Friedmann Eißler

Zur Situation der Eziden

Frauen und Mädchen werden verschleppt, misshandelt, vergewaltigt, versklavt. Menschen kämpfen ums nackte Überleben. Der Existenzkampf der religiösen Minderheiten in den umkämpften Krisengebieten des Nordiraks und Syriens ist von unerträglichem Leid gezeichnet. Neben Christen und Schiiten sind besonders die Eziden1 betroffen, deren Hauptsiedlungsgebiet in Shingal (Nordirak) vom sogenannten „Islamischen Staat“ eingenommen oder bedroht ist. Es könnte das Ende eines Volkes und seiner Religion bevorstehen, fürchten nicht wenige.

Anfang August 2014 sprach die Gesellschaft für bedrohte Völker (Göttingen) von einem beginnenden Völkermord. In den nordwestirakischen Sindschar-Bergen waren bis zu 50 000 Eziden von der Umwelt abgeschnitten und vom Tod durch die IS-Milizen oder durch Hunger und das schutzlose Ausgeliefertsein an die klimatischen Bedingungen bedroht. Viele Eziden waren zuvor von Syrien in den Irak geflohen. „Die islamistische Terrorgruppe IS hat seit Anfang Juni mindestens 500 000 Yeziden, christliche Assyrer/Aramäer/Chaldäer, Shabak und sunnitische, schiitische sowie Kakai-Kurden vertrieben. Tausende wurden getötet oder verschleppt. Viele Nicht-Muslime wurden und werden unter Anwendung von Gewalt zum ‚wahren Islam‘ gezwungen.“2

„Der Hölle entkommen“ lautete der Titel eines Berichts, den Amnesty International im Dezember 2014 veröffentlichte. Er wertete Interviews mit ezidischen Frauen und Mädchen aus, die nach eigenen Angaben aus IS-Gefangenschaft fliehen konnten. Die Aussagen belegen die äußerste Brutalität, mit der die IS-Anhänger vorgehen. Viele der als Sexsklavinnen gehaltenen Ezidinnen seien nicht älter als 14 oder 15 Jahre, einige jünger.3

Derzeit werden nach und nach rund 650 Frauen und Mädchen aus Syrien und dem Nordirak nach Baden-Württemberg gebracht, die meisten von ihnen Ezidinnen. Das Bundesland legte ein 30 Millionen Euro umfassendes Sonderprogramm auf, um IS-Opfern therapeutisch zu helfen.

Zur Zeit der äußersten Zuspitzung der Ereignisse kam es zu Ausschreitungen gegen Eziden in Deutschland.4 So gingen in Herford Eziden und Muslime, darunter Sympathisanten des IS, mit Waffen aufeinander los. Vorausgegangen war eine Attacke gegen Eziden, die zu einer Demonstration gegen den IS aufgerufen hatten. Rainer Hermann schrieb in der FAZ: „Wer geglaubt hatte, dass uns weder der Bürgerkrieg in Syrien etwas angehe noch die Barbarei des ‚Islamischen Staats‘ im Irak, wird jetzt eines Besseren belehrt. Wie weit entfernt Karakosch, das bis Mitte der Woche das Zentrum der irakischen Christen war, und Sindschar, der Berg der Yeziden, auch liegen mögen: Was dort geschieht, wirkt sich auch in Deutschland aus. Seit Sympathisanten des ‚Islamischen Staats‘ in Herford auf offener Straße Yeziden angegriffen haben, sind Karakosch, Sindschar und Herford nicht mehr zu trennen.“5

