Werner Thiede

Die Wahrheit ist exklusiv. Streitfragen des interreligiösen Dialogs

Werner Thiede, Die Wahrheit ist exklusiv. Streitfragen des interreligiösen Dialogs, Brunnen Verlag, Gießen 2014, 283 Seiten, 30,00 Euro.

Aufsatzsammlungen sind meist uninteressant, denn sie stammen oft aus der Mottenkiste eines Autors. Hätte Werner Thiede aber nicht im Vorwort darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Auswahl leicht überarbeiteter Aufsätze zum Themenkreis handelt, hätte das der Leser wohl kaum gemerkt. Die Auswahl ist gelungen – und hoch aktuell.

Den ersten, kürzeren Teil hat der Verfasser überschrieben „Die Wahrheitsfrage im interreligiösen Miteinander der Postmoderne“ – und den zweiten, längeren „Streit um die Wahrheit an Beispielen konkreter Religiosität“. Um gleich zum Thema zu kommen, fragt Thiede im ersten Beitrag: „Ist die exklusive Wahrheit der inklusiven Christus-Botschaft dialogfähig?“ Und er betont zunächst: „Liebe zur Wahrheit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind Grundregeln im interreligiösen Dialog“ (15). Also keine falsche Anbiederung an den Dialogpartner. Es ist ihm aber klar, dass „sich die Botschaft von der Versöhnung der Welt durch Christus … nach neutestamentlicher, altkirchlicher und auch reformatorischer Sicht selbstredend als exklusive Wahrheit versteht“ (16). Diese exklusive Wahrheit ist „sehr wohl dialogfähig“ (20), zumal „das leitende Interesse am interreligiösen Gespräch die Herstellung bzw. Vermehrung und Ausbreitung von Wahrheit ist“ (20). Obgleich Religion wieder „in“ ist, sieht der Verfasser keine Wiederkehr der Religion in Westeuropa (36), sondern eine zunehmende Säkularisierung und ein ständiges Anwachsen von Synkretismen, also von Patchwork-Religionen. Dabei spielt ein spiritueller Monismus eine große Rolle, in dem das Göttliche in den einzelnen Menschen hineingelegt wird – man denke an die Anleihen, die die New-Age-Bewegung bei der Gnosis nimmt. Dieser nachchristliche Synkretismus hat wenig Interesse am Konkret-Religiösen und fördert das Allgemein-Unverbindliche, um in „allen Religionen eine abstrakt zuzusprechende gemeinsame Grundform von Religiosität“ festzustellen (86). Alle verehren ja sowieso denselben Gott. Wer anderer Meinung ist, gilt meist als nicht mehr aktuell. Doch der Autor hält dagegen: Christliche Spiritualität „kann sich als dialogfähig erweisen, ohne dabei einen Synkretismus zu fördern, der das Bekenntnis zur kirchlich geglaubten Wahrheit verrät“ (109). So erweisen sich auch multiple Identitäten, in denen man sich mehr als einer Religion gleichzeitig zugehörig fühlt, „als religiöse Konstrukte“, denn „sie implizieren in der Regel ein synkretistisches Denken“ (120).

Im zweiten Teil wird nun der Streit um die Wahrheit konkretisiert. So geht der Verfasser den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Buddha und Jesus nach – ein wichtiges Thema bei der wachsenden Faszination, die der Buddhismus in Deutschland ausübt, nicht zuletzt durch den Dalai Lama. Dabei warnt der Verfasser, sich nicht bei der Forschung von „kultur- und religionspolitischen Zwecken funktionalisieren“ zu lassen, also die Gemeinsamkeiten zu betonen und die Unterschiede zu minimalisieren (133). Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass sich Buddha und Jesus „einander nur in einigen groben Umrissen“ ähneln und Buddhismus und Christentum grundsätzlich unvereinbar sind (148). Ein weiteres „heißes Eisen“ fasst der Verfasser mit der Frage an: „Kann der Islamismus als Religion terroristische Haltungen begründen?“ Er unterscheidet dabei streng zwischen Islam und dem „sogenannten Islamismus als dessen politisch intendierte Ideologisierung“ (157). Doch kommt der Verfasser zu dem Schluss, dass „militante Islamisten keineswegs nur aus politischen Motiven, sondern aus frommer Überzeugung“ handeln (165). Entscheidend auch für den Fortgang weltpolitischer Ereignisse sei es, wie sich „innerhalb des Islams das Verhältnis von Islamisten und Nichtislamisten, also gemäßigten Kräften weiterhin gestaltet“ (170). Auch der nächste Beitrag unter dem Titel „Politikgestaltung zwischen Gottesstaat und Laizismus“ geht sorgfältig der Rolle der staatlichen Macht im Verhältnis zu religiösen Institutionen und Bewegungen nach und vergleicht dabei besonders, auch historisch, das Verhältnis von Religion und Staat in Deutschland und der Türkei. Der Verfasser resümiert: „Die türkische Republik existiert im Spannungsfeld von Gottesstaat und Laizismus“ (187), wobei von friedlichen wie von gewaltbereiten Islamisten in der Türkei das Ziel einer „gottesstaatlichen Theokratie langfristig angesteuert wird“ (186). Fundierte Beiträge zu den Mormonen, der Scientology und Rudolf Steiner erinnern besonders daran, dass der Erlanger apl. Professor für Systematische Theologie einst EZW-Referent war – sie runden diesen zweiten Teil zur Konkretisierung der Wahrheitsfrage ab.

Man kann dem Verfasser nur gratulieren zu dieser hoch aktuellen und gut lesbaren Veröffentlichung. Die Beiträge sind sorgfältig recherchiert, und man ist erstaunt, wie viele verschiedenartige Literatur der Verfasser eingearbeitet hat. Zwar wird fast nur auf deutsche oder ins Deutsche übersetzte Literatur Bezug genommen, aber das tut der Qualität dieser Studien keinen Abbruch. Besonders die Kapitel über den Islam machten den Verfasser dieser Besprechung nachdenklich. Man wünscht dem Buch viele aufmerksame Leser.


Hans Schwarz, Regensburg