Für den Kampf gegen autoritäre rechte Netzwerke bedarf es, so eine neue NGO, einer religionsübergreifenden und transnationalen Vernetzung. Eine Meldung über den Weblaunch des Projekts Faith in Democracy.
Faith in Democracy – Religionsübergreifend gegen die religiöse Rechte

In einer Welt, die sich einerseits von zunehmender Globalisierung, Säkularisierung und Mediatisierung, andererseits aber auch von multiplen Krisen, Konflikten und Kriegen bestimmt sieht, wird Religionen und ihren Angehörigen oft eine eher konfliktverschärfende als -schlichtende Rolle zugesprochen. Religiöser Glaube beschränke sich schließlich in den seltensten Fällen allein auf die individuell-spirituelle Gewissheit, sondern greife als ganzheitliche Bestimmung menschlicher Existenz unweigerlich und unwillkürlich auch auf das soziale Miteinander aus und suche dieses den eigenen (und nicht selten transzendent legitimierten) Vorgaben entsprechend zu gestalten. Vor diesem Hintergrund erfahren sich religiöse Menschen in mindestens zweierlei Weise herausgefordert: Zum einen müssen sie sich fragen, inwiefern sie selbst mit ihrem (oft selbstbewusst vorgetragenen) Anspruch auf (exklusive) Wahrheit zur Konfliktverschärfung beitragen. Zum anderen sehen sie sich angesichts dieser Gefährdung dazu veranlasst, die der eigenen Religion zugeschriebenen Potentiale zur Konfliktschlichtung, zur Ambiguitätstoleranz sowie zur Förderung des demokratischen Zusammenhalts herauszuarbeiten.
Genau an dieser Schnittstelle setzt die neugegründete internationale Nichtregierungsorganisation Faith in Democracy (Inc./e.V.) an, die zur Stärkung der Demokratie ausdrücklich und religionsübergreifend das Potential von Glaubensvertretern in den Blick zu rücken und diese über Religionsgrenzen hinweg im Kampf gegen religiösen Nationalismus, Anti-Gender-Mobilisierung und die globale religiöse Rechte zu unterstützen sucht. Im vergangenen Monat hat die in den USA gegründete NGO Faith in Democracy auf diversen religionsbezogenen Plattformen ihren offiziellen Launch, das strategische Konzept sowie ihren Leitungskreis vorgestellt: Gründerin und Direktorin der NGO ist die presbyterianische Pfarrerin Jennifer Butler, die bereits 2006 eine vielbeachtete Studie (Born Again: The Christian Right Globalized) zum Aufstieg einer transnationalen religiösen Rechtsbewegung vorgelegt und nach einer Tätigkeit bei den UN als Kirchenabgeordnete für Geschlechtergleichstellung, Kinderrechte und Frieden im Nahen Osten und der Leitung von Faith in Public Life (FPL) in den Jahren 2015 bis 2016 dem dritten Rat für Glauben und Nachbarschaftspartnerschaften im Weißen Haus unter Präsident Obama vorgestanden hat. Stellvertretender Direktor ist der Religions- und Politikwissenschaftler Gionathan Lo Mascolo, der an der Schnittstelle von Religion, Politik und Extremismus forscht und 2023 einen umfangreichen Sammelband zur Christian Right in Europe bzw. zu religiös motivierten rechtsextremen Netzwerken in Europa vorgelegt hat. Die dort in über zwanzig Beiträgen beschriebenen Netzwerke stellen in der Verbindung von Rechtsbeistand, politischem Einfluss und Medienarbeit zentrale Errungenschaften der Moderne wie Geschlechtergerechtigkeit, Minderheitenrechte und Demokratie in Frage.
Angesichts der in weiteren Feldforschungen beobachteten transnationalen Strategie dieser Netzwerke, Religion gezielt als Instrument gegen Menschenrechte und demokratische Institutionen einzusetzen, bedürfe es, so Faith in Democracy (FiD) auf der neuen Website, auch transnationaler Antworten auf die damit verbundene Herausforderung. Dazu gehöre neben der Vernetzung der Glaubensakteure selbst die Unterstützung in der Narrativentwicklung, der Bekämpfung von Desinformation, der Präventionsarbeit und der „strategischen Kampagnenführung“. Glaubensgemeinschaften stellen, so FiD, „die vertrauenswürdigsten zivilgesellschaftlichen Strukturen weltweit“ und können dort, wo sie über Traditionen und Grenzen hinweg miteinander in Verbindung treten, auf der Basis ihres Engagements für die Menschenwürde „Desinformation eindämmen, das Zugehörigkeitsgefühl stärken und zur Wiederherstellung demokratischer Normen beitragen“. Sie pflegen Grenzen überwindende „Traditionen der Solidarität“, motivieren zum Einsatz für Gesellschaften, „in denen alle Menschen in Würde und Respekt leben können“ und stellen sich damit gemeinsam gegen alle Formen von Autoritarismus, welche die bei gläubigen Menschen Anklang findenden „Werte wie Gott, Familie und Vaterland“ zu „Instrumenten der Ausgrenzung“ und „Religion als Waffe“ missbrauchen.
Glaube sei daher, so FiD, nicht als Problem, sondern als „Teil der Lösung“ zu betrachten. Nur bedürfe es dazu der Unterstützung all derjenigen, die sich als „Verteidiger der Demokratie auf der Grundlage des Glaubens“ schon heute für Pluralismus und Rechte einsetzen, bislang aber im politischen Kontext oft übersehen werden und damit als wichtige Verbündete in der Verteidigung der Demokratie fehlen. FiD möchte sich als internationale NGO dafür einzusetzen, „Glaubensgemeinschaften weltweit und ihre Verbündeten durch Schulungen, Vernetzung und Kampagnen zu stärken“. Über einen Newsletter stellt sie regelmäßig Berichte über die globale religiöse Rechte, ihre Bekämpfung und aktuelle Entwicklungen zur Verfügung und weist zugleich auf regelmäßige Online-Veranstaltungen zu aktuellen Themen hin.
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Ansprechpartner
PD Dr. theol. Rüdiger BraunAuguststraße 80
10117 Berlin


