35 „Die Vernunft vermag sich nicht auf das Unsichtbare zu beziehen“, WA 40 III, 51, 8.
36 Vgl. WA TR 3 Nr. 2938.
37 Vgl. Matthias Petzoldt, Wahrheit als Begegnung. Dialogisches Wahrheitsverständnis im Licht der Analyse performativer Sprache, in: ders., Christsein angefragt, Leipzig 1998, 39f.
38 Oswald Bayer, Gott als Autor. Zu einer poietologischen Theologie, Tübingen 1999, 21ff.
39 Notger Slenczka, Der Tod Gottes und das Leben des Menschen. Glaubensbekenntnis und Lebensvollzug, Göttingen 2003, 9.
40 Vgl. hierzu: Michael Roth, Welches Gespräch kann der Glaubende dem Atheisten anbieten?, in: Lutherische Beiträge 13 (2008), 225-241.
41 Vgl. Ingolf U. Dalferth, Die Wirklichkeit des Möglichen. Hermeneutische Religionsphilosophie, Tübingen 2003, 466.
42 Vgl. ebd., 257ff.
43 So Richard Swinburne, Coherence of Theism, Oxford 21993, 1: Unter Gott verstehen Theisten eine „person without a body (i.e. a sprit) who is external, free, able to do anything, knows everything, is perfectly good, is the proper object of human worship and obedience, the creator and sustainer of the universe”.
44 Dieser Verwechselung machen sich freilich nicht alle atheistischen Positionen schuldig. So weiß beispielsweise Herbert Schnädelbach sehr genau, um was es sich bei dem Glauben handelt und inwiefern sich dieser von einem rationalen Theismus unterscheidet (vgl. u. a. ders., Die Wiederkehr der Religion, in: ders., Religion in der modernen Welt, a.a.O., 128-135). Andererseits gibt es auch Versuche, den Glauben zu verteidigen, die von einem szientistischen Missverständnis hinsichtlich des Glaubens geleitet sind (so z. B. Richard Swinburne, Coherence of Theism, a.a.O., 55).
45 So John L. Mackie, Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes, Stuttgart 1985. Versuche, den Glauben jenseits eines szientistischen Missverständnisses zu beschreiben, kann Mackie nur als „schwammig“ (ebd., 22) beurteilen.
46 Richard Dawkins, Der Gotteswahn, Berlin 92007.
47 Dies hat jüngst eindrücklich gezeigt: Vincent Brümmer, Dawkins‘ Gott, in: NZSTh 52 (2010), 177ff
48 Martin Luther, WA TR 6, 6751.
49 WA 40/I, 360, 17-30.
50 Notger Slenczka, Fides creatrix divinitatis. Zu einer These Luthers und zugleich zum Verhältnis von Theologie und Glaube, in: Johannes von Lüpke / Edgar Thaidigsmann (Hg.), Denkraum Katechismus, a.a.O., 171-195, 191.
51 Vgl. Walter Mostert, Ist die Frage nach der Existenz Gottes wirklich radikaler als die Frage nach dem gnädigen Gott?, in: ZThK 74 (1977), 86-122.