Harald Baer

„Ziel ist die geistliche Gesundheit“

Die Hagiotherapie des katholischen Theologen Tomislav Ivancic

Im katholischen Spektrum sorgt seit längerem eine Methode für Aufsehen, die sich als spezifische Form einer christlichen Seelsorge begreift. Sie tritt mit einem hohen Anspruch auf: Mit der Hagiotherapie, die von dem kroatischen Theologen Tomislav Ivancic (Jahrgang 1938) entwickelt wurde, können demnach alle geistlichen und moralischen Leiden des Menschen geheilt werden. Wie es im Internet (www.hagio.at) heißt, soll der Mensch dazu befähigt werden, „moralische und ethische Werte im Leben anzunehmen und anzuwenden“ sowie zur „Lösung von Konflikten, Verbesserung der Kommunikation und zwischenmenschlicher Beziehungen beizutragen“. Der katholische Theologe und Weltanschauungsexperte Harald Baer beleuchtet im Folgenden die Hintergründe der Methode und nimmt eine kritische Einschätzung vor.


Entstehung und Kontext

Der kroatische Fundamentaltheologe Tomislav Ivancic1 leitet seit 1979 ein Evangelisationsprojekt und seit 1985 das Projekt Hagiotherapie. 1990 gründete er in Zagreb das Zentrum für geistliche Hilfe, dessen hagiotherapeutische Angebote nicht zuletzt von Opfern des jugoslawischen Bürgerkrieges in Anspruch genommen wurden. Die Hilfesuchenden waren meist praktizierende katholische Gläubige, unter ihnen über 70 Prozent gut ausgebildete jüngere Frauen.2  Auch in Deutschland3, wo die Hagiotherapie von der nationalen Gemeinschaft „Gebet und Wort“ zum Zweck der Reevangelisation vermittelt wird, sind es vor allem jüngere gebildete Frauen, die ein Interesse an therapeutisch orientierter Spiritualität zeigen.

Die Hagiotherapie, die eine große Nähe zur charismatischen Bewegung aufweist, verortet sich im Kontext der therapeutischen Seelsorge. Die Wiederentdeckung der heilenden Kraft des Glaubens ist auch Anliegen von Eugen Biser4 und Wolfgang Beinert5. Daher verwundert es nicht, wenn Ivancic auf beide6 verweist, um an deren Renommee zu partizipieren. Jedoch ist der Ansatz der Hagiotherapie mit dem Denken Bisers und Beinerts nicht kompatibel, da einer semantischen Ähnlichkeit gravierende theologische Differenzen gegenüberstehen. Anleihen macht die Hagiotherapie zwar auch bei den Methoden der Logotherapie Viktor E. Frankls, vertritt aber den Anspruch einer größeren Reichweite und Effizienz, insofern die Logotherapie auf den Bereich des Innerweltlichen und Endlichen beschränkt bleibt.

Bei seinem Vorhaben, die Basissätze der Hagiotherapie zu erklären, unternimmt Ivancic den Versuch, fast alle wichtigen Autoren der abendländischen Geistesgeschichte zu Wort kommen zu lassen. Das Problem bei dieser Aufzählung besteht darin, dass keine Diskussion der Thesen, kein Abwägen der Argumente, kein Herausarbeiten der Konvergenzen und Divergenzen stattfindet. Natürlich gibt sich der Gründer der Hagiotherapie alle Mühe, den Eindruck der Rechtgläubigkeit zu erwecken. Deshalb finden sich überall Bibelverse und Sätze von Päpsten. Aber wenn Bibelstellen zitiert werden, sucht man vergebens exegetische Kommentare, von aktuellen Literaturhinweisen ganz zu schweigen. Der zentrale Referenzpunkt von Ivancic ist die Enzyklika Salvifici doloris von Johannes Paul II, in der das „moralische Leiden“ der Menschen als mindestens genauso schmerzlich eingestuft wird wie das körperliche.

Die Seelenschmerzen geistlicher Art, die die naturwissenschaftliche Medizin nicht in den Griff bekommt, sind der Angelpunkt, um den sich der Komplex der geistlichen Therapie dreht. Das Erstaunliche ist der Umstand, dass die Hagiotherapie trotz der scheinbar fehlenden Struktur und der Sprunghaftigkeit der Gedankenführung ein in sich geschlossenes System darstellt. Auf den Schlüsselbegriff der geistlichen Krankheit resp. Heilung sind letztlich alle Phänomene bezogen.

Rekonstruktion des Selbstverständnisses der Hagiotherapie

Grundlage der Hagiotherapie ist das Bemühen, die geistlichen und moralischen Leiden der Menschen zu heilen. Obwohl überall im Schrifttum medizinisch klingendes Vokabular wie Therapie, Diagnose, Medikamente anzutreffen ist, versteht sich die Hagiotherapie als philosophisch-theologisches Theorie- und Praxismodell. Da der Mensch als Dreieinheit aus Körper, Psyche und Geist gedacht wird, wäre eine Heilung im bloß physischen und psychischen Bereich immer unvollständig. Für den somatischen Bereich ist die Medizin zuständig, für den psychischen die Psychologie bzw. Psychiatrie und für den pneumatischen schließlich die Hagiotherapie. Gesundheit im umfassenden Sinn muss alle anthropologischen Dimensionen einschließen. Vor dem Hintergrund des scholastischen Konzeptes der „anima forma corporis“ würde eine reduktionistische Sicht bedeuten, dass die Diagnose bei der „äußerlichen causa efficiens verbleibe und nicht zur causa formalis vordringe“.7

