03.05.2024

40 Jahre „Sekteninfo NRW“

Ein besonderer Jahresbericht der Beratungsstelle Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e.V. mit ausführlichem Rückblick

Bernhard Lauxmann

Die Beratungsstelle Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e.V. („Sekteninfo NRW“) feiert am 24. Mai 2024 ihr 40jähriges Bestehen. Die kostenlose Beratung des Teams aus Essen ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Weltanschauungsarbeit. Eine Besonderheit der Spezialberatungsstelle ist das Angebot einer integrierten Rechtsberatung.

Rückblick und Statistik

Ende April hat die „Sekteninfo NRW“ ihren Jahresbericht für das Jahr 2023 vorgelegt. Sie nutzt diesen Bericht auch für eine Rückschau auf vierzig Jahre erfolgreiche Beratungsarbeit in einem Arbeitsumfeld, für das „immer wieder neue Ideologien“ und „der ständige Zeitdruck“ charakteristisch sind. Der Jahresbericht umfasst mehrere inhaltliche Beiträge.

Der von Christoph Grotepass vorgelegte „Bericht über die Arbeit des Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e.V. und über Aktivitäten konfliktträchtiger religiöser Gemeinschaften in 2023“ (Link) bietet etliche statistische Einsichten zur Beratungsarbeit. Am meisten Beratungsbedarf gab es zu kleinen Gruppen und konkreten Einzelanbieter*innen. Ein großer Teil der Rechtsberatung durch die „Sekteninfo NRW“ umfasste Fragestellungen zum Thema Kinderschutz beziehungsweise Kindeswohlgefährdung. Insgesamt hat das Team im Jahr 2023 mehr als 1000 konkrete Anfragen registriert und bearbeitet. Die meisten Anfragen betrafen die Kategorie der „Psychogruppen“. An zweiter Stelle kamen die „fundamentalistischen Gruppen“ zu stehen, gefolgt vom „Bereich der Esoterik“ auf dem dritten Platz.

Der überaus erhellende Beitrag „40 Jahre Beratungs- und Informationsarbeit zu konfliktträchtigen religiösen Gemeinschaften und kein Ende in Sicht“ (Link) von Sabine Riede empfiehlt sich für alle zur Lektüre, die sich mit dem Sinn und den veränderten Rahmenbedingungen weltanschaulicher Beratung befassen wollen. Beratungsarbeit im weltanschaulichen Feld hat sich im Laufe der Zeit inhaltlich massiv verändert. Dieser Artikel gewährt konkrete Einblicke in diese veränderte Nachfragesituation und das entsprechend adaptierte Angebot in den letzten Jahrzehnten. Während etwa nach der Jahrtausendwende die Esoterik eine immer größer werdende Rolle spielte und der breit gefächerte Markt religiös-spiritueller Lebenshilfe verstärkt in den Blick rückte, nehmen seit 2020 vor allem Beratungsgespräche im Feld von Verschwörungs­erzählungen viel Raum ein. Zuletzt haben sich die Anfragen und Beratungsfälle zu Coaching-Angeboten, vor allem auch im Digitalen, gehäuft.

Einen besonderen Fokus legt Anja Gollan mit einem ausführlichen Beitrag zum Thema „Aufwachsen mit Verschwörungstheorien und Staatsablehnung – Kinderschutz im Kontext des ‚Reichsbürger-‘, ‚Selbstverwalter-‘‚ und ‚Delegitimierer-Milieus‘“ (Link). Dieser Artikel verweist auf ein Thema, das in der Arbeit der „Sekteninfo NRW“ einen besonderen Schwerpunkt bildet und vor allem auch in juristischer Hinsicht stark herausfordert.

Ehemalige Leiterin sieht steigenden Beratungsbedarf

Sabine Riede, die die „Sekteninfo NRW“ viele Jahre lang geprägt und als Geschäftsführerin und Leiterin maßgeblich zum Erfolg der Beratungsstelle beigetragen hat, tritt nunmehr in den Ruhestand. Die Geschäftsführung und Leitung der Beratungsstelle hat ihr bisheriger Stellvertreter, der evangelische Theologe Christoph Grotepass (*1965), übernommen.

Sabine Riedes persönlicher Rückblick auf „42 Jahre soziale Arbeit für Betroffene konfliktträchtiger religiöser Gemeinschaften“ (Link) sei an dieser Stelle gesondert zur Lektüre empfohlen. Auch dieser Beitrag ist Teil des Jahresberichts in seiner aktuellen PDF- und Printversion. Riede kennt die Herausforderungen der weltanschaulichen Beratungsarbeit wie kaum eine andere und hat sich trotz Klageandrohungen, Situationen finanzieller Unsicherheit und wiederkehrender Bagatellisierung von Menschenrechtsverletzungen massiv für die Weltanschauungsarbeit eingesetzt – ausdrücklich auch im Gespräch mit den kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten beider Konfessionen. Wenn sie sich etwas wünschen könnte, so wäre dies, „dass mehr Bundesländer bereit wären, so eine Beratungsstelle zu finanzieren“.  Warum? Weil die Entwicklungen in ihren Augen doch überdeutlich zeigen würden, „dass sich der Bedarf an Beratung und Information im welt­anschaulichen Kontext in den letzten 40 Jahren ständig verändert hat und leider weiter gestiegen ist.“2

Wir gratulieren der „Sekteninfo NRW“ herzlich zum Jubiläum, danken für die ausgezeichnete Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren und wünschen alles Gute für die weitere Arbeit des Teams der Beratungsstelle in, so scheint es, zunehmend turbulenten Zeiten. Alles Gute!

Bernhard Lauxmann

 

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Ansprechpartner

Dr. theol. Bernhard Lauxmann
Wissenschaftlicher Referent
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
10117 Berlin