Universelles Leben

Offene Briefe von „Urchristen" attackieren die EKD

(Letzter Bericht: 6/2008, 232f) Im Juli 2009 haben Anhänger der umstrittenen Glaubensgemeinschaft Universelles Leben (UL) um die „Lehrprophetin“ Gabriele Wittek einen offenen Brief an den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, geschrieben. Die beiden Unterzeichner des Briefes, Ulrich Seifert und Alfred Schulte, möchten damit auf „das Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zur globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise“ reagieren.

Wer dabei auf hilfreiche Analysen oder weiterführende Vorschläge zur Bewältigung der Krise hofft, wird bei der Lektüre des fünf Seiten umfassenden Schreibens schnell enttäuscht. Die jüngsten Stellungnahmen der EKD sind dabei nur Vorwand. Vielmehr geht es den sog. „Urchristen“ um eine Generalabrechnung mit der evangelischen Kirche. Bereits der Stil des Schreibens ist verräterisch. Ganz abgesehen davon, dass die Anrede im Anschreiben jede Form der Höflichkeit vermissen lässt – im gesamten Duktus ergießt sich der Fanatismus der „Urchristen“, die den Offenbarungen von Gabriele Wittek Folge leisten und deren Rehabilitierung durch die Kirche einfordern. Eine radikale Abgrenzungsrhetorik dominiert Form und Inhalt des Schreibens. Der EKD-Ratsvorsitzende solle endlich Irrtümer eingestehen, heißt es da. Ihm wird zur Last gelegt, dass er das göttliche Wort aus Unterfranken nicht anerkennt: „Wir wissen, dass Sie wissen müssten, dass es ein aktuelles, zeitgemäßes Prophetisches Wort des Gottesgeistes gibt, gleichwertig dem vor 2600 Jahren durch Jesaja.“ Gott habe durch seinen Propheten Jesaja vor 2600 Jahren und in der Neuzeit durch Frau Wittek immer wieder gewarnt: „Statt dem aktuellen Wort Gottes zuzuhören und Ihm, Gott, die Ehre zu erweisen, rezitieren Sie lieber völlig unverbindliche Prophetenworte, die in der Vergangenheit gesprochen wurden.“

Das Schreiben kulminiert in dem persönlichen Vorwurf: „Sie haben viele Menschen dadurch in die Irre geführt und sie durch Ihre Sektenbeauftragten Unwahrheiten verbreiten lassen. Jetzt ist es der ganzen Welt offenbar; denn die Tatsachen, die Fakten bestätigen jetzt, dass Gabriele eine wahre Gottesprophetin ist, die Sie verfolgen ließen und lassen und verworfen haben.“ An Bischof Huber wird appelliert: „Sie haben eine ganze Rotte von bellenden und beißenden Hunden in Form von Sektenbeauftragten hinter dieser Frau, Gabriele, der Prophetin und Botschafterin Gottes für diese Zeit, und dem wieder erstehenden Urchristentum hergehetzt und ihnen mit übelsten Meinungslügen zugesetzt und somit großen Schaden zugefügt ... Dringend geboten wäre auch, dass Sie bzw. Ihr Nachfolger die Rotte der Sektenbeauftragten zurückpfeift und an die Leine nimmt, damit nicht noch mehr Menschen in die Irre geführt werden und der Schaden, den Sie anrichten, nicht noch größer wird. Noch ist es Zeit für Wiedergutmachung.“

Nur zwei Wochen später wurde aus Marktheidenfeld ein weiterer offener Brief an die EKD und verschiedene Kirchenleitungen verschickt. Darin beklagen sich die Verfasser – nun die beiden „Urchristen“ Matthias Holzbauer und Gerhard Sumereder –, dass die EKD bislang nicht reagiert habe. Im Ton ist das Schreiben noch schärfer und aggressiver gehalten: „Gott wird Sie und Ihresgleichen anklagen, denn durch die Verspottung und Verhöhnung des Gotteswortes haben Sie und Ihresgleichen mitgewirkt, dass viele Menschen weltweit die Botschaften und Mahnungen Gottes nicht rechtzeitig vernommen haben und sich nicht vorbereiten konnten auf die Katastrophen, die nun bereits eingetreten sind und in den nächsten Jahrzehnten erst recht eintreten werden, die Gott nunmehr seit 30 Jahren durch Seine Prophetin angekündigt hat.“ Der offene Brief gipfelt in dem Vorwurf: „Sie und Ihresgleichen, der falsche Prophet, haben die Menschheit verführt. Gäbe es eine Hölle, dann wäre sie mit den falschen Propheten gepflastert.“

Die beiden offenen Briefe belegen, dass Anhänger des UL die Finanzkrise für ihre kirchenfeindliche Propaganda missbrauchen. Der Anspruch der vier Unterzeichner der beiden Schreiben ist überzogen und offenbart den Realitätsverlust ihrer Verfasser. Sie geben vor, „für die Millionen Urchristen in der Welt“ zu schreiben. Die Anhängerzahl der Glaubensgemeinschaft dürfte nur bei maximal 5000 liegen. Was nicht vergessen werden sollte: „Urchristen“ treten auch in unpolemischen Zusammenhängen auf – mit Angeboten für vegetarische Ernährungsweise und Tierschutz. Inzwischen verbreitet das UL seine Botschaften über eigene TV-Satellitensender wie „Die neue Zeit“, „Sender Neu-Jerusalem“ und „Erde und Mensch“. Über das Programm der Fernsehkanäle informiert die TV-Zeitschrift „Ur-ALL TV“. Die aktuelle Ausgabe kann jeweils im Internet heruntergeladen werden.

In seiner Wirkung sollte das UL insgesamt nicht unterschätzt werden. Die offenen Briefe spiegeln einen Fanatismus wider, der sich in einer massiven Kirchenaggressivität ergeht. Für den kritischen Beobachter bleibt als Eindruck: Die treuesten Gefolgsleute der „Lehrprophetin“ kann man derzeit an ihren Schreiben erkennen.


Matthias Pöhlmann