Nach Ivancics Auffassung ist die geistliche Ebene in den meisten Fällen sogar die entscheidende, weil sich die ursächlichen Störungen in diesem Bereich letztlich als Symptom im Körper oder der Seele manifestieren. Er spricht daher von „symptomatischen geistlichen Krankheiten“ wie Gewissenbissen, Ängsten und traumatischen Zuständen, die in Leib und Psyche ihre Wunden zurückließen. Anders ausgedrückt gibt es also Krankheiten, die sich nur heilen lassen, wenn man auf der geistlichen Ebene therapeutisch ansetzt. Umgekehrt verspricht sich Ivancic von der Einbeziehung des Geistlichen die größten Heilungschancen, da man sich „nicht nur die Kräfte des menschlichen Geistes zunutze macht, sondern auch die Kräfte des Geistes Gottes“8. Mit seinem Geist berührt der Mensch die Transzendenz und „überlebt sich selbst, auch wenn er das Leben verliert“. Raum und Zeit stellen keine Begrenzungen mehr dar, man erkennt den Sinn von Leid und Tod, „ob es einen Schöpfer gibt oder nicht“.9 Zu erreichen ist dieser Zustand mit Hilfe der Gnade, konkret durch Gebete, Sakramentenempfang, Buße und kirchliche Verkündigung. Das ist die geistliche Arznei. Doch worauf genau wirkt sie ein?

Im Zuge der Entfaltung der geistlichen Dimension entwirft Ivancic gewissermaßen eine Anatomie des Geistes. So wie sich der physische Leib aus Organen zusammensetzt, so existieren auch „geistliche Organe“. Die wichtigsten menschlichen Funktionszentren auf der transzendenten Ebene sind: Person, Leben, Gewissen, Intellekt, freier Wille, Herz, Religiosität sowie geistliche Augen und Ohren, Glaube und Vertrauen. Leben als Fähigkeit zur biologischen Existenz wird in vegetatives, psychisches und geistliches unterschieden. Verliert man das geistliche, büßt man das ewige Leben ein, man ist geistlich tot, auch wenn man biologisch lebt. Verliert man das psychophysische, so geht „nur“ das irdische verloren. Der philosophische Intellekt erforscht die Seinsgesetze und entwirft Methodologien; der theologische Intellekt ist Voraussetzung des Glaubens, er erkennt die Wahrheit. Religiosität ist die geistliche Fähigkeit der Kommunikation mit Gott. „Verletzungen“ in diesem Bereich führen zu Atheismus, Agnostizismus, Fanatismus und Aberglauben. Mit geistlichen Augen und Ohren nehmen wir die transzendente Wirklichkeit wahr. Der Glaube ist die Erkenntnis, dass uns Gott liebt und wir uns ihm anvertrauen können.10

Ist diese geistliche Topographie intakt, wird dem Menschen die beglückende Gemeinschaft mit Gott geschenkt. Doch die Realität sieht anders aus. Der störanfällige moderne Mensch kann sich dieses Glück nur unter erschwerten Bedingungen mit Unterstützung der Kirche erarbeiten.

Zeitanalyse vor dem Hintergrund geistlicher Krankheiten

In seinem erkenntnistheoretischen Optimismus ist Ivancic davon überzeugt, dass Gott, der absoluter Geist ist, von seinem Geschöpf, das relativer Geist ist, mit Sicherheit erkannt werden kann. Wer mit wachen Sinnen durch die Welt geht, entdeckt die Spuren Gottes, „darum ist der Glaube an Gott die normale logische Folge vernünftigen Denkens“11. Leicht ist der Umkehrschluss zu ziehen: Wird Gott geleugnet, ist diese Haltung Ausdruck unvernünftigen Denkens oder einer geistlichen Krankheit. „Der Antitheismus musste aus diesem Grund immer scheitern. Einfach deswegen, weil er nicht der Wahrheit entspricht.“12 Atheisten, die die Kommunikation mit dem absoluten Geist verweigern, zerstören sich selbst, da sie die Quelle des Seins und des Lebens nicht finden.

Europa laufe auf die Katastrophe zu. „Von vielseitiger geistlicher Genialität sank es auf die Ebene des bloß Rationalen und Technischen. Indem es danach trachtete, sich von der Vormundschaft durch die Religion zu befreien, und besonders indem es sich von der Kirche trennte, sagte es sich auch von der ethischen Dynamik los und fand sich schließlich in moralischer Ausweglosigkeit.“13 „Der“ westliche Mensch als solcher habe also gegen die geistlichen Gesetzmäßigkeiten verstoßen, als er sich seines Verstandes bediente, um die selbstverschuldete Unmündigkeit zu beseitigen. Anstelle der erhofften Autonomie handelte er sich nur negative Konsequenzen ein wie Konzentrationslager, Ehescheidungen, Abtreibung, Genmanipulation, Pornographie, sexuelle Revolution, Einfluss der Medien, Hunger in der Welt und Atheismus.14 Selbst vor der Kirche mache der zerstörerische Zeitgeist nicht Halt. Die feministische Theologie sei ein ebenso verwerfliches Produkt des Geistes der Rebellion wie das Kirchenvolksbegehren in den deutschsprachigen Ländern. Außerdem übten Esoterik, alternative Medizin, Okkultismus, östliche Religionen und Säkularisierungstendenzen ihren zersetzenden Einfluss auch auf Kirchenmitglieder aus.

