Yoga

Lachyoga in Berlin

Es ist Sonntagmittag, 12.00 Uhr, an einem kühlen, grauen Tag Anfang März auf einer Wiese in Berlins Mitte. Hier trifft sich regelmäßig einmal im Monat eine offene Gruppe zum Lachyoga. Die Trainerin begrüßt vor allem die Teilnehmer, die zum ersten Mal dabei sind, und erklärt, woher das Lachyoga kommt, was das Ziel ist und was sie in den nächsten 60 Minuten erwartet.

Lachyoga wurde 1995 von dem indischen Arzt und Yogalehrer Madan Kataria entwickelt. Es soll Yoga-Elemente mit den Ergebnissen der Gelotologie, der Wissenschaft vom Lachen, zusammenführen. Der positive Effekt, den Lachen auf die Gesundheit hat, ist wissenschaftlich erwiesen. Nicht grundlos heißt es im Volksmund: „Lachen ist die beste Medizin“. Herzhaftes Lachen stimuliert das Herz-Kreislauf-System, stärkt das Immunsystem, wirkt entspannend und baut Stress ab, kann durch Verbesserung der Lungenkapazität Asthma und Bronchitis lindern und wird wegen der Freisetzung von Endorphinen sogar als natürliches Schmerzmittel eingesetzt. Auch für psychosomatisch bedingte Krankheiten wie Depressionen, Angst oder Schlaflosigkeit ist die positive Wirkung des Lachens bewiesen.

Während Kinder noch rund 400-mal am Tag lachen, liegt die durchschnittliche Lachrate eines Deutschen laut einer Studie von 1999 nur noch bei ca. sechs Minuten am Tag; 1959 waren es noch 18 Minuten – keine besonders gesundheitsförderliche Entwicklung. Wohl auch deshalb hat das Lachyoga seit 1995 seinen Siegeszug um die Welt angetreten und erfreut sich hierzulande immer größerer Beliebtheit. Auch wurden inzwischen zahlreiche Lachclubs, regelmäßige Lachtreffs und Lachpartys gegründet. In großen Städten kann man von einer regelrechten „Lach-Szene“ sprechen, deren Anhänger sich kennen und sich auf unterschiedlichen Lach-Events immer wieder treffen.

Auf der Berliner Wiese wird mit einer einfachen Atemübung begonnen: aus- und einatmen, Arme und Oberkörper dabei erst zur Rasenfläche, dann in die Luft strecken. Als nächstes rufen alle „Hohoho Hahaha“, klatschen dabei rhythmisch und gehen im Kreis herum. Nach einigen Takten folgt eine angeleitete Lachübung, dann Atemübung und wieder von vorn: Hohoho, Lachübung, Atemübung, Hohoho ...

Es gibt verschiedene Lachübungen, die von einer Trainerin oder einem Trainer angeleitet werden. Bei den meisten geht es um so genanntes Steigerungslachen. Man tippt sich z. B. mit der rechten Hand erst auf die Handinnenfläche, dann in den Ellenbogen, auf die Brust und auf die Stirn und steigert das Lachen bei jedem Tippen. Hier sollen bestimmte Reflexpunkte angeregt werden, was die wohltuende Wirkung dann noch unterstützen würde. Bei anderen Übungen sollen die Teilnehmer wie Hühner im Kreis herumhüpfen und lachend gackern. Beliebt ist auch das „Löwengesicht“, bei dem man die Augen aufreißt, eine Fratze macht, die Hände wie Tatzen über den Kopf hält und lachend-fauchend auf die anderen Teilnehmer zuspringt. Spätestens hier stellt sich die Frage, ob man über sich selbst, über die anderen Teilnehmer oder über die Passanten lacht, die kopfschüttelnd und irritiert das Treiben vom Spazierweg aus beobachten. Für den Erfolg sei es egal, ob man absichtlich und grundlos oder über einen Witz lacht, so wird behauptet. Ziel sei, dass das künstliche Lachen, mit dem begonnen wird, im Laufe der Zeit in ein echtes Lachen übergeht.

