Neuapostolische Kirche

Neuapostolische Kirche ordnet Ämterlehre neu - auch Frauenordination in Sicht?

(Letzter Bericht: 6/2017, 232f) Im Rahmen eines Gottesdienstes erläuterte Stammapostel Jean-Luc Schneider am 22. Oktober 2017 in Nürnberg einige Neuerungen zum Amtsverständnis und zur Ämterhierarchie der Neuapostolischen Kirche (NAK). Die Einzelheiten des von der Bezirksapostelversammlung beschlossenen Projekts werden in den „Leitgedanken für Amtsträger“ (Heft 3 und 4/2017) ausgeführt.

Im Kern geht es dabei um eine Aufwertung der Ordination, eine Abflachung und Verschlankung der Hierarchie sowie einen lebensnäheren Blick auf menschliche Gaben im Verhältnis zur Amtsvollmacht. Als Hintergrund ist zu bedenken, dass alle Ämter in der NAK mit Ausnahme der obersten Führungsebene im Ehrenamt ausgeübt werden und dass man ausschließlich durch Berufung von höherer Ebene in ein Amt gelangt.

Künftig werden Führungsfunktion und geistliches Amt deutlich unterschieden. So werden Führungsfunktionen nicht mehr durch Ordination, sondern durch Beauftragung verliehen. Ordiniert wird man dann also nur noch in eine Ämtergruppe: Diakon (Aufgaben: Wortverkündigung, Segnung), Priester (zusätzlich Taufe, Abendmahl, Freisprache) oder Apostel (zusätzlich Versiegelung, Ordination). Mit Ausnahme des Stammapostels (Petrusamt und Schlüsselgewalt), der auch weiterhin ordiniert wird, gibt es künftig beim Aufstieg innerhalb einer Amtsgruppe keine Ordinationen mehr. Das hierarchisch besonders reich gegliederte Amt des Priesters zum Beispiel durchlief man vorher gegebenenfalls in einer ganzen Serie von Ordinationen: Priester, Evangelist, Hirte, Bezirksevangelist, Bezirksältester bis hinauf zum Bischof. Auch Bezirksapostel wurden eigens ordiniert. In Gemeinden mit mehreren Priestern wird einer zum Gemeindevorsteher eingesetzt.

Diese zusätzlichen Stufen innerhalb einer Amtsgruppe verliehen zwar bestimmte Führungsaufgaben, hatten aber keine zusätzliche geistlich-sakramentale Bedeutung. Künftig werden diese Zwischenstufen daher nur noch durch Beauftragung übertragen und nicht mehr zwangsläufig durch einen Apostel. „Grundsätzlich haben alle priesterlichen Ämter, vom Priester bis zum Bischof, die gleiche Amtsvollmacht“, so Schneider. Er fragte, ob die gegenwärtige hierarchische Struktur den aktuellen Bedürfnissen der Kirche noch angemessen sei: „Es ist meine Überzeugung, dass wir mehr denn je klar definierte Verantwortungen, fest umrissene Aufgaben und vor allem mehr Flexibilität brauchen!“

Durch die jetzigen Maßnahmen soll zum einen die Ordination seltener und dadurch aufgewertet werden. Zum anderen werden Leitungsaufgaben damit funktional verstanden und weniger geistlich aufgeladen. Nicht jede Leitungsentscheidung eines Amtsträgers kann sich auf dessen geistliche Vollmacht berufen. Mancher Überhöhung will man damit wehren: „Nicht selten ist die Ansicht anzutreffen, dass jedes Amt seinem Träger einen bestimmten Charakter verleihe und der Amtsträger sich durch die Ordination in seinen Charakterzügen verändern müsse. Es gibt auch die Vorstellung, dass mit der Ordination dem Amtsträger Gaben verliehen würden, die vorher nicht vorhanden seien. Beides ist nicht haltbar“, stellen die Leitgedanken fest. Man dürfe keinesfalls annehmen, dass „beispielsweise ein rhetorisch eher unbegabter Mensch zu einem glänzenden Redner wird oder ein wenig empathischer Mensch plötzlich ein hohes Einfühlungsvermögen entwickelt“. Man müsse im Vorfeld schon prüfen, ob „entwicklungsfähige Begabungen und bestimmte Charaktereigenschaften“ vorhanden seien.

