Kai Funkschmidt

„Operation Trojan Horse“. Ein Plan zur Islamisierung zahlreicher staatlicher Schulen in England?

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In England gehen die Behörden dem Verdacht eines großangelegten Komplotts nach, bei dem in Birmingham eine Reihe staatlicher Schulen islamisiert werden sollte. Birmingham ist mit gut einer Million Einwohnern Britanniens zweitgrößte Stadt und beherbergt nach London jeweils die zweitgrößte Gruppe von Muslimen, Sikhs und Buddhisten. Muslime sind die einzige Religion, deren Anteil sich in der Stadt zwischen 2001 (14 Prozent) und 2011 (22 Prozent) erhöht hat (Christen fielen im selben Zeitraum von 59 auf 46 Prozent zurück). In ganz Britannien gibt es 4 Prozent Muslime, die meisten davon südasiatischer Herkunft (Pakistan, Bangladesch, Indien).

Konkret sollen in mehreren Schulen nach Geschlechtern getrennte Sitzordnungen eingeführt worden sein, wobei Mädchen hinten bzw. am Rand sitzen mussten; Schülerinnen und Lehrerinnen seien zum Tragen des Kopftuchs und züchtiger „islamischer Kleidung“ gezwungen worden; im Lehrplan seien manche Inhalte wie die Evolutionslehre oder Sexualkunde nur noch pro forma oder gar nicht unterrichtet worden; die kleine Zahl christlicher Schüler sei im Religionsunterricht sich selbst überlassen worden („to teach themselves“), während der Rest der Klasse im Islam unterrichtet wurde (in Britannien ist Religionsunterricht nicht konfessionell gebunden, sondern religionskundlich angelegt, d. h. Schüler nehmen im Klassenverband teil, und alle Religionen werden gleichermaßen gelehrt). Schulklassen hätten in der Unterrichtszeit und mit öffentlichen Mitteln Wallfahrten nach Mekka durchgeführt, und Arabisch sei zum Pflichtfach für alle Schüler gemacht worden.

Auslöser: Ein anonymer Brief

Ausgelöst wurden die jetzigen Untersuchungen durch ein Schreiben, das im vergangenen November anonym an die städtischen Behörden weitergeleitet worden war. In dem undatierten und unsignierten Brief beschreibt angeblich ein radikaler Muslim einem Glaubensbruder einen fünfstufigen Plan, wie man unislamische Schuldirektoren und Lehrer mithilfe weniger Verbündeter unter den Eltern durch offizielle Beschwerden und falsche Anschuldigungen aus dem Amt treiben und durch fromme eigene Leute ersetzen könne. „You only need a maximum of 4 parents to disrupt the whole school, to send in complaints to question their child‘s education and to contact their MP [örtlicher Parlamentsabgeordneter] and local authority.“ Er erwähnt mehrere Fälle, wo dies in der Vergangenheit gelungen sei. Vier Schulen in Birmingham und zwei Direktoren werden namentlich genannt. Als Ziele werden Birmingham, Manchester und Bradford erwähnt, alles Städte mit rapide wachsender muslimischer Bevölkerung.

Der Brief wirkt im Tonfall unecht, er klingt eher wie das Werk eines Whistleblowers. Auch ist der gewählte Deckname „Operation Trojan Horse“ recht plakativ, und der Bezug auf die griechische Mythologie passt nicht recht zu dem angeblich islamistischen Autor. Vielleicht deswegen wurden die Behörden zunächst nicht aktiv. Erst als im März 2014 mehrere Tageszeitungen davon berichteten, selbst recherchierten und dabei Verbindungen zu tatsächlichen Ereignissen herstellten, wurden auch offizielle Untersuchungen eingeleitet. Seitdem erscheinen wöchentlich neue Informationen, die teils von Zeitungen recherchiert wurden, teils durch Weitergabe vertraulicher Behördenberichte an die Presse bekannt werden.

Das englische Schulsystem

Probleme mit dem Verhältnis von Islam und Schule gibt es in England immer wieder. Erst im Februar 2014 war in Derby die Schließung einer muslimischen Bekenntnisschule beschlossen worden, weil ihr eine Inspektion „chaotische Zustände“, unqualifizierte Lehrer und diskriminierenden religiösen Zwang bescheinigt hatte.1  Gerade bei muslimischen Bekenntnisschulen geschieht das häufiger. Neu ist aber, dass es in Birmingham um säkular ausgerichtete Staatsschulen geht.