Mit dieser Beschreibung hat Ivancic eine Art Phänomenologie der geistlichen Krankheiten verfasst. Sollte ich mich nicht täuschen, dass zwischen den einzelnen Erscheinungsformen der Krise (z. B. zwischen den Konzentrationslagern und okkulten Praktiken) kein essentieller, sondern nur ein gradueller Unterschied bestehen soll, dann wäre dies eine ungeheuerliche Behauptung. Um denselben zu belegen, muss die Ursache der pathologischen Phänomene ein Höchstmaß an Destruktivität verkörpern. Und das tut sie auch. Denn „die eigentliche Ursache jeder geistlichen Erkrankung ist in erster Linie immer 1. ‚der’ oder ‚das’ Böse, 2. Begierden, 3. Verletzungen“15. Ivancic zufolge gibt es also zwei Weisen des Bösen. Die erste ist die personifiziert vorgestellte Realität des Teufels oder Satans. Die zweite ist die Sünde. Der Teufel als der Feind Gottes und der Menschheit verführt zur Sünde. Zur Begründung wird das biblische Zeugnis angeführt. Im Neuen Testament sind insbesondere die Evangelien voller Berichte von Besessenen und Exorzismen (z. B. Mt 12,43-45; Lk 11,24-26). Der Erfolg der frühchristlichen Mission wird nicht zuletzt mit der exorzistischen Praxis in Verbindung gebracht, und dass Jesus mit der Existenz der Dämonen gerechnet hat, wird nicht bezweifelt. Jesus trieb die bösen Geister aus und heilte Besessene. Daraus zieht Ivancic den Schluss, dass die Kirche in Jesu Namen den Kampf gegen Magie und okkulte Kräfte aufnehmen muss. Dämonische Lehren sind mit der Kraft des Heiligen Geistes zu besiegen.16

Auch im Alten Testament verführte Satan in der Gestalt der Schlange die Frau, vom Baum der Erkenntnis zu essen (Gen 3f). Seit diesem Zeitpunkt wurde die gesamte Menschheit vom Bösen versklavt, und Neid, Hass, Lüge, Streit, Hochmut und Krieg kamen in die Welt. Alle geistlichen Organe wurden geschädigt, und an bestimmten Anzeichen kann man ablesen, welche der geistlichen Fähigkeiten betroffen sind. Dabei können die Verletzungen von außen oder von innen kommen. Ist ein Mensch falscher Verdächtigung und Verleumdung ausgesetzt, kann daraus Hass und Rachsucht entstehen. Unter dem Einfluss von Ideologien und falschen politischen Programmen wird die Person „dahinwelken“. Menschen mit kranker Religiosität lassen sich in zwei Gruppen einteilen: 1. Atheisten oder Agnostiker, die zugleich an Fetische glauben können, 2. Fanatiker, die behaupten, über besondere Offenbarungen im Hinblick auf den Untergang der Welt zu verfügen und sich Sekten anschließen.

Bei Ivancic ist eine ausgeprägte Tendenz zur Kategorisierung zu beobachten. Deshalb nimmt er weitere Unterscheidungen der geistlichen Krankheiten nach folgenden Aspekten vor:

1. anthropologische,

2. nach zeitlichen Kriterien,

3. nach ihrer Art.

Die anthropologischen teilt er ein in

1.1 existentielle (Schrei nach dem Schöpfer),

1.2 basische (Ruf nach Liebe),

1.3 aktuelle Krankheiten (Suche nach Vergebung). Sie führen zu Misstrauen, Aggressivität, Depression, Angst, Frustration, Verbitterung und Unversöhntheit.

Zeitliche Leiden werden eingeteilt nach

2.1 präkonzeptualen (Vererbung durch Vorfahren),

2.2 pränatalen (zwischen Empfängnis und Geburt),

2.3. postnatalen (nach der Geburt entstandenen) Krankheiten.

Nicht nur psychische und körperliche Defekte können vererbt werden, es gibt sozusagen auch ein Gen für geistliche Erkrankungen: „Untersuchungen zeigen, dass Süchte, Fluchen, Atheismus, die Animosität gegen den Glauben ... Egoismus, Stolz, Verachtung anderer als Veranlagung vererbt werden können, was zu einer geistlichen Krankheit werden kann.“17

Den pränatalen Krankheiten des Geistes liegen u. a. Nichtannahme der Schwangerschaft, fehlende Zärtlichkeit und instabile Elternbeziehungen zugrunde. Traumatisierungen in der postnatalen Phase prägen sich dem Gehirn wie ein Programm ein und können sich später zu schweren Schädigungen auf allen Ebenen auswachsen.

Von den transzendenten Defiziten der dritten Kategorie („nach der Art“)18 will ich nur 3.9, die Mediumpsychose herausgreifen. Darunter subsumiert Ivancic Störungen, die sich im Zusammenhang mit esoterischen und okkulten Handlungen sowie manchen Sekten bilden. Östliche Heilmethoden wie Akupunktur und Akupressur sind nicht apriori schädlich, sondern nur, „wenn zusätzlich noch chinesische religiöse Praktiken angewendet werden ... Auch magisch-okkulte Praktiken sind gefährlich, unter ihnen die Astrologie und das Horoskop ...“19

Spiritistische Handlungen wie Tischchenrücken verursachen ebenfalls die Mediumpsychose, bei der dämonische Geister und Kräfte seelische Traumata hervorrufen. Vor allem wenn die Okkultpraktizierenden aus Familien stammen, in denen man sich seit Generationen mit Magischem beschäftigt, ist mit verheerenden Auswirkungen zu rechnen, die den gesamten geistlichen Organismus betreffen. Ivancic zitiert den römischen Exorzisten Gabriele Amorth20, in dessen Haus wie in einer Eisenwarenhandlung Kisten voller Nägel stehen, die Besessene erbrochen haben wollen.

