Parapsychologie

Zu Hans Benders 100. Geburtstag. Erinnerungen an einen außergewöhnlichen Gelehrten

(Letzter Bericht: 11/2005, 424) Als „der“ Parapsychologe schlechthin war der vor 100 Jahren am 5. Februar 1907 geborene Hans Bender in Deutschland bekannt. Durch Fernsehsendungen und Bücher hatte auch ich bereits als junger Theologiestudent in Neuendettelsau von ihm gehört, als er 1977 zu einem Vortrag an die dortige Augustana-Hochschule eingeladen wurde. Weil mich einige „parapsychologische“ Themen heiß interessierten, wagte ich es hinterher, ihn persönlich anzusprechen. Er ging außerordentlich freundlich auf meine Fragen ein und lud mich schließlich sogar ein, ein Semester bei ihm in Freiburg i. Br. zu studieren. Das tat ich im Winter 1978/79 denn auch. Er förderte meine Forschungen (vor allem auf dem Gebiet der Todesnäheforschung) nach Kräften. Und eines Tages lud er mich als jungen „Seelsorger“ zu sich nach Hause ein, weil dort seine Frau schwerkrank darniederlag (sie starb wenige Monate nach meiner Abreise 1979). Möglichst regelmäßig sollte bzw. durfte ich sie damals besuchen; und im Anschluss an diese seelsorgerliche Tätigkeit kam es oft zu ausführlichen Gesprächen mit dem (Para-)Psychologie-Professor selbst, bei dem ich während jenes Wintersemesters auch eine Vorlesung und eine Übung besuchte – um übrigens parallel dazu römisch-katholische Professoren in Freiburg (wie z.B. den späteren Kardinal Karl Lehmann) zu hören. Auf diese Weise lernte ich intensiv die Wissenschaft der Parapsychologie kennen und in mein theologisches Denken einbeziehen.

Bender selbst war hinsichtlich theologischer bzw. religiöser Fragen recht aufgeschlossen. Im Alter erklärte er, es werde „immer deutlicher: der Abgrund zwischen Naturwissenschaft und Religion, wie er lange Zeit zu bestehen schien, wird durch die Erkenntnisse der Parapsychologie über die Raum und Zeit transzendierenden Fähigkeiten der Psyche und der sich in den spontanen Phänomenen und synchronistischen Zufällen immer wieder abzeichnenden Sinnhaftigkeit des Geschehens überbrückt.“ Dass es zwischen Himmel und Erde mehr gebe, als die Schulweisheit uns träumen lasse, stand für ihn außer Zweifel.

Schon mit 17 Jahren hatte er als Austauschschüler in Großbritannien spiritistische Erfahrungen gemacht. Er studierte daraufhin Psychologie und Medizin und sammelte während dieser Zeit Fälle von Hellseherei, Gedankenübertragung und wahrsagenden Träumen. 1933 wurde seine Doktorarbeit über Geisterbeschwörung und „psychische Automatismen“ fertiggestellt; darin vertrat er die so genannte „animistische“ These anstelle der „spiritistischen“. Die Botschaften der Geister kommen demnach nicht aus dem Jenseits, sondern sind unbewusste, dabei oft erstaunlich intelligente Projektionen irdischer Seelen. Weltanschaulich war er in diesem Zusammenhang besonders durch C. G. Jung geprägt, der bereits vor Benders Geburt über ein parapsychologisches Thema promoviert hatte.

1939 arbeitete Bender als Volontär in der Psychiatrischen und Inneren Klinik in Freiburg. Da er aus gesundheitlichen Gründen zum Wehrdienst untauglich war, konnte er ab 1940 den Lehrstuhl seines eingezogenen Lehrers Rothacker in Bonn vertreten. Im Juni des gleichen Jahres heiratete er Henriette Wiechert – es handelte sich um die Hauptversuchsperson seines einstigen Dissertationsprojekts, die ich 38 Jahre später als ältere, in ihrer Krankheit tapfere Dame kennenlernen durfte.