Die Affäre wird in diesem Ausmaß wohl erst durch die Struktur des englischen Schulwesens ermöglicht.2  Schon in den 1980er Jahren liberalisierte Margaret Thatcher das System und löste die Schulwahl vom Wohnort – im Glauben, die freie Schulwahl der Eltern fördere den Wettbewerb und damit die Qualität der Schulen. Sie führte allerdings v. a. zu mehr Verkehrsaufkommen, weil Eltern ihre Kinder weite Wege zu attraktiven Schulen fuhren. Der Glaube an die qualitätssteigernde Wirkung zwischenschulischen Wettbewerbs ist bis heute in der britischen Schulpolitik bestimmend geblieben. Die elterliche Wahlfreiheit wurde auch aufgrund der traditionellen Politik des Multikulturalismus immer weiter gestärkt. Kritiker weisen heute darauf hin, dass sich dieser Multikulturalismus längst zu einem Kommunitarismus mit isolierten Parallelgesellschaften entwickelt habe, die sich in eigene Sprachen und Rechtspflegesysteme zurückziehen.3  Mit den Schulen werde jetzt eine weitere Säule des Systems ins Visier genommen.

1990 wurden auf Verlangen der muslimischen Gemeinschaft sogenannte „Faith Schools“ (Bekenntnisschulen) in Entsprechung zu den traditionellen „Church Schools“ eingerichtet. Faith Schools können staatlich und/oder durch private Sponsoren finanziert sein. Daneben bestehen säkulare staatliche Schulen. Allerdings sank das Niveau englischer öffentlicher Schulen in den vergangenen Jahrzehnten, insbesondere in manchen Einwandererstadtteilen, während die Gewalt zunahm. Das führte zu einer Abwanderung in private und kirchliche Schulen. Heute sind etwa 7000, i. e. ein Drittel der staatlich finanzierten Schulen Englands, Faith Schools, die meisten davon sind anglikanisch, etwa ein Drittel römisch-katholisch, außerdem gibt es 42 jüdische und 12 muslimische.

Schon 2005 kritisierte David Bell, damals Direktor der staatlichen Schulaufsichtsbehörde „Ofsted“ (Office for Standards in Education), dass insbesondere muslimische Schulen die gesellschaftliche Integration behinderten und eine Bedrohung der nationalen Identität darstellten.4  2008 äußerte eine parlamentarische Kommission Bedenken gegen die weitere Einrichtung von Faith Schools.5

Im vorliegenden Fall suchte man offenbar eine Alternative. Statt Faith Schools zu gründen, versuchte man, säkulare staatliche Schulen in mehrheitlich islamischen Stadtteilen zu islamisieren. Dieses Vorhaben wird dadurch erleichtert, dass in englischen Schulen ein Aufsichtsrat sogenannter „Governors“ die Schulleitung begleitet. Er besteht zu festen Anteilen aus Elternvertretern, Schulmitarbeitern, Vertretern der örtlichen Verwaltung und der Öffentlichkeit. Governors haben beträchtliche Machtbefugnisse. Sie verwalten das Budget, beschließen Baumaßnahmen (Gebetsräume!), wählen den Direktor und die Lehrer, bestimmen die inhaltliche Ausrichtung der Schule, können disziplinarische Maßnahmen gegen Schüler aufheben und legen die jährlichen Ziele für die Lehrerschaft fest. Es fällt ihnen aufgrund ihrer Machtfülle relativ leicht, Konflikte mit dem Personal herbeizuführen und dieses unter Druck zu setzen.

In einigen Schulen, sogenannten „Academies“, sind Governors auch für die Auswahl der Schüler zuständig. Diese „Academies“ sind weitgehend der Kontrolle der kommunalen Behörden entzogen und werden direkt von der Zentralregierung und ggf. privaten Sponsoren finanziert. Hier können die Governors auch den ansonsten verbindlichen nationalen Lehrplan („national curriculum“) verändern. Diese Academies hatte die frühere Labour-Regierung 2000 eingerichtet. Sie sind in jüngster Zeit sehr populär geworden. 2010 gab es ca. 200, Ende 2013 waren es schon 3500.

Mehrere der betroffenen Birminghamer Schulen sind Academies, bei anderen bestand offenbar die Absicht, sie im Rahmen der versuchten Übernahme dazu zu machen, um anschließend die größeren Gestaltungsspielräume zu nutzen. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr die Affäre, weil eine der betroffenen Schulen, Park View, noch 2012 bei einer Inspektion so gut abgeschnitten hatte, dass Premierminister Cameron sie als herausragendes landesweites Beispiel für die erfolgreiche Schulpolitik in sozialen Brennpunkten herangezogen hatte.