So weit die Darstellung des Selbstverständnisses der Hagiotherapie im Hinblick auf die Entstehungsbedingungen geistlicher Erkrankungen, ihre Phänomenologie und ihre Konsequenzen für den Betroffenen.

Kritische Einwände

Dass die von Ivancic aufgestellten Behauptungen teilweise in kontradiktorischem Gegensatz zu den Ergebnissen der theologischen und sozialwissenschaftlichen Forschung sehen, möchte ich an einigen Beispielen aufzeigen.

Ich beginne mit der angeblichen Ursache der geistlichen Krankheiten, dem Bösen. Ivancic geht von einem wörtlichen Bibelverständnis aus und nimmt den exegetischen Befund der entsprechenden Stellen bei den Synoptikern nicht wahr. Jesus war mit Sicherheit davon überzeugt, dass Krankheiten dämonisch verursacht sind, weshalb er sie exorzistisch geheilt hat. Geisteskranke (Mt 15,21f), aber auch Blinde (Mt 12,22f) und Stumme (Mt 9,32f) wurden durch Jesu Heilexorzismen gesund. Exorzistische Krankenheilungen verstand Jesus als Gleichnishandlungen für den Anbruch des Gottesreiches, weshalb zu Recht darauf hingewiesen wurde, dass die exorzistischen Praktiken im Neuen Testament niemals Selbstzweck, sondern Symbolhandlungen waren.21

Für das antike Weltbild waren Dämonen die Verursacher von Krankheiten, weshalb auch die Praxis des Exorzismus legitim war. Entscheidend ist die medizinische und menschliche Zuwendung, also das Erfahrbarmachen der Liebe Gottes mit den Mitteln der jeweiligen Zeit.Eine von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragte Arbeitsgruppe schlug eine „Liturgie zur Befreiung vom Bösen“ vor. Liturgie, so Manfred Probst und Klemens Richter, ist als dialogische Beziehung zwischen Gott und Mensch zu denken. Da auch der Exorzismus eine Form von Liturgie darstellt, ist er insofern in seiner imprekativen Gestalt ein Widerspruch in sich selbst. Denn hier wird in einer gottesdienstlichen Feier der Teufel persönlich angesprochen, wird nach Namen gefragt, und er erhält Befehle zum Ausfahren. Dies kann, wie im Fall der Anneliese Michel in Klingenberg, zu einer Veranstaltung der „Faszination des Grauens“ (Ute Leimgruber) führen, wo der Tod einer jungen Frau zur Bestätigung krankhafter und abergläubischer Vorstellungen von Erlösung herhalten musste.

Sollte nun eingeworfen werden, dass der Teufel gemäß der kirchlichen Lehre eine Person sei, so ist dem nicht zu widersprechen. Damit ist jedoch keine inhaltliche Definition verbunden, vielmehr stellt sich die Frage: Was ist eine Person? Die Rede vom Teufel als Person oder besser Unperson hat nichts mit menschlicher, also vorstellbarer Persönlichkeit zu tun, sondern ist allenfalls als analoge Chiffre zu verstehen, die eine größere Unähnlichkeit als Ähnlichkeit anzeigt. Das ist die Position des Vierten Laterankonzils.

Gegenwärtig ist vor allem in charismatischen Kreisen eine Remythologisierung des Bösen zu verzeichnen, und Tomislav Ivancic sowie die von ihm als Gewährsleute erwähnten Gabriele Amorth und Jörg Müller gehören in diesen Kontext. Heilung ist hier identisch mit „Befreiung“, was nichts anderes bedeutet, als dass die Kranken von dämonischen Bindungen (Besessenheit und Umsessenheit) befreit werden müssen.

Amorth war langjähriger Vorsitzender der „Internationalen Exorzistenvereinigung“ (AIE), deren Zweck es ist, zukünftige Exorzisten für die geistliche Kriegsführung zu rekrutieren. Typisch für die Dämonologie in Teilen der charismatischen Bewegung ist die Ausdehnung des Begriffs der Besessenheit. In der charismatischen Literatur hat die Beschreibung der Anzeichen für diesen Zustand große Bedeutung. Dazu werden unterschiedliche Formen psychischer und physischer Abhängigkeit gezählt, z. B. Alkoholismus, Drogenkonsum, Ess- und Magersucht. Nicht nur Onanie, Ehebruch und Homosexualität, sondern auch eine liberale theologische Einstellung und die Wertschätzung anderer Religionen werden als das Werk Satans betrachtet. Zur Taktik des Teufels gehört es angeblich auch, die Menschen durch Sekten, östlichen Mystizismus und Opposition gegen die geistliche Erneuerung zu verwirren. Okkulte Betätigung, die sehr weit gefasst wird und sich bereits vor Generationen abgespielt haben kann, wird als Einfallstor für Dämonen angesehen. Negative Emotionen wie Angst, Zorn und Depression gelten als Symptome der Besessenheit.

Bei der Beschreibung der charismatischen Ätiologie ist klar geworden, aus welchem weltanschaulichen Milieu Ivancic wichtige Anregungen für sein Konzept der geistlichen Krankheiten erhalten hat. Viele Ursachenzuschreibungen sind deckungsgleich.