Eziden stehen als nichtmuslimische Kurden doppelt unter Druck. Lange Zeit geschahen Diskriminierung und Verfolgungen, ohne von einer größeren Öffentlichkeit beachtet zu werden. Von der muslimischen Umgebung wurden und werden die Eziden landläufig als „Ungläubige“ und „Teufelsanbeter“ betrachtet.6 Ein Versuch von muslimischer Seite, sie angesichts der Gräueltaten des IS als zu schützende Minderheit darzustellen und sich damit auch gegen bislang übermächtige islamische Traditionen zu wenden, war zuletzt der „Offene Brief an al-Baghdadi“ von über 120 islamischen Gelehrten, der an Abu Bakr al-Baghdadi, den Anführer des „Islamischen Staates“, gerichtet war. Er wurde am 19. September 2014 veröffentlicht, sechs Wochen nach Beginn der schlimmsten Pogrome. Der islamisch-theologisch geprägte Text enthält eine Zurückweisung des IS-Dschihads, die Punkt für Punkt die als relevant erachteten religionsgesetzlichen Aspekte durchgeht und die IS-Ideologie mit einer Fülle von Zitaten aus Koran und Sunna zu widerlegen sucht.7 Zu den Eziden schreiben die Gelehrten in der einleitenden Zusammenfassung: „Es ist im Islam verboten, Christen und allen ‚Schriftbesitzern‘ – in jeder erdenklichen Art – zu schaden oder sie zu misshandeln. Es ist eine Pflicht, die Eziden als Schriftbesitzer zu erachten.“ Im 11. Abschnitt unter der Überschrift „Eziden“ heißt es: „Ihr bekämpftet die Eziden unter dem Banner des Dschihad, doch weder bekämpften sie euch, noch die Muslime. Ihr erachtetet sie als Satanisten und gabt ihnen die Wahl, entweder getötet zu werden oder den Islam anzunehmen. Ihr tötetet Hunderte von ihnen und begrubt sie in Massengräbern. Ihr verursachtet den Tod und das Leid Hunderter anderer. Wären die Amerikaner und Kurden nicht eingeschritten, dann wären Tausende ihrer Männer, Frauen, Kinder und Alten gestorben. All dies sind abscheuliche Verbrechen. Aus islamrechtlicher Sicht sind diese Menschen ‚Madschus‘ (‚Magier‘), denn der Prophet – Frieden und Segen seien auf ihm – sagte: ‚Behandelt sie wie die Schriftbesitzer.‘ [Imam Malik] Daher sind sie Schriftbesitzer. Gott sagt: ‚Gewiss, diejenigen, die glauben, und diejenigen, die dem Judentum angehören, und die Sabier und die Christen und die Madschus und diejenigen, die Götzendiener sind – gewiss, Allah wird am Tag der Auferstehung zwischen ihnen entscheiden; Allah ist ja über alles Zeuge.‘ (Sure 22,17) Sogar wenn ihr Zweifel darüber hegt, dass sie aus islamrechtlicher Sicht Schriftbesitzer sind, zählten viele der frommen Altvorderen (as-salaf as-salih) sie als Madschus aufgrund des vorher erwähnten Hadith. Die Umayyaden erachteten sogar die Hindus und Buddhisten als Dhimmis (Schutzbefohlene).“ Eine positive Wirkung oder auch nur eine breitere Aufnahme des Briefes über ein sehr schmales Segment interessierter Intellektueller hinaus ist allerdings nicht bekannt geworden. Bei den meisten Muslimen dürfte eine solche Einschätzung noch nicht angekommen sein.

Verbreitung

Religionsstatistische Zahlen sind schon ohnehin oft schwer zu erheben. Für die Eziden gehen die Schätzungen besonders weit auseinander. Lebten vor August 2014 etwa 50 000 (REMID 2011: 60 000) Eziden in Deutschland – von denen rund die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt –, so sind es heute „vorsichtig geschätzt mindestens 100 000“, sagt Şefik Tagay, Psychologe und Psychotherapieforscher in Essen und Vorsitzender der Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen (die Gesellschaft für bedrohte Völker nennt etwas niedrigere Zahlen). Davon kommt etwa jeder zweite aus der Türkei, 30 000 sind aus dem Irak, etliche Tausend aus Syrien, weitere aus Georgien, Armenien, Russland und anderen Ländern.

Die Eziden leben als bedrängte Minderheit einer Minderheit – der Kurden – in den Kurdengebieten im Irak, in kleinerer Zahl in Syrien, in der Südosttürkei, im Iran sowie im Kaukasus. Weltweit wird ihre Gesamtzahl von manchen Experten auf „höchstens“ 500 000 geschätzt, meist wird allerdings die Zahl von rund 800 000 genannt, deren Hauptgebiete in der Gegend um die Millionenstadt Mossul und im nahegelegenen Sindschar-Gebirge liegen. Unweit von Mossul befindet sich auch Lalish, das religiöse Heiligtum der Eziden. Schon lange sahen sich Eziden aufgrund fortgesetzter religiöser Repression gezwungen auszuwandern. Wichtigste Zufluchtsländer sind Deutschland, Schweden, Frankreich, Australien, Kanada und die USA. Allein in Schweden leben mittlerweile 15 000 Eziden, überwiegend aus dem Irak.