Drei parallele Untersuchungen

Nachdem der Ball einmal ins Rollen gekommen war, initiierten gleich drei Stellen eine Untersuchung der anfangs sechs betroffenen Schulen: die Stadt Birmingham, die staatliche Schulaufsichtsbehörde Ofsted und das Department for Education (Bildungsministerium). Parallel dazu recherchierten diverse Tageszeitungen u. a. durch Befragungen von Eltern und Lehrern. Schnell wurde klar, dass trotz bleibender Zweifel an der Echtheit des Briefs, der die Untersuchungen ausgelöst hatte, die angezeigten Missstände echt waren. In fünf Schulen waren in jüngster Zeit die nicht-muslimischen Direktoren ausgewechselt und durch Muslime ersetzt worden; in einer Schule hatten im letzten halben Jahr fünf Governors ihr Amt niedergelegt und waren durch Muslime ersetzt worden, sodass nun 12 von 14 Governors Muslime waren; in einer weiteren Schule waren seit Herbst 2013 vier von sechs Mitgliedern der Schulleitung gegangen.

Immer mehr Zeugen bestätigten die Existenz von Maßnahmen, die Mädchen und nicht-muslimische Schüler ausgrenzten, die Diskriminierung von liberalen Muslimen und Nicht-Muslimen im Lehrkörper und die Islamisierung des Lehrplans. In vielen Fällen war linientreues Lehrpersonal ohne die notwendigen Qualifikationen eingestellt worden. Die Zwischenergebnisse der offiziellen Untersuchungen wurden durch Indiskretionen bekannt und bestätigten die Zeitungsrecherchen. Bald gerieten noch weitaus mehr Schulen ins Blickfeld, am Ende waren es 21 Birminghamer Schulen, die inspiziert wurden. Dabei wurden auch noch anders gelagerte Vorfälle bekannt: So waren an mehreren Schulen in Schulversammlungen islamische Terroristen als Beispiel des Kampfs gegen die Feinde des Islam gepriesen worden, ein Lehrer und seit kurzem stellvertretender Direktor lobte in der Schulversammlung seinen Bruder, der wegen terroristischer Straftaten im Gefängnis sitzt, in Schulversammlungen wurden antichristliche Lieder gesungen, und polizeibekannte Al-Qaida-Sympathisanten traten als Redner auf. In einem Fall wurde das Telefon einer Schülerin konfisziert, um anhand der SMS eine Liebesbeziehung mit einem Mitschüler nachzuweisen. Sie wurde daraufhin kurz vor den Abschlussprüfungen suspendiert. Mehrere Schulen unterhielten eigene Nachmittags-Madrasas (Koranschulen). Daraufhin beauftragte der Bildungsminister den ehemaligen Chef der Abteilung für Terrorismusbekämpfung von Scotland Yard mit der weiteren Leitung der Untersuchung. Darüber entbrannte ein öffentlicher Streit in liberalen Medien, die islamophobe Panikmache vermuteten.

Ein Netzwerk von Governors, Lehrern und Eltern

Im Zentrum der Affäre steht Tahir Alam, der über zahlreiche Ämter seit Jahrzehnten Einfluss im Schulwesen ausübt. So fungiert er unter anderem an mehreren der betroffenen Schulen als Governor, ist Sprecher der Association of Muslim Schools und steht der Park View Stiftung vor, die drei der Schulen betreibt.6  Um ihn herum wurde ein vielfältig verflochtenes Netzwerk eng mit ihm verbundener Personen identifiziert, die an den Aktivitäten beteiligt waren. Unabhängig von den Islamisierungsplänen zeigt sich hier ein großes Ausmaß an Nepotismus. Koordiniert wurde die Arbeit u. a. in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe namens „Educational Activists“, in der sich Governors, Lehrer, Eltern, Aktivisten und Schulleiter über die Strategien zur Übernahme von Schulen austauschten.