Wie oben erwähnt, verwendet Ivancic den Terminus der „Mediumpsychose“22. Es handelt sich um einen heute veralteten Begriff, der 1919 von dem Psychiater Henneberg eingeführt und durch Hans Bender in Verbindung mit den psychomotorischen Automatismen gebracht wurde. Als transitorische funktionelle Störung, die infolge eines fehlgedeuteten Jenseitserlebnisses auftreten kann, wird sie von der Schizophrenie abgegrenzt. Während die schizophrene Ich-Störung als Symptom einer den Kern der Persönlichkeit angreifenden Grundstörung erscheint, äußert sich die mediumistische Psychose in unabhängig voneinander tätigen Verselbständigungen von Teilsystemen. Demgegenüber hatten Amorth und Ivancic fälschlicherweise die „Mediumpsychose“ im Sinn einer tief greifenden geistlichen Traumatisierung ins Spiel gebracht, die noch dazu von Dämonen und bösen Geistern hervorgerufen worden sein soll. In der Fachliteratur wird die mediumistische Psychose zum einen als „leicht reversibel“23 und zum anderen als überholtes Denkmodell eingestuft. Okkulte Praktiken sind mittlerweile ein sehr gut erforschtes Thema, und in der aktuellen Diskussion wird dem Entwurf der Lebensthemen eine viel größere Plausibilität zugebilligt.

Durch rekonstruktive Fallanalysen gelingt nicht nur eine Aufarbeitung der Okkultfaszination, sondern auch eine genaue Beantwortung der Frage, wann okkulte Praktiken Schaden, wann Nutzen nach sich ziehen können. Schöll und Streib24 haben die bislang umfangreichsten qualitativen Arbeiten zur Thematik okkultfaszinierter Jugendlicher vorgelegt. Aus den Interviews konnte eine Typologie mit drei Hauptrepräsentanten abgeleitet werden: Beim ersten Typ ist der Umgang mit okkulten Praktiken spielerisch-experimentell. Es lässt sich nicht erkennen, dass eine Aktivierung bedrohlicher Lebensthemen vorliegt. Das sieht beim zweiten Typ anders aus. Das Herbeirufen der Geister ist von Ausweglosigkeit und tiefer Furcht geprägt. Vom okkulten Ritual wird helfender Beistand und Bannung des Bösen sowie der quälenden Dämonen, jedenfalls die Relativierung und Verminderung des persönlichen Leidensdrucks erwartet. Die Aufzählung der aktivierten Lebensthemen liest sich wie das Drehbuch für die Horrorszenen eines Gruselfilms: Verfolgungsangst von früher Kindheit an, Traumatisierungen infolge von Ohnmachtserfahrungen, suizidale Neigungen, Angst vor Kontrollverlust, Gefühle von In-die-Enge-Getriebensein und Verzweiflung. Der dritte Typ stellt eine Mischform der ersten beiden Varianten dar. Den Handelnden ist bewusst, dass das Spiel leicht in Ernst umkippen kann. Eine Überlagerung der okkulten Experimente durch ängstigende Lebensthemen liegt nicht vollständig vor. Aber sie deuten sich an.

Ergänzende quantitative Untersuchungen haben ergeben, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Jugendlichen dem ersten Typ zuzurechnen ist und dass für diesen Persönlichkeitstyp die okkulte Praxis ein rasch vorübergehendes Durchgangsphänomen darstellt. Es bleibt meist beim einmaligen Praktizieren. Der prämorbide zweite Typ stellt den seltenen Fall der Bearbeitung lebensgeschichtlicher Selbst-Krisen mit okkulten Mitteln dar.25 Er kann in der Regel nur auf geringe familiäre, soziale und institutionelle Ressourcen zurückgreifen. Hier steht die Attraktivität der Satansbeschwörung in direktem Zusammenhang mit der Lebensgeschichte: Die bösen Geister fungieren als Repräsentanten bedrohlicher Elternbilder, zu denen keine verlässliche Bindung aufgebaut werden konnte. Okkulte Handlungen werden zu Reinszenierungen von Lebenskrisen, und die unberechenbaren Bezugspersonen mutieren zu gefährlichen Geistern. Es legt sich eine Umkehrung der herkömmlichen, auch bei Ivancic vorfindlichen Ursachenzuschreibung nahe. Geisterbeschwörungen rufen weniger eine Störung oder Auffälligkeit hervor, sie sind vielmehr Anzeichen erlittener Traumatisierungen.

Ivancic dämonisiert nicht nur pauschal das Okkultpraktizieren, sondern auch andere spirituelle Wege, z. B. die Astrologie. Die Unterscheidungen zwischen den Versionen der Vulgärastrologie, der prognostizierenden einerseits, einem mit mathematischer Feinanalyse erstellten Horoskop und gar einer christlichen Astrologie (Gerhard Voss26) andererseits, sind ihm nicht geläufig und passen auch nicht in sein Konzept der prinzipiellen Anathematisierung des religiös Anderen. Reflektierte Anhänger der Astrologie wie Voss postulieren keine kausalen Wirkzusammenhänge zwischen Gestirnkonstellation und Schicksal des Menschen, sondern gehen von symbolischen Strukturentsprechungen mit hohem Deutungsspielraum aus.

