Esoterik / Psychoszene

Das 17. „Rainbow Spirit Festival“ hat in Berlin stattgefunden

Seit 16 Jahren wird immer zu Pfingsten in Baden-Baden das Rainbow Spirit Festival veranstaltet, das sich als Angebot zum Feiern und Austauschen für spirituell Suchende versteht. Jetzt kam es erstmals vom 12. bis 14. November 2010 nach Berlin. Initiiert wurde das Festival von Teresa und Thomas Sura. Zusammen mit Heinrich Großmann betreibt Thomas Sura, der als Sannyasin den Namen Mariam trägt, die „One Spirit GmbH“ in Baden-Baden, die das Festival organisiert. Zur Entstehung und Entwicklung des Festivals äußern sich Teresa und Thomas Sura ausführlich auf „Jetzt-TV“, der Internetplattform für Satsang und andere „spirituelle Lehrer und weise Menschen“ (www.jetzt-tv.net). Zunächst waren sie selbst Aussteller mit einem Meditationszentrum auf Esoterikmessen. Sie fanden diese allerdings zu anstrengend, zu kommerziell orientiert und sie vermissten einen inhaltlichen Anspruch und Austausch. Für ihr eigenes Festival unter dem Motto „Love – Live – Laughter – Now!“, das 1994 zum ersten Mal im Kongresshaus in Baden-Baden stattfand, nennen sie drei wichtige Anliegen: Sie suchten ansprechende Räume und eine schöne Umgebung. Außerdem wollten sie „der Spiritualität mehr Raum geben“. Hier bezieht sich Thomas Sura auf seine Erfahrungen als Sannyasin in Poona im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh (Osho). Ähnlich wie dort sollte das Festival Gelegenheit zum gemeinsamen Singen und Tanzen geben, zur Innenschau, zum Austausch und zur Begegnung. Wie ein „Familienfest“ möchte das Festival ein Treffpunkt für Menschen sein, die sich schon lange kennen oder die in ähnlicher Weise spirituelle Entwicklung suchten. Allerdings wollten Teresa und Thomas Sura kein „Satsang-Festival“ oder „Sannyas-Festival“ veranstalten. Als weiteren wichtigen inhaltlichen Aspekt für ihre Veranstaltung nennen die Initiatoren „Toleranz und Akzeptanz“ von „unterschiedlichen Wegen, die alle zum selben Ziel führen, wie immer du es dann nennst: Gott, das Eine oder was auch immer“. So kommt es, dass auf dem Festival ganz verschiedene Aussteller und Veranstalter aus den Bereichen Psychoszene, alternative Heilszene und Esoterik zu finden sind.

Ein Schwerpunkt liegt allerdings ganz deutlich auf Satsang und westlichen Transformationen fernöstlicher Spiritualität. Für die gewünschte spirituelle Offenheit und Vielfältigkeit steht das Regenbogenmotiv im Titel des Festivals.Angeboten werden zahlreiche Vorträge, Workshops, Konzerte und eine weitläufige Ausstellung, auf der sich Anbieter aus den verschiedenen Szenen mit Ständen vorstellen können. Zur Auswahl der Anbieter sagen Teresa und Thomas Sura, dass sie sich in den ersten Jahren gezielt um bestimmte Lehrer und Künstler bemüht hätten. Als sich das Festival etabliert hatte, meldeten sich verschiedene Anbieter von sich aus an. Um ein „gutes spirituelles Niveau“ zu halten, lehnen die Initiatoren alles ab, was ihnen „zu jahrmarktmäßig“ (z. B. „Computerhandlesen“) vorkommt, alles, bei dem „der kommerzielle Aspekt im Vordergrund“ zu stehen scheine, sowie Anbieter, bei denen der Verdacht auf „sektenähnliche Strukturen“ und „Machtmissbrauch“ bestehe. Über die Jahre seien sie aber bei der Zulassung toleranter geworden. Sie möchten niemandem die Teilnahme verwehren, „der sich ernsthaft auf einem Weg befindet“. Nicht toleriert werden „Übergriffe“ auf Teilnehmer. Wenn ihnen grenzwertige Vorfälle gemeldet werden, würde der entsprechende Anbieter zu weiteren Festivals nicht mehr zugelassen. Nach ihrer Beobachtung finde bei Teilnehmern, die über einen längeren Zeitraum regelmäßig am Festival teilnehmen, eine Entwicklung statt. Wer zunächst eher etwas „Esoterisch-Jahrmarktmäßiges“ gesucht habe und mehr an „Phänomenen“ als an einer „Innenschau“ interessiert gewesen sei, fange an, sich zu verändern.Persönliche Schwerpunkte des Festivals sehen die Veranstalter einerseits in der Stille und andererseits im Feiern, in Musik und Tanz. Sie begründen dies selbst mit einer gewissen Sättigung an „spiritueller Lehre“. Mit der Zeit habe man „alles schon einmal gehört“. In den letzten Jahren neu dazu gekommen seien kreative Angebote für Erwachsene. „Lebendiger, fröhlicher, mehr Miteinander, weniger Kommerz“ – so umschreiben Teresa und Thomas Sura ihre Vorstellung vom Festival. Im Vorfeld der Großveranstaltung erscheint jeweils eine Sondernummer des Magazins „Visionen“ (Redaktion: „One Spirit GmbH“). Es wird an etwa 40.000 Interessenten verschickt. Darin finden sich Informationen über alle auftretenden „spirituellen Lehrer“ und über Themenschwerpunkte sowie ein detailliertes Programm. Im Jahr 2009 sollen laut Veranstalter 5.000 Besucher an dem traditionellen Festival zu Pfingsten teilgenommen haben. In Berlin dürfte im Herbst 2010 die Besucherzahl weit darunter gelegen haben, nicht zuletzt, weil dort das Festival weniger bekannt ist.

