Schalom Aleikum. Jüdisch-muslimischer Dialog

Seit Juni 2019 bringt die jüdisch-muslimische Initiative „Schalom Aleikum!“ des Zentralrats der Juden in Deutschland Angehörige dieser beiden religiösen Minderheiten zusammen. Ziel ist neben dem Abbau gegenseitiger Vorurteile auch das Entdecken gemeinsamer Interessen.

Alexander Benatar
Logo der Jüdisch-Muslimischen Dialoginitiative SCHALOM ALEIKUM

„Schalom Aleikum!“ – „Friede sei mit Dir!“ Diese hebräisch-arabische Wortschöpfung steht sinnbildlich für das Ziel der gleichnamigen Initiative für jüdisch-muslimischen Dialog.1 Motiviert durch die Erkenntnis, dass der zunehmende Rechtsextremismus in Deutschland die religiösen Minderheiten Islam und Judentum gleichermaßen bedroht, rief der Zentralrat der Juden in Deutschland im Juni 2019 sein bundesweit bislang einmaliges Projekt „Schalom Aleikum“ ins Leben. Dieses bietet eine institutionalisierte Plattform für das persönliche Gespräch zwischen Juden und Muslimen.2

„Wir müssen den Austausch verstärken, um Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen abzubauen. Der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft müssen wir entgegenwirken“, fasst Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Intention hinter „Schalom Aleikum“ zusammen.3  Dabei soll ausdrücklich die Funktionärsebene verlassen werden und stattdessen ein Kreis dialogbereiter Multiplikatoren aus der breiten Bevölkerung miteinander ins Gespräch kommen. Auf einer Reihe von Podiumsdiskussionen und Abendveranstaltungen trafen sich seit dem letzten Sommer jüdische und muslimische StartUp-Gründer und Influencer ebenso wie LehrerInnen und SeniorInnen an verschiedenen Orten in Deutschland. „Schalom Aleikum“ gab ihnen eine Bühne, über gemeinsame Herausforderungen ihres Berufs- und Privatlebens als Angehörige einer religiösen Minderheit in Deutschland zu sprechen. Natürlich sollten dabei auch gegenseitige Vorurteile abgebaut werden. Deradikalisierung sei zwar nicht der Anspruch dieses Dialogprojekts, so heißt es im Zentralrat der Juden, es gehe bei „Schalom Aleikum“ aber doch zumindet um Prävention.4 

Dass der gegenseitige Austausch für beide Seiten durchaus gewinnbringend sein kann, zeigte sich zuletzt Ende Februar bei einem Treffen homosexueller Jüdinnen und Muslime, zu dem „Schalom Aleikum“ unter anderem Mitglieder des jüdischen Vereins „Keshet“ (hebräisch für „Regenbogen“) zu einer Diskussionsveranstaltung in die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin einlud. Bald wurde klar, dass die anwesenden homosexuellen Männer und Frauen in ihren jeweiligen religiösen Communities durchaus ähnliche Diskriminierungserfahrungen machten.5 Potenziale für eine jüdisch-muslimische Solidarisierung aufzuzeigen ist auch eine Intention der projekteigenen Buchreihe, deren erster Band „Mutige Entdecker bleiben“ im Dezember 2019 bei Hentrich & Hentrich erschien.6  Auf 80 Seiten werden darin jüdische und muslimische Senioren in Deutschland mit ihren unterschiedlichen, immer wieder aber auch vergleichbaren Migrationserfahrungen zwischen den Religionen und Kulturen porträtiert. Gerade ältere Menschen könnten die nötige Ruhe und Ausgeglichenheit in den jüdisch-muslimischen Dialog einbringen, so die Hoffnung.7 

„Schalom Aleikum“ tritt modern auf, verfügt über eine zeitgemäße eigene Website und ist präsent auf Facebook und Instagram. Nicht zuletzt ihr beherztes öffentliches Auftreten bescherte der Dialoginitiative bislang ein überaus wohlwollendes Medienecho. Auch die Bundesregierung förderte das Projekt von Anfang an. „Der gemeinsame Dialog zwischen Juden und Muslimen trägt dazu bei, Vorurteile und Ressentiments erst gar nicht entstehen zu lassen“, wird Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, auf der Website von „Schalom-Aleikum“ zitiert.8 Sie weiß allerdings auch: „Dialog braucht Zeit.“ Im Dezember 2019 beschloss die Bundesregierung daher, die Förderung für das Projekt „Schalom Aleikum“ um zwei weitere Jahre zu verlängern.9 

Anmerkungen

1 https://www.schalom-aleikum.de/.
2 Nadja Erb: „Rechtsextremismus hat Juden und Muslime zum Angriffsziel.“ In: Frankfurter Rundschau, 19.01.2020 (URL: https://www.fr.de/politik/josef-schuster-rechtsextremismus-juden-muslime-angriffsziel-13448495.html?fbclid=IwAR1DWMBLE9YK91w22FiJXwdMB18XkYFLgY1kzGYOSra5FjrjF7sUr_A9lrk).
3 https://www.schalom-aleikum.de/about/.
4 „Schuster: Juden und Muslime machen beide Ausgrenzungserfahrungen.“ In: evangelisch.de, 13.11.2019 (URL: https://www.evangelisch.de/inhalte/162491/13-11-2019/schuster-juden-und-muslime-machen-beide-ausgrenzungserfahrungen).
5 Gerd Brendel: „Kampf um Anerkennung.“ In: Deutschlandfunk Kultur, 22.03.2020 (URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/queere-glaeubige-kampf-um-anerkennung.1278.de.html?dram:article_id=472900).
6 https://www.hentrichhentrich.de/buch-mutige-entdecker-bleiben.html.
7 Ita Niehaus: „Juden und Muslime entdecken Gemeinsamkeiten.“ In: NDR Kultur, 01.11.2019 (URL: https://www.ndr.de/ndrkultur/sendungen/freitagsforum/Juden-und-Muslime-entdecken-Gemeinsamkeiten,freitagsforum790.html).
8 https://www.schalom-aleikum.de/about/.
9 Ayala Goldmann, Katrin Richter: „Wir machen weiter.“ In: Jüdische Allgemeine, 22.12.2019 (URL: https://www.juedische-allgemeine.de/politik/wir-machen-weiter-2/?fbclid=IwAR36LogdnfAKElteP6zshq5zKJ9uWP98ctaJSlZ_IgIZB-APTZmIdr7O8HA).

Alexander Benatar

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