Keine andere weltanschauliche Strömung wird so oft von Ivancic mit dem Bösen identifiziert und für die Ätiologie des geistlichen Todes in Anspruch genommen wie der Atheismus / Agnostizismus. Auch in diesem Fall beruht seine Rhetorik auf einseitigen Verdächtigungen und grobschlächtigen Dichotomien: hier ein selbstgerecht vorgetragenes exklusivistisches Heilsangebot, dort die Welt des Bösen. Auf diesem Niveau kann kein ernsthafter Diskurs mit anderen gesellschaftlich relevanten Kräften geführt werden. Die Veränderungen im Erscheinungsbild des modernen Atheismus, die sich analog zum Gestaltwandel pluraler Religiosität entwickeln, lassen erkennen, dass anstelle dezidierter Antipositionen gegenüber religiösen Einstellungen weniger klar strukturierte Konturen vorzufinden sind. Vom Zweiten Vatikanischen Konzil, auf das sich Ivancic so gerne beruft, kann er lernen, auf welcher Basis eine sachliche Verständigung zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden möglich ist. In wertschätzender Sprache haben die Konzilsväter den Atheismus als eine „der ernstesten Gegebenheiten dieser Zeit“ bezeichnet und die große Spannbreite nichttheistischer Einstellungen reflektiert. Weit entfernt von den vorkonziliaren Verurteilungen des Atheismus, an denen sich wohl Ivancic immer noch orientiert, wird in der pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“27 nach den innerkirchlichen Gründen für die Mitverantwortung bei der Entstehung des Atheismus gefragt.

Manfred Lütz hat seine Gedanken zur Hagiotherapie im Anschluss an eine Podiumsdiskussion, die er mit Ivancic geführt hat, in einem Schreiben an diesen zusammengefasst. Daraus gebe ich zentrale Aussagen wieder: Lütz hält es für notwendig, die Hagiotherapie, die eine gute Exerzitienmethode sein könnte, von „diagnostischen und therapeutischen“ Behauptungen zu befreien. Die Vermischung von Therapie und Seelsorge muss aufgehoben werden. Die Grenzen zwischen beiden Disziplinen sind zu respektieren. Solange diese Arbeit nicht geleistet ist, können sich aus der Hagiotherapie „gefährliche und schädliche“ Folgen ergeben: Dem psychologischen Ansatz liegt ein naives und veraltetes Verständnis der Psychoanalyse zugrunde, das wissenschaftlich unhaltbar ist und schwerste Irrtümer enthält. Die völlig übertriebene Wertung der frühen Kindheit führte zur Theorie der „schizophrenogenen Mutter“, was zahlreiche Mutterselbstmorde verursachte. Psychotherapeutisch ist es absoluter „Unsinn“ zu behaupten, dass geistliche Krankheiten von einer Generation an die nächste vererbt werden können. Völlig absurd wird die Behauptung, wenn die Intrauterinphase einbezogen wird. Die Thesen von Ivancic laufen auf unverantwortliche Schuldzuweisungen hinaus, wenn behauptet wird, dass ein Kind Schäden durch Streitigkeiten in der Familie oder die Scheidung der Eltern erleiden muss.

Der Unterschied zwischen Seelsorge und Psychotherapie wird nicht klar. Wenn sich die Hagiotherapie für allzuständig erklärt, arbeitet sie nicht seriös. Seelsorge geht tiefer als zeitlich begrenzte Psychotherapie. Wird beides vermischt, wird man schnell zum Guru. Der Begriff der geistlichen Krankheit ist hoch problematisch, denn es gibt geistliche Katastrophen ohne Krankheit und schwerste psychische Erkrankungen auch bei glaubenden Menschen. Durch Verwendung unklarer Begriffe und begriffliche Grenzüberschreitungen werden Heilserwartungen bei hilfesuchenden Menschen geweckt, die nicht einzuhalten sind.

Theologische Irrtümer sind in vielen Sätzen enthalten. Ein Beispiel: „Wenn das Gewissen belastet ist, behindert es die Gnade.“ Das ist nachweislich falsch. Reue kann Gnade in der Beichte freisetzen. Es gibt problematische Sätze im Blick auf die Kindererziehung und das Gottesbild, z. B.: „Wie jeder Vater seine Kinder auch züchtigen muss, damit sie zu größerer Güte ... heranwachsen, so verhält sich auch Gott zu uns.“ Eine solche Aussage ist unvereinbar mit gewaltfreier Erziehung und der Vorstellung eines liebenden Gottes. Insgesamt betrachtet findet eine Abwertung der Vernunft und der Wissenschaft statt – mit schlimmen Auswirkungen für alle Beteiligten.

Fazit

Die wichtigsten Anfragen an die Hagiotherapie hängen mit einer Reihe ungeklärter Verhältnisbestimmungen zusammen: Welchen Ort nimmt sie ein im Gegenüber zu den Humanwissenschaften, den Naturwissenschaften und zu den anderen Religionen?

Hagiotherapie ist ein sonderbares mixtum compositum. Ganz ohne Zweifel ist Ivancic ein Seelsorger, dessen Arbeit von hohen Idealen geprägt ist. Viele hauptamtliche und ehrenamtliche Helfer bemühen sich mit großem Engagement, seine Ideen in die Praxis umzusetzen. Manche Seelsorgeeinheit ist für einen bestimmten Frömmigkeitstyp interessant, den Bernhard Grom28 den „katholikalen“ nennt, anderes ist knallharter moralischer, pädagogischer und religiöser Rigorismus. Hagiotherapie ist jedoch keine Therapie, die fachlichen Standards genügt. Sie ist bestenfalls, wie Manfed Lütz anschaulich belegt, als Seelsorgeangebot zu begreifen. Genauso wenig ist Ivancic ein Theologe, der wissenschaftliche Konzepte vorlegt, die sich auf der Höhe der heutigen Zeit befinden. Für mich ergibt sich ein widersprüchliches Bild: Einer ausufernden Ätiologie von Defekten geistlich-transzendenter und daher empirisch nicht nachprüfbarer Natur steht eine von apologetischen Interessen geleitete Einschätzung fremdreligiöser Positionen gegenüber. Insbesondere im Umgang mit säkularen oder andersreligiösen Konzepten findet sich bei Ivancic eine feindbildzentrierte Auseinandersetzung, die die Ergebnisse des theologischen, religionswissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurses der letzten 50 Jahre nicht zur Kenntnis nimmt. Dazu gehört auch, dass bei Invancic die naturalistisch-personalistische Auffassung des Teufels fortgeschrieben wird, als hätte es die zahlreichen Debatten in Exegese, Dogmatik und Fundamentaltheologie nie gegeben.