Wie bei anderen westlichen Formen des Yoga liegt der Hauptaspekt beim Lachyoga auf seiner gesundheits- und wohlbefindenfördernden Wirkung. Ein philosophisches, weltanschauliches oder gar religiöses System wie im klassischen Yoga steht bei den Lachübungen nicht im Hintergrund. Obwohl das Lachyoga erst 1995 aus Indien in den Westen kam, kann man annehmen, dass wir es mit einer verwestlichten und modernen Form des Yoga zu tun haben, die für die Praktizierenden vor allem eine Form der Körperübung darstellt. Lachyoga ist materiell ausgerichtet und soll vor allem im Alltag nützlich sein. Die Lachyoga-Rezipienten halten sich nicht damit auf, einen Weg zur Begierdenzügelung oder Methoden der Reinigung zu finden. Im Gegensatz zu anderen Formen des Yoga stehen beim Lachyoga weniger Atemübungen als vielmehr Lachübungen im Mittelpunkt.

Professionelle Lachtherapeuten bieten mittlerweile in ganz Deutschland Seminare, Workshops und Vorträge an. Sie sind im „Hoho-Haha“-Verband organisiert und scheinen ihren Platz auf dem großen Markt der alternativen Psychoangebote gefunden zu haben. Denn Lachyoga soll auch Wirkungen haben, die über den rein gesundheitlichen Bereich hinausgehen. Das wird vor allem bei einem Blick auf die Titel der Ratgeber-Literatur deutlich, die auf Lachyoga verweisen: „Schön werden mit Genuss“, „Inspiration jetzt!“, „Erfolgspotential ältere Mitarbeiter“ oder „Führen mit Humor“. Ritualisiertes Lachen macht offenbar schön, erfolgreich und kreativ, wird dem Leser zumindest suggeriert. Und so berichten auch Zeitungen wie z. B. die „Financial Times Deutschland“ über das Lachyoga als neuem „Fitness- und Wellness-Trend“, der gerade einen Ansturm aus den Management-Ebenen erlebt und Führungskräften einen „entspannenden Ausgleich“ bietet.

Tatsächlich werden sogar vereinzelt Lachyoga-Therapeuten von Firmen angefragt, eine Mitarbeiterschulung im Lachen anzubieten. Zum Beispiel hält der Hamburger Lach-Trainer Robert W. L. Butt Lachyoga-Vorträge in deutschen Unternehmen, die sich davon weniger gestresste Mitarbeiter und dadurch höhere Umsatzzahlen versprechen. Auf Butts Homepage (www.lachyoga.de) wird vor allem auf den gesundheitlichen Aspekt des Lachyoga hingewiesen. So ist zu lesen, dass vielen an Aids oder Krebs leidenden Menschen durch regelmäßiges Lachtraining geholfen werden konnte. Gleichzeitig wird aber davor gewarnt, vom Arzt verordnete Medikamente aufgrund der Praktizierung von Lachyoga selbständig abzusetzen oder die Dosis zu reduzieren. Es muss klar sein: Lachen kann schulmedizinische Therapien unterstützen, diese aber nicht ersetzen.

Auf der Berliner Wiese stellen sich die Lachyoga-Teilnehmer nach einer Stunde wieder im Kreis auf, man fasst sich an den Händen und beendet die Übung mit einer Art „Mantra“: „Wir sind die fröhlichsten Menschen der Welt. Wir sind die glücklichsten Menschen der Welt. Wir sind die gesündesten Menschen der Welt.“ Die Teilnehmer sind außer Atem – immerhin werden beim Lachen ca. 80 Muskeln angesprochen. Sie berichten, dass sie sich merklich besser fühlen würden, seit sie regelmäßig zum Lachyoga kämen: entspannter, lockerer und eben „besser drauf“.

Der erste Sonntag im Mai ist „Weltlachtag“ – 1998 vom Begründer des Lachyoga, Madan Kataria, mit dem Ziel ins Leben gerufen, ein globales Bewusstsein der Brüderlichkeit und Freundschaft zu schaffen. Auch viele deutsche Lachclubs organisieren am Sonntag, 3. Mai 2009, kostenfreie, öffentliche „Lachevents“.


Anika Sendes, Berlin