Pikant ist zudem, dass Alam zum einen kein Unbekannter ist, sondern schon seit Jahren gelegentlich mit islamistischen Forderungen öffentlich aufgefallen ist, zum anderen von der Stadt Birmingham als Consultant für Bildungsfragen beschäftigt wurde und offenbar zeitweise auch als externer Inspekteur von Ofsted engagiert war, sodass man offenbar den Bock zum Gärtner gemacht hatte. Darum werden auch Fragen an die Effizienz der Schulaufsicht gestellt. Wie konnte es sein, dass die Stadt Birmingham angeblich seit Jahren Beschwerden erhalten hatte, ohne ihnen nachzugehen? Und wieso hatten mehrere der Schulen noch vor kurzem nach Ofsted-Inspektionen Bestnoten als „outstanding“ erhalten, während sie ein Jahr später in die schlechteste Bewertung „inadequate“ abrutschten? Wie konnten bei früheren Inspektionen so offensichtliche Probleme unbemerkt bleiben? Auch deshalb hat Bildungsminister Michael Gove eine eigene Untersuchung neben Ofsted und der Stadtverwaltung angeordnet.

Reaktionen

Die bislang namentlich Beschuldigten und die vor allem betroffenen Schulen halten alle Vorwürfe für frei erfunden und empören sich, dass ein anonymer Brief zu einer offiziellen Reaktion geführt habe. Ähnlich argumentieren islamische britische Medien. Sie sehen in der jetzigen Affäre v. a. eine Bedrohung und Verunglimpfung der islamischen Gemeinschaft im Land.

Der Muslim Council of Britain (MCB), die 1997 gegründete wichtigste Interessenvertretung britischer Muslime, griff in Presseerklärungen die staatlichen Inspektionen an und forderte ein Ende der Spekulationen und der „Verleumdungskampagne“. Das Bild, das hier gezeichnet werde, stelle eine Karikatur britischer Muslime dar, die Vorwürfe seien unbewiesen und weit hergeholt, würden aber unweigerlich Islamophobie und Rechtsextremismus fördern.

Tahir Alam hat auch hier ein Amt: Er ist eines der profiliertesten Mitglieder des MCB und war jahrelang sein Sprecher zu Bildungsfragen. Der MCB-Gründer und langjährige Generalsekretär Sir Iqbal Sacranie war 1988 in der Kontroverse um Salman Rushdie aufgefallen, als er öffentlich erklärte, der Tod sei vielleicht eine „zu leichte Strafe“ für diesen. Dennoch gilt der MCB als die Stimme des moderaten Islam. Die Sorge vor Islamophobie steht bei vielen seiner Äußerungen im Vordergrund, auch nach den diversen islamischen Terroranschlägen der vergangenen Jahre in Britannien. Seine Vertreter äußern sich regelmäßig gegen Homosexuellenrechte und lehnen den britischen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar ab.

Auswirkungen und Parallelen

Die Veröffentlichung der abschließenden Ofsted-Inspektionsberichte fand am 9. Juni statt. Von den insgesamt 21 überprüften Schulen wurden sechs als „ungenügend“ bewertet, was zum Austausch des gesamten Führungspersonals und der Governors sowie zu künftiger direkter Staatsaufsicht führen kann. An diesen Schulen habe, so der Bericht, eine Kultur der Angst und Einschüchterung geherrscht. Eine Reihe der anderen Schulen wurde in die zweitniedrigste Kategorie „verbesserungsbedürftig“ eingeordnet. Bislang ist nur von einer Schule bekannt, dass sich keines der Verdachtsmomente bestätigte. Nun wird spekuliert, dass alle beteiligten „Rädelsführer“ lebenslang von jeglicher Beteiligung im Bildungswesen ausgeschlossen werden sollen.

Der Abschlussbericht des Bildungsministers ist für Juli angekündigt. Nachdem er schon im Vorfeld die Stadt Birmingham und die Aufsichtsbehörde Ofsted kritisiert hatte – inzwischen gab es einen öffentlichen Streit zwischen Bildungsminister Michael Gove und dem Direktor von Ofsted –, erscheint es Beobachtern denkbar, dass alle Birminghamer Schulen der städtischen Aufsicht entzogen und direkt dem Bildungsministerium unterstellt werden.

Inzwischen hat die Affäre obendrein einen Regierungsstreit ausgelöst. Bildungsminister Gove kritisierte Innenministerin Theresa May, weil sie zu zaghaft gegen islamischen Extremismus vorgehe. Diese konterte, indem sie Gove vorwarf, er sei bereits vor vier Jahren auf die Probleme in Birmingham hingewiesen worden, ohne zu reagieren. Diese höchst ungewöhnlichen öffentlichen Streitigkeiten sind auch Ausdruck der Hilflosigkeit. Denn es ist schwer zu sagen, was man überhaupt gegen die zunehmende Islamisierung öffentlicher Räume tun kann, für die die Vorfälle in Birmingham nur ein Beispiel sind. Die erste Maßnahme des Bildungsministeriums: Ab September sollen in allen britischen Schulen „britische Werte aktiv gefördert und gelehrt“ werden.