Es liegt keine Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen vor, die sozialwissenschaftlichen, psychologischen oder historischen Kriterien auch nur ansatzweise genügen könnte, sondern – man gestatte mir die Deutlichkeit – ein Sammelsurium von Gedanken und Zitaten. Wie erwähnt werden Eugen Biser und Wolfgang Beinert zitiert, die nicht ahnen, dass sie sich in Gesellschaft von Gabriele Amorth und Jörg Müller befinden, mit denen sie sicher nichts zu tun haben. Dieses selektive Vorgehen ist allerdings nur scheinbar inkonsistent, denn von Biser und Beinert werden keine theologischen Kernaussagen paraphrasiert wie bei Amorth, sondern es werden nur jene Sätze wiedergegeben, die den Aspekt der Überwindung der Angst vor dem Leben allgemein zum Thema haben.

Für Ivancic steht die dogmatisch festgeschriebene Wahrheit für immer und ewig fest, und Glaube heißt für ihn Akzeptanz dieser Lehre. Für Biser liegt der Ursprung der heutigen Glaubenskrise genau darin, dass die Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus als Lehre (miss)verstanden wurde. „Sie wurde von einer Lebenswirklichkeit zu einem System von Wahrheiten.“29 Bei Biser ist christlicher Glaube die existentielle Beziehung zu einer Person, nämlich zu Jesus, der Inkarnation des bedingungslos liebenden Gottes. Verobjektivierungen wie Doktrinen betreffen die „gegenständlich-satzhafte Außensicht des Glaubens“30. Hier tauchen unüberbrückbare Gegensätze auf, die auch die kritische Filterfunktion der von Ivancic verachteten Vernunft betreffen. Denn die Vernunft kann zwar nicht Gott erkennen, aber sie kann und muss aussortieren, was als Glaubensgegenstand nicht in Frage kommt. Die hermeneutischen Probleme bei dieser Art der Textauswahl scheinen Ivancic nicht zu stören.

Ivancic reklamiert für seine Hagiotherapie einen extrem hohen Geltungsanspruch, wenn er schreibt, dass die „geistliche Therapie sowohl in religiösen als auch in profanen Kreisen als eine Perle (erscheint), für die es sich lohnt, ’alles zu verkaufen, um sie zu kaufen’“31. Die durch Beseitigung ideologischer Irrtümer angestrebte geistliche Umwandlung wird von ihm mit dem Anspruch auf nicht hintergehbare Wahrheit als sozial und theologisch verbindlich erklärt. Darüber hinaus will Ivancic das Kompetenzmonopol der Kirche, das in einer pluralistischen Gesellschaft der verschärften weltanschaulichen Konkurrenzsituation unwiderbringlich zum Opfer gefallen ist, „auf Teufel komm raus“ restituieren. Doch die Annahme einer Rückkehr zur „societas perfecta“, in der Kirche, Gesellschaft und Staat eine Einheit bilden, ist eine illusionäre Wunschvorstellung. Der symbolische Kampf um die Ausdehnung einer integralistischen Variante des christlichen Heilsverständnisses auf andere gesellschaftliche Teilbereiche ist in westlichen Demokratien des 21. Jahrhunderts bereits verloren, bevor er richtig begonnen hat. Natürlich ist das auch Ivancic bewusst.

Möglichweise rührt daher seine Aversion gegen die Demokratie im Allgemeinen32, die mit der mangelnden Reife der Massen begründet wird. Skepsis gegenüber demokratischen Entscheidungsprozessen ist in nahezu allen kirchenpolitischen Strömungen vorzufinden, die mit besonderer Schärfe den katholischen Glauben vor der Kontaminierung durch den Zeitgeist bewahren wollen. Sofern heutige Demokratien – so die gängige Argumentation – eine durch Gesetzgebung und nicht durch Wertekonsens konstituierte Gesellschaftsform bilden, können sie vor allem für Schutzlose prinzipiell lebensbedrohlich sein. Das verdeutlichen die Gesetze zur Abtreibung, die problemlos durch Gesetze zur Euthanasie ergänzt werden könnten. Daher werden alle Politiker und Kirchenleute abgelehnt, die sich aus dem Meinungskampf heraushalten.

Wie das Christentum ein ernst zu nehmender, weil „pluralitätsfähiger“33, Partner im Gespräch mit anderen gesellschaftlichen Kräften werden kann, hat der Kölner Sozialethiker Hans-Joachim Höhn mit seiner „transversalen“ Religionstheologie gezeigt. Wie das Zweite Vatikanische Konzil begreift er trotz aller Unüberbietbarkeit des in Jesus Gestalt gewordenen Heilswillens Gottes die anderen Religionen immer auch als Anfragen an die eigene.