Von 1942 bis 1944 lehrte Bender als Extraordinarius in Straßburg Psychologie und klinische Psychologie. Nach Kriegsende kehrte er nach Freiburg zurück, wo er an der Universität einen Lehrauftrag für Psychologie erhielt und daneben 1950 sein außeruniversitäres „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.“ gründete, das er bis zu seinem Tod 1991 leitete. Nach Gastprofessuren 1951 und 1954 folgte seine Ernennung zum außerordentlichen Professor für Grenzgebiete der Psychologie. Zuvor war 1953 der weltweit erste Lehrstuhl für Parapsychologie in Holland eingerichtet worden: Hier lehrte seither Wilhelm Heinrich Carl Tenhaeff (1894-1981), der bemerkenswerterweise das spiritistische Deutungsmodell bevorzugte. Seit 1957 gab Hans Bender in Freiburg die noch heute bestehende „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie“ heraus. 1967 wurde er endlich Ordinarius für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie, wobei die Parapsychologie in der Lehre ein Viertel des Umfangs ausmachte. 1975 wurde er emeritiert. Am 7. Mai 1991 ist Hans Bender in Freiburg i. Br. verstorben.

Kritiker und weltanschauliche Gegner warfen ihm bisweilen vor, Manipulationsversuche im Kontext „paranormaler“ Vorgänge übersehen zu haben. Das mag bisweilen der Fall gewesen sein, doch Trickser auf dem Gebiet des „Paranormalen“ und echte „Sensitive“ sind erfahrungsgemäß oft in ein und derselben Person vereint: Weil die außergewöhnliche Begabung nicht ununterbrochen zur „Verfügung“ zu stehen pflegt, manche Auftritte oder „Prüfungen“ aber nicht zu verschieben sind, erliegen medial Sonderbegabte mitunter der Versuchung zu betrügen, ohne dass deshalb alles Täuschung sein muss, was mit ihnen zu erleben ist.

Je länger ich Bender in seiner Spätzeit kannte, desto mehr näherte er sich der Position Tenhaeffs an, das spiritistische Deutungsmodell für das plausiblere zu halten. Stets aber wahrte er eine kritische Distanz zu den paranormalen Phänomenen. So warnte er seit jeher vor psychohygienischer Belastung durch „okkulte“ Betätigungen. Er wusste aber sehr wohl, dass es neben den „Okkultgläubigen“ ebenso „Antiokkultgläubige“ gibt, deren Haltung weltanschaulich gleichermaßen als bedenklich zu gelten habe (und sogar statistisch signifikante Unter-Repräsentanzen im Laborversuch erzeuge!). Mit Blick auf die begeisterte Rezeption der Todesnähe-Forschung in vielen Ländern sprach Bender zu der Zeit, als wir uns kennenlernten, von einer regelrechten „thanatologischen Welle“. Zugleich warnte er ausdrücklich davor, „hypnotische oder nicht-hypnotische Rückführungsphantasien als Beweis für ein früheres Leben anzusehen“. Insgesamt hat er mit Intelligenz und Charme „der Psi-Forschung, die vollkommen vom Geist der Statistik zugedeckt zu werden drohte, die Bedeutung des Subjekts wieder zurückgegeben“, schreibt Elmar R. Gruber in der empfehlenswerten Biographie „Suche im Grenzenlosen. Hans Bender – ein Leben für die Parapsychologie“ (1993).

Dieser außergewöhnliche Gelehrte befand sich, wie ich miterleben durfte, im Kontakt mit namhaften Forschern seiner Zeit – unter anderem mit dem Physiker und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker. In seinen Büchern und in seinen Schülern wirkt er bis heute fort – nicht zuletzt auch durch sein Institut, das getrennt vom Psychologischen Institut der Universität verwaltet wird und seit rund einem Jahrzehnt als die am besten eingerichtete parapsychologische Forschungsanstalt der Welt gilt. Hans Benders Name ist im Übrigen eingegangen in den des „Bender Institute of Neuroimaging“ (B.I.O.N.) an der Universität Gießen, das sich unter anderem mit der Thematik einer Geist-Materie-Wechselwirkung befasst. Und nicht zuletzt steht sein Name für den Dialog zwischen Parapsychologie und Theologie, den der Professor einst auch im Kontakt mit mir, dem jungen Theologen aus Bayern, gepflegt hat. Ein Hinweis zum Schluss: Das Freiburger Institut wird am 21. April 2007 eine Gedenkveranstaltung durchführen (mit „Tag der offenen Tür“ am 22. April), und fürs kommende Wintersemester wird eine Ringvorlesung „Die Faszination des Paranormalen – Hans Bender zum 100. Geburtstag“ an der Universität Freiburg organisiert.


Werner Thiede, Regensburg