Auf dem Berliner Festival in der „STATION“ in Kreuzberg präsentierten sich laut Veranstalter über 100 Aussteller, und es fanden etwa 150 Einzelveranstaltungen statt. Es waren zahlreiche Satsang-Lehrer vertreten, u. a. Sri Vast, Christian Meyer und Madhukar, sowie Tantra-, Yoga- und Tian-Gong-Anbieter. Unter den Ausstellern war z. B. das bereits in die Kritik geratene „Yoga Vidya“ anzutreffen. Einige Vertreter, die der Psychoszene zugerechnet werden können, traten auf, z. B. der „Mentaltrainer“ Ralf Bihlmaier sowie Veit Lindau und Manfred Mohr mit ihren Coaching-Angeboten für „mehr Erfolg“ bzw. „mehr Kontakt mit dem eigenen Herzen“. Zu den Ausstellern zählte auch das Avatar-Kurssystem von Harry Palmer. Bettina Hallifax stellte „The Journey“ vor, eine „Selbstheilungspraxis“ von Brandon Bays. Der Bereich alternative Heilung („Heilenergetik“, „Geistheilung“ etc.) und Therapie war neben Satsang am stärksten präsent. Hier stellten z. B. Bettina und Ramoda Austermann ihre Theorie und Therapie des „verlorenen Zwillings“ vor: Demnach lassen sich viele psychische Probleme und Beziehungsschwierigkeiten darauf zurückführen, dass man im Mutterleib einen Zwilling verloren habe, von dem man meist nichts wisse. Mit Rainer Franke konnte man sich „freiklopfen“. Beate Bunzel-Dürlich sprach über „das Phänomen systemischer Aufstellung“. Nicole Valentine referierte über „Lichtkinder“. Sie hat zahlreiche neue Chakren entdeckt und vertreibt Bettwäsche und T-Shirt-Symbole, die ihr als Medium angeblich aus der „geistigen Welt“ gechannelt worden sind. Antje und Edwin Eisele boten „Live-Channeling“ an und ließen ihren Engel „Lichtlord Metatron“ die aktuellen Weltgeschehnisse deuten. Mehrere Schamanen, der Druide Philip Carr-Gomm, der seit 1988 den Druidenorden „Order of Bards, Ovates und Druids“ (OBOD) leitet und Wicca und Druidentum zum „Druidcraft“ verbindet, sowie eine Hexe mit Theologiestudium (Stefanie Glaschke) traten mit eigenen Veranstaltungen auf.Außerdem fanden zahlreiche Konzerte statt: mit Mantragesängen, New-Age-Musik und musikalischen Versatzstücken aus der Sufitradition, mit indischer und indianischer Musik. Ein gewisser Schwerpunkt im Programm lag auf dem Thema Ernährung.2011 wird das jährliche Rainbow Spirit Festival nicht mehr in Baden-Baden, sondern in München stattfinden.

Als Gründe für den Ortswechsel geben Teresa und Thomas Sura unter anderem wachsende Besucherzahlen und steigende Kosten in Baden-Baden an. Die von Thomas Sura geführte One Spirit GmbH richtet neben dem Festival seit 1996 unter dem Namen „Harmony World“ ebenfalls jährlich in Baden-Baden eine „Fachmesse für ganzheitlichen Handel“ aus. Im Jahr 2010 fand außerdem zum zweiten Mal ein „Music & Dance Festival“ statt.Das Rainbow Spirit Festival bietet die Möglichkeit, verschiedene Angebote aus den Bereichen Esoterik und Psychoszene kennenzulernen und auszuprobieren. Es unterstützt damit den in diesen Kreisen charakteristischen Trend zur „spirituellen Wanderschaft“. Wünschenswert wäre eine stärkere szeneinterne Auseinandersetzung mit problematischen Seiten bestimmter Angebote und Praktiken, die sich nicht auf die Kritik am „Kommerz“ des Esoterikmarktes beschränkt.


Claudia Knepper