Eziden in Deutschland

Nach Deutschland kamen die Eziden in großer Zahl ab Mitte der 1980er Jahre, die meisten aus der Türkei. In den 1990ern stießen verstärkt Familien aus dem Irak hinzu, mit dem Zerfall der Sowjetunion – der für die Eziden als kleine, wenig institutionalisierte Gruppe gravierende Folgen hatte – auch aus Zentralasien. 1993 hatte sich in Deutschland die rechtliche Anerkennung der Eziden als Gruppenverfolgte allgemein durchgesetzt. Dabei hatten sich das Land Nordrhein-Westfalen und die Gesellschaft für bedrohte Völker besonders intensiv für das Bleiberecht der Zugewanderten und Flüchtlinge eingesetzt. Weitere Flüchtlingswellen setzten nach dem Ende des zweiten Irakkriegs (2003) und dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs (2011) ein, da die Eziden erhöhtem religiösem Fanatismus ausgesetzt waren. Die meisten Eziden leben in Niedersachsen (Raum Oldenburg, Celle, Hannover, Kleve) und Nordrhein-Westfalen (Raum Bielefeld). Bedeutende Gemeinden gibt es aber auch etwa in Hessen (Lollar bei Gießen), in Baden-Württemberg (Pforzheim, Offenburg) und Bayern (Augsburg).

Inzwischen haben sich hierzulande etwa vierzig ezidische Vereine bzw. Organisationen gebildet. Der größte Verband mit mindestens fünfzehn Mitgliedsgemeinden ist die Föderation der Ezidischen Vereine e. V. (FKÊ), in der sich primär Eziden aus dem Gebiet der Türkei zusammenfinden (www.dergush.org). Eine viel kleinere Zahl von Gemeinden vertritt der 2007 gegründete Zentralrat der Yeziden in Deutschland mit Sitz in Oldenburg, der auf der Internetseite vier Mitgliedsvereine verzeichnet, darunter das Yezidische Forum Oldenburg (www.yeziden.de). 2014 wurde der Verband ezidischer Gemeinden ins Leben gerufen, der vor allem irakischen Eziden eine Heimat gibt. Eine Reihe von unabhängigen Gemeinden, darunter Lollar (Ezidische Gemeinde Hessen e. V.), Bielefeld und andere, ist offenbar dabei, einen weiteren, vierten Verband zu gründen. Für die Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Verband sind häufig die Herkunftsregion und damit zusammenhängende politische Orientierungen maßgebend, deren Spannungen sich auch in internen Machtkämpfen äußern.

Besonderer Erwähnung wert sind die gewachsenen Strukturen im Bereich ezidischer Akademikerinnen und Akademiker. Seit 2010 organisiert sich eine – nicht nur ezidische – „kosmopolitische Gruppe“ in der Ezidischen Akademie e. V. (Hannover). Sie will durch unterschiedliche Veranstaltungsformate und Öffentlichkeitsarbeit die „Pflege und Diskussion des kulturellen und religiösen Erbes“ der Eziden voranbringen und deren gesellschaftliche Situation verbessern. Im Januar 2011 wurde in Zusammenarbeit mit der hessischen Ezidengemeinde die Christlich-Ezidische Gesellschaft für Zusammenarbeit in Forschung und Wissenschaft e. V. (CEG) gegründet, die ihren Sitz in Gießen hat. Gründungsvorsitzender war der Gießener katholische Systematikprofessor Linus Hauser, der inzwischen den Vorsitz an den Politologen Irfan Ortac abgegeben hat. Hier ist das interreligiöse Anliegen Programm, das die Wahrnehmung der unterschiedlichen Minderheiten im Nahen und Mittleren Osten schärfen und gegenüber einer einheitlichen Identifizierung der Kultur der Region mit dem Islam sensibilisieren will. Dazu gehört die wissenschaftliche Aufklärung über das Ezidentum. In letzter Zeit ist es um die CEG eher ruhig geworden.

Vielfältige Aktivitäten entfaltet inzwischen die Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen (GEA), die 2012 gegründet wurde und mit rund hundert Mitgliedern aus allen Teilen Kurdistans die größte ezidische Akademikerschaft weltweit bildet. Die GEA versteht sich als übergreifender „Schirm“ für alle ezidischen Akademikerinnen und Akademiker wie auch Studierende in Deutschland und international. Sie tritt für eine grenzüberschreitende wissenschaftliche Zusammenarbeit ein, um das Ezidentum nachhaltig zu erforschen, darüber hinaus für die Förderung interkultureller Verständigung sowie die Pflege der ezidischen Kultur und Religion. Mit einem ausführlichen Fragebogen (50 Fragen, in sieben Sprachen erhältlich!) wird derzeit empirisch ein „Ezidisches Identitäts-Inventar“ (EZI) erhoben, das die ezidische Identität in der Diaspora dokumentiert und wissenschaftlich auswertet. Vorsitzender und Inspirator der GEA ist der schon erwähnte Psychologe und Wissenschaftler Şefik Tagay.