Harald Baer, Hamm/Westfalen


Anmerkungen

1 Veröffentlichungen: Tomislav Ivancic, Diagnose der Seele und Hagiotherapie, Salzburg 2006;
ders., Grundlagen der Hagiotherapie, Salzburg 2007; ders., Heilung im Gebet, Salzburg 2007; ders., Therapie des Geistes, Salzburg 2007; ders., Wer ist der Mensch?, Salzburg 2001; ders., Wie Familie und Ehe zu heilen sind, Salzburg 2007.

2 Leni Mairhofer, Die Hagiotherapie. Pastoraltheologische und pastoralpsychologische Überlegungen zur „Therapeutischen Seelsorge“ am Beispiel der „Hagiotherapie“ nach Prof. Dr. Tomislav Ivancic, Diplomarbeit an der Universität Graz, 2004, 35.

3 Deutsche Internetseite: www.hagio.de.

4 Eugen Biser, Die Entdeckung des Christentums, Freiburg 2000, 34f, spricht vom Christentum als einer „therapeutischen Religion“, der es im Unterschied zu Gotthold Ephraim Lessings Spätschrift „nicht so sehr um die Erziehung als vielmehr um die Erhebung und Heilung des Menschen“ geht.

5 Wolfgang Beinert, Heilender Glaube, Mainz 1990.

6 T. Ivancic, Diagnose der Seele, a.a.O., 60f.

7 Ebd., 281. In vielen Texten weist Ivancic auf die Relevanz der scholastischen Methode für sein Werk hin.

8 T. Ivancic, Diagnose der Seele, in: L. Mairhofer, Hagiotherapie, a.a.O., 15.

9 T. Ivancic, Diagnose der Seele, a.a.O., 33.

10 Vgl. ebd., 158ff.

11 Ebd., 43.

12 T. Ivancic, Therapie des Geistes, a.a.O., 9.

13 Ebd., 14.

14 Vgl. Gloria Braunsteiner, „Therapie des Geistes“ – Der Ansatz der Hagiotherapie – ein Beispiel therapeutischer Theologie?, Dissertation an der Universität Regensburg, Regensburg 2004, 8. Die Reihenfolge ist nicht willkürlich, sondern geht unmittelbar auf Ivancic zurück.

15 L. Mairhofer, Hagiotherapie, a.a.O., 93.

16 T. Ivancic, Diagnose der Seele, a.a.O., 195.

17 Ebd., 234.

18 Zu diesen Krankheiten zählen: 3.1 Grundlegende geistliche Krankheiten existentieller und transzendentaler Natur, 3.2 Basiskrankheiten, 3.3 Organkrankheiten, 3.4 Laster, 3.5 Geistliche Traumen, 3.6 Geistliche Leiden, 3.7 Deviationen, 3.8 Gedanken an Suizid, 3.9 Mediumpsychosen, 3.10 „Genetische“-geerbte Neigungen, 3.11 Abhängigkeiten, 3.12 Symptomatische Krankheiten.

19 T. Ivancic, Diagnose der Seele, a.a.O., 276.

20 Gabriele Amorth, Ein Exorzist erzählt, Stein am Rhein 2001; ders., Neue Berichte eines Exorzisten, Stein am Rhein 2000; ders., Exorzisten und Psychiater, Stein am Rhein 2002.

21 Otto Böcher, Art. Exorzismus I, in: TRE, Bd. X, Berlin 1982, 747-750.

22 Wahrscheinlich eine schlechte Übersetzung aus dem Kroatischen, denn der im deutschen Sprachraum eingebürgerte Fachbegriff lautet „mediumistische Psychose“.

23 www.parasearch.de/mysteria/x/x1480.htm .

24 Albrecht Schöll / Heinz Streib, Wege der Entzauberung. Jugendliche Sinnsuche und Okkultfaszination, Münster 2000.

25 Er dürfte höchstens fünf Prozent der okkultpraktizierenden Jugendlichen ausmachen.

26 Gerhard Voss, Astrologie christlich?, Regensburg 2003; ders., Astrologie, in: Harald Baer u. a. (Hg.), Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Freiburg 2005, 88f.

27 Karl Rahner / Herbert Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, Freiburg 1966, 449ff.

28 Bernhard Grom, Spirituelle Psychotherapien?, in: Stimmen der Zeit 8/2007, 531-542, erörtert das Zusammenwirken von Psychotherapie und Spiritualität in unterschiedlichen Therapieeinrichtungen.

29 Richard Heinzmann, Dialog: Ursprung und Ziel der Theologie von Eugen Biser. Vortrag, gehalten anlässlich der Festveranstaltung der Eugen-Biser-Stiftung zum 90. Geburtstag von Eugen Biser am 12.1.2008 in der Katholischen Akademie in Bayern.

30 Eugen Biser, Glaubenserweckung. Das Christentum an der Jahrtausendwende, Düsseldorf 2000, 214.

31 T. Ivancic, Therapie des Geistes, a.a.O., 17.

32 Ivancic hält „die Demokratien (für) naiv optimistisch, denn sie meinen, der Mensch sei fähig, anständig und gut zu sein und verantwortlich zu handeln“ (Therapie des Geistes, a.a.O., 120). Ich frage mich, wohin diese religiös motivierte Staatsverdrossenheit führen soll? Welche Alternativen zur parlamentarischen Demokratie kann Ivancic empfehlen? Etwa Monarchie, Diktatur, Feudalstaat oder doch Theokratie?

33 Hans-Joachim Höhn, Postsäkular. Gesellschaft im Umbruch – Religion im Wandel, Paderborn 2007.