Die Neuerung bereitet eine Abschaffung einer Reihe priesterlicher Ämter voraussichtlich im kommenden Jahr vor. Das ist nicht ganz neu: in den frühen Zeiten der apostolischen Bewegung hatte es an die 40 verschiedene Ämter gegeben. Zuletzt war 1998 das Amt des Unterdiakons verschwunden.

Eine zweite Neuerung betrifft die Zuständigkeit für die Gottesdienstleitung. Bislang hatte entsprechend dem hierarchischen Amtsverständnis automatisch der ranghöchste anwesende Amtsträger einen Gottesdienst zu halten. Künftig kann der Gemeindevorsteher regelmäßig die Gottesdienste halten und jeden anderen Priesterkollegen in seiner Gemeinde zur Gottesdienstleitung einteilen, ausdrücklich auch bei Anwesenheit eines Höherrangigen. Will ein Ranghöherer in einer Gemeinde den Gottesdienst halten, so soll er dies mit ausreichend Vorlauf dem Gemeindevorsteher mitteilen. Mehr Abwechslung, weniger Hierarchie – hiervon erhofft man sich auch eine Belebung der Gottesdienste. Nur wenn Apostel anwesend sind, sollen diese auch künftig stets den Gottesdienst leiten.

Die Umsetzung dieser Neuregelung obliegt dem jeweiligen Bezirksapostel. Dabei gibt es Unterschiede. Die Durchführungsbestimmungen von Bezirksapostel Rüdiger Krause für Nord-Ostdeutschland sehen sie als „Ausnahmefall“ vor, sein Kollege Michael Ehrich in Süddeutschland bestimmt sie hingegen als „Regelfall“. Es wird sicher längere Zeit dauern, bis sich die Veränderungen in einer Kirche verbreiten, die jahrzehntelang durch ihre nicht selten autoritäre Hierarchie geprägt und in der eine Mitsprache einfacher Gemeindeglieder selten erwünscht war.

Auch über die Motivationsprobleme ehrenamtlicher Amtsträger einer schrumpfenden Kirche machte sich die NAK-Führung Gedanken. Künftig will man positiver reagieren, wenn sich jemand als Ehrenamtlicher anbietet, was bisher verpönt war. Und man will angesichts einer schrumpfenden Kirche frustrierte Brüder „stärken, indem wir sie daran erinnern, dass uns Jesus dazu berufen hat, an seinen Leiden, aber auch an seinen Freuden Anteil zu haben“. Hierzu kommentiert das unabhängige NAK-Magazin „Glaubenskultur“ trocken: „Zwar ist der Gedanke völlig unorthodox, aber effektiver dürfte es sein, solche Amtsträger einmal zu einer Art Praktikum in eine befreundete Glaubensgemeinschaft oder einen Verein zu schicken, damit sie einen anderen Blickwinkel, neue Techniken und auch Selbstvertrauen lernen.“ Überhaupt vermissen die Beobachter von „Glaubenskultur“ Konkretionen der neuen Anstöße, zum Beispiel an den Stellen, die auf eine Richtungsänderung hin zu mehr Eigeninitiative der Gemeindebasis hinauslaufen. Wie soll, so fragt man, ein solcher Kulturwandel beginnen, wenn keine genaueren Vorschläge gemacht werden? (www.glaubenskultur.de)

Auch zur Frauenordination, einem Thema, das ihm immer wieder gestellt werde, äußerte sich Schneider in Nürnberg: „Ich verspreche, dass wir diese Frage – wie auch andere noch offene Fragen – beantworten werden.“ Wer sich in der deutschen NAK umhört, begegnet zu dieser Frage zwar nicht gerade einer Frauenbewegung, aber doch überwiegend befürwortenden Stimmen von der Basis bis zu einigen Aposteln. Die Leitungsebene denkt allerdings für die Weltkirche und beruft sich für ihr Zögern auf die Zurückhaltung der afrikanischen NAK-Gemeinden (80 % der Mitglieder) gegenüber Frauen im geistlichen Amt.


Kai Funkschmidt