Herausforderungen und Chancen

Medial vermittelt sind in der Vergangenheit immer wieder Fälle von Zwangsverheiratungen und sogenannten Ehrenmorden in ezidischen Milieus Thema der öffentlichen Diskussion gewesen. 2011 sorgte das Schicksal der dreizehnjährigen Souzan Barakat für Aufsehen, die von ihrem Vater erschossen wurde. Der Fall der jungen Ezidin Arzu Özmen (18), die von ihrer Familie entführt und Anfang 2012 hingerichtet wurde, warf die Frage auf, wie es in einer ansonsten „bestens integrierten“ Familie zu einer solchen Tat kommen konnte. Aus einer Studie des zuständigen Bundesministeriums geht hervor, dass 9,5 Prozent aller Mädchen und jungen Frauen, die sich im Jahr 2008 in Deutschland wegen einer bevorstehenden Zwangsverheiratung an eine Beratungseinrichtung wandten, aus ezidischen Familien stammten (83 Prozent aus muslimischen), während der Anteil der Eziden an der deutschen Bevölkerung weit unter einem Prozent liegt.8 Dennoch ist festzuhalten, dass solche Taten absolute Ausnahmen darstellen und von den Eziden verurteilt werden. Auch Vertreter der ezidischen Gemeinden verurteilen jeweils die Morde als Verbrechen und distanzieren sich von jeder Gewalt. In einer Pressemitteilung des Zentralrats der Yeziden vom 19.1.2011 heißt es: „Diese unmenschlichen Taten sind mit unserer Religion absolut unvereinbar. Unsere Religion erzieht uns zur Gewaltfreiheit. Das Töten anderer Menschen, aus welchem Grund auch immer, ist ein schweres Vergehen in den Augen unserer Religion. Die Verantwortlichen müssen die volle Härte des Gesetzes erfahren. Angebliche religiöse Gründe dürfen nicht als mildernde Umstände herhalten. Verharmlosung darf es nicht geben. Mord bleibt Mord.“

Das Ezidentum kennt strenge Heiratsregeln, die die Wahl eines Partners aufgrund des strengen Endogamiegebotes (des Gebots, nur innerhalb der Religionsgemeinschaft, ja innerhalb der eigenen Kaste zu heiraten) von vornherein erheblich einschränkt – was sich in der Diasporasituation zusätzlich deutlich verschärft. Besonders Mädchen und Frauen, die sich im Kontakt mit ihrer Umgebung den konservativen Vorstellungen ihrer Familien zu entziehen versuchen, stehen teilweise unter starkem Druck. Von offiziellen Vertretern werden die Traditionen als Garant für den Zusammenhalt und die Solidarität unter den Eziden bekräftigt. Nur so habe das Ezidentum die Jahrhunderte überlebt. Wie das Kastensystem selbst verlieren die ursprünglichen Pfeiler der ezidischen Gesellschaft im neuen soziokulturellen Kontext jedoch zusehends an Legitimation. Traditionelle Familienstrukturen und Sitten (wie auch z. B. das „Brautgeld“, Qelen, das zu einer Art „Frauenkauf“ entartet ist9) werden vor allem von den Jüngeren hinterfragt. Der Umgang mit patriarchalen Strukturen und deren Auswirkungen besonders auf Frauen und Mädchen werden unter Eziden heftig diskutiert, die Gemeinden sind sich der Herausforderungen bewusst. Viele sehen die Notwendigkeit einer „Reform“ des Ezidentums, die überkommene Normen und Stammestraditionen patriarchaler Gesellschaften (wie Blutrache, Wiederherstellung der „Ehre“) eindeutig abstoßen und zugleich einen konstruktiven Weg zwischen Verwestlichung und Abschottung suchen muss (die ihrerseits nicht zuletzt eine Folge von Diskriminierung, Verfolgung und Vertreibung war).