Bislang ist unbekannt, ob nun die Schulen anderer Städte überprüft werden sollen, die im Zusammenhang mit der Affäre genannt wurden. Aber islamische Sprecher warnen bereits jetzt vor einer Welle der Islamophobie.

Schluss

Die Ereignisse von Birmingham sind kein rein britisches Problem, und die Sachlage ist auch nicht auf geheime Komplotte beschränkt. Am 11. April 2014 machte die französische Tageszeitung Le Figaro einen Geheimdienstbericht vom November 2013 über die Situation in öffentlichen Schulen Frankreichs öffentlich. Demnach werde in vielen mehrheitlich von Muslimen besuchten Schulen systematisch das Gesetz ignoriert. Tragen des Kopftuchs (in Frankreich sind offene religiöse Symbole auch Schülern verboten), regelmäßig bis zu 90-prozentige Abwesenheit an muslimischen Feiertagen, Verweigerung von Schwimmunterricht, gruppenweise Gebete im Schulgebäude seien dort eher die Regel als die Ausnahme. Schüler bzw. Schülerinnen würden von Mitschülern gezwungen, das Kopftuch zu tragen, zu fasten und das Halal-Schulessen zu wählen. Schulleitungen und Behörden sind machtlos gegen den massenhaften zivilen Ungehorsam der Schülerschaft und verzichten auf Durchsetzung des Rechts. Ganz ohne geheime Pläne, nur mit Mehrheitsverhältnissen werden hier ähnliche Effekte erzielt wie in England. Von Lehrplanveränderungen und Al-Qaida-Rednern in der Schule wird allerdings nicht berichtet. Unterdessen gab die „Law Society“ (der traditionsreiche Rechtsanwaltsverband von England und Wales) mitten in den jüngsten Debatten indirekt ihre eigene Antwort auf die Ereignisse.7  Sie veröffentlichte Mitte März 2014 eine Handreichung für ihre Mitglieder, die darlegte, wie man ein Testament nach islamischem Recht (Scharia) aufsetzt. Konkret heißt das unter anderem: Eine Frau bekommt halb so viel wie ein Mann, Kinder geschiedener Partner und Nicht-Muslime bekommen nichts, nicht-muslimische (etwa standesamtliche) Eheschließungen sind ungültig und beim Erbe zu ignorieren. Frauenrechtler verlangen nun, dass sich der Rechtsausschuss des Parlaments mit dem Ausmaß schariarechtlicher Parallelstrukturen im Land befasse.


Kai Funkschmidt


Anmerkungen

Daily Telegraph, 7.2.2014 (www.telegraph.co.uk/education/educationnews/10623972/Troubled-Muslim-free-school-to-close.html, Abruf: 6.6.2014).
2  Es geht hier nur um England, denn die vier Nationen des Vereinigten Königreichs haben jede ihre eigene Schulpolitik, und die Schulsysteme unterscheiden sich teils erheblich.
3  Das größte Problem ist übrigens nicht weißer Rassismus. Weit stärker ist die antagonistische Segregation zwischen Indern und Pakistanis bzw. zwischen schwarzen Westindern und Asiaten. Vgl. Alasdair Palmer, We can’t avoid the threat of Islamism, London: Daily Telegraph 8.6.2014, www.telegraph.co.uk/news/uknews/immigration/10882891/We-cant-avoid-the-threat-of-Islamism.html, Abruf: 8.6.2014).
4  „Faith should not be blind. I worry that many young people are being educated in faith-based schools, with little appreciation of their wider responsibilities and obligations to British society. This growth in faith schools needs to be carefully but sensitively monitored by government to ensure that pupils receive an understanding of not only their own faith but of other faiths and the wider tenets of British society“. Tony Halpin: „Islamic schools are threat to national identity“, London: The Times 18.1.2005.
5  Anthea Lipsett: „MPs to voice concerns over faith schools“, London: The Guardian 1.2.2008.
Ironischerweise ist die AMS Miteigentümerin des „Bridge Schools Inspectorate“, einer Organisation, die subsidiär die staatliche Aufgabe von Schulinspektionen an einem kleinen Teil britischer Schulen durchführt.
7www.lawsociety.org.uk/news/press-releases/law-society-publishes-practice-note-on-sharia-wills-and-inheritance-rules; www.telegraph.co.uk/news/religion/10716844/Islamic-law-is-adopted-by-British-legal-chiefs.html  (Abruf: 30.5.2014).