Freigeistige Bewegung

Religionsfreie Zonen als Refugium für gemeine Atheisten

(Letzter Bericht: 6/2005, 226ff, 228f) Bereits im Vorfeld des Kölner Weltjugendtags hatten einige kirchenkritische Initiativen ein Gegenprogramm ins Leben gerufen, das unter dem Titel „Religionsfreie Zone: Heidenspaß statt Höllenqual“ von sich Reden machte. Entsprechende Pressetexte waren flott formuliert. So konnte man unter Anspielung auf Asterix-Comics lesen: „Ist ganz Köln papstbesoffen? Ganz Köln? Nein, ein kleines Häuflein aufrechter Kölner leistet Widerstand: das Heidenspaßkomitee.“ Zu den Initiatoren gehörte „ein lockerer Verband von selbstständig denkenden Menschen“, aber auch Vertreter verschiedener Organisationen wie dem „Freidenkerverband Köln“, dem „Denkladen“, der „Giordano Bruno Stiftung“ (vgl. MD 6/2005, 226ff), dem „Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten“ (IBKA) und anderen.

Nach eigener Auskunft verzeichnete die von der „Giordano-Bruno-Stiftung“ eingerichtete Website www.religionsfreie-zone.de im Umfeld des Weltjugendtags eine erstaunlich hohe Anzahl von Zugriffen. Außerdem erhielt man einige tausend E-Mails. Wie die Veranstalter selbst schreiben, wurden offenbar viele Menschen „das erste Mal überhaupt darauf aufmerksam, dass es in Deutschland freigeistige Verbände und Institutionen gibt“. Der Sprecher des „Heidenspaß-Komitees“, Michael Schmidt-Salomon, gab im August rund 80 Interviews. Meldungen über die „Religionsfreie Zone“ gab es in Rundfunk, Fernsehen sowie in zahlreichen deutschen und internationalen Zeitungen. Das sicherlich öffentlichkeitsrelevanteste Interview druckte das Magazin „Focus“ in seiner Ausgabe 33/2005, also genau zum Weltjugendtag.

Das beschriebene, vergleichsweise große Interesse an der Gegenveranstaltung zeigt, wie die Medienlandschaft funktioniert: Das gewaltige Interesse der Öffentlichkeit und der Medien am Weltjugendtag und hier besonders am Besuch des Papstes weckt ein Interesse an anderen bzw. kritischen Stimmen. Genau dieses Bedürfnis haben die Initiatoren der Gegenveranstaltung geschickt aufgegriffen und zu nutzen gewusst. Damit hat Michael Schmidt-Salomon sich faktisch zum Sprecher der Konfessionslosen bzw. der freigeistigen Verbände gemacht. Zugleich wurde auf diese Weise die Diskussion um einen „Zentralrat der Konfessionsfreien“ (vgl. MD 6/2005, 226ff) neu angeschoben. Übrigens sollte die unverhältnismäßig große Aufmerksamkeit, mit der die Medien dieses eher peinliche Spektakel bedacht haben, die in kirchenkritischen Kreisen immer wieder laut werdende Behauptung widerlegt haben, in Deutschland ginge die Macht der Kirchen so weit, dass sie unliebsame Meldungen zur eigenen Institution zumindest in den öffentlich-rechtlichen Anstalten zu unterbinden wüssten.

Bei so viel Rückenwind blicken die Kirchenkritiker optimistisch nach vorn. Es soll auch in Zukunft „religionsfreie Zonen“ geben. „(Hier) findet nicht nur der gemeine Atheist ein Refugium zum befreiten Durch- und Aufatmen, auch der suchende Christ kann sich hier eines besseren belehren lassen.“ Vorerst jedoch lädt man Anfang Oktober 2005 nach Köln zu einer Tagung über die Perspektiven säkularer Politik ein, die unter dem reizvollen Thema steht: „Leitkultur Humanismus und Aufklärung“. Über Leitkultur lässt sich trefflich streiten. Welche Leitkultur Freidenker sich vorstellen, erfährt man vorab unter www.leitkultur-humanismus.de.

Andreas Fincke