In der Mehrheitsgesellschaft kursieren gravierende Fehlvorstellungen vom Ezidentum, das sich in vieler Hinsicht nicht in gängige religiöse Schemata einordnen lässt. Das Ezidentum lässt sich weder dem hinduistischen oder buddhistischen noch dem abrahamischen (jüdisch-christlich-islamischen) Religionskreis zuordnen. Es ist eine monotheistische Religion, die aber keine Heilige Schrift kennt, die der Bibel oder dem Koran vergleichbar wäre, sondern wesentlich auf mündlicher Überlieferung beruht. Die ethnische Bindung (man wird als Ezide geboren, es gibt keine Konversion zum ezidischen Glauben und demgemäß auch keine Mission) und die Sozialstrukturen (Einbindung in das Kollektiv, Familienloyalität) lassen das Ezidentum als relativ abgeschlossen erscheinen. (Es weist in vielerlei Hinsicht übrigens frappierende Parallelen zum Alevitentum auf, sowohl in den Ausdrucksformen als auch in den Glaubensinhalten.) All dies trug zu dem Eindruck einer „Geheimreligion“ bei. Umso wichtiger und erfreulicher sind alle Bestrebungen, das Ezidentum einerseits wissenschaftlich zu erforschen und zugänglich zu machen, andererseits als Kultur und Religion zu pflegen. Zu dieser Pflege gehören im Kontext der pluralen, stark am Individuum orientierten Gesellschaft Reformen im erwähnten Sinne, die notwendige und zwangsläufige Veränderungen in zukunftsfähiger Weise mit der Bewahrung der Identität verbinden. Die steigende Zahl von akademischen Absolventinnen und Absolventen und ihre zunehmende Vernetzung macht Hoffnung für die Zukunft.


Friedmann Eißler


Anmerkungen

  1. Zur Schreibweise „Eziden“/„Ezidentum“: Es gibt keine einheitliche Schreibweise. Las man früher und in wissenschaftlichen Publikationen vorwiegend „Yeziden“, englisch „Yazidis“, scheint sich neuerdings im deutschsprachigen Raum „Jesiden“ durchzusetzen. Da zu den hartnäckigen Vorurteilen gegenüber Eziden neben „Teufelsanbeter“ auch die Verehrung des besonders schlecht beleumundeten umayyadischen Kalifen Yazid ibn Mu’awiya (644 – 683) gehört („Yazid/Yezid-Anhänger“), übernehmen wir ab jetzt die inzwischen von der Mehrheit der Eziden gebrauchte Schreibweise, die sich an der kurdischen Selbstbezeichnung orientiert (Êzîdî/Ezda/Ezdayî „Der, der mich erschaffen hat“).
  2. Gesellschaft für bedrohte Völker, Irak: Yeziden, Christen und Kurden benötigen unseren Beistand!, 25.8.2014, www.gfbv.de/pressemit.php?id=4098&stayInsideTree=1&backlink=volk.php?id=30 (alle Internetseiten in diesem Artikel zuletzt abgerufen am 2.5.2015).
  3. Vgl. Deutsche Welle, Amnesty: Jesidische Frauen von IS-Kämpfern versklavt und misshandelt, 23.12.2014, http://dw.de/p/1E91I.
  4. Siehe Friedmann Eißler, Yeziden nicht nur im Irak bedrängt, in: MD 10/2014, 389f.
  5. Rainer Hermann, Krawalle zwischen Yeziden und Islamisten – Wegschauen geht nicht mehr, FAZ vom 8.8.2014, www.faz.net/aktuell/politik/inland/krawalle-zwischen-yeziden-und-islamisten-wegschauen-geht-nicht-mehr-13086739.html
  6. Siehe dazu im nachfolgenden Beitrag S. 212.
  7. Dazu Friedmann Eißler, Muslime distanzieren sich von Gewalt und Terror – Open Letter to Al-Baghdadi, in: MD 12/2014, 443f. Eine (nicht in allem stimmige) deutsche Übersetzung des Offenen Briefes ist zu finden unter http://madrasah.de/leseecke/islam-allgemein/offener-brief-al-baghdadi-und-isis.
  8. Zwangsverheiratung in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen, Wiss. Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kurzfassung, 28.3.2011. Necla Kelek zu diesem Ergebnis: „Das kann entweder bedeuten, dass die Zwangsheirat trotz der Beteuerungen des Zentralrats unter den Jesiden stark verbreitet ist oder dass jesidische Frauen selbstbewusst sind und daher im Verhältnis zu muslimischen Frauen öfter eine der 830 Beratungsstellen aufsuchen. Oder beides.“ (In: Zwangsehe und sexuelle Unterdrückung bei Jesiden, Die Welt vom 15.1.2012; www.welt.de/13816274).
  9. Vgl. Irene Dulz in: Yeziden – Eine alte Religionsgemeinschaft zwischen Tradition und Moderne, Hamburg 2004, 91 (www.yeziden-colloquium.de).