Hansjörg Hemminger

Wo steht die Evolutionstheorie?

Naturwissenschaftliche und weltanschauliche Anmerkungen

Einer meiner Lehrer während des Biologiestudiums in den 1970er Jahren pflegte zwischen der „kleinen“ und der „großen“ Evolution zu unterscheiden. Erstere sei ein Naturphänomen und werde durch biologische Theorien erfasst, verbunden mit geologischen und kosmologischen Theorien. Letztere sei eine übergreifende metaphysische Welterklärung, die, wie er sagte, „vom Wasserstoff zum Geist“ reiche. Seitdem hat die Evolutionsbiologie vor allem durch die moderne Genetik dramatische Fortschritte gemacht, während der weltanschauliche Evolutionismus davon weitgehend unbeeinflusst blieb. Daher soll in diesem Beitrag der Stand der biologischen Evolutionstheorie umrissen werden, mit einem besonderen Blick auf die Epigenetik, die derzeit große öffentliche Aufmerksamkeit findet. Anschließend wird nach möglichen weltanschaulichen Konsequenzen zu fragen sein.

1 Der Stand der Theorie

1.1 Die maßlose Komplexität des Mesokosmos

Die biologische Evolutionstheorie beschreibt zum einen den Wandel der Lebewesen im Laufe ihrer Abstammungsgeschichte. Zum anderen hat sie die Kausalzusammenhänge aufzuklären, die diesen Wandel steuern und die Fülle der Lebenswelt hervorbringen. Das bedeutet, dass einige der komplexesten Phänomene, die es in der Natur gibt, in ihren Aufgabenbereich fallen. Denn Organismen sind Phänomene des Mesokosmos, der Welt mittlerer Dimensionen. Sie haben weder die verblüffende physikalische Einfachheit des Mikrokosmos, der Elementarkräfte, Quarks und Elementarteilchen. Noch weisen sie die erhabene Einfachheit des Makrokosmos auf, der Sonnenentwicklung, der Flucht der Galaxien, der Singularität des Urknalls und der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Ein lebendiges System ist bereits im zeitlichen Querschnitt vergleichsweise sehr komplex. Seine Entwicklung in der Zeit, seine Evolution, fügt weitere Dimensionen der Komplexität hinzu. Jede Erklärung einer evolutionären Veränderung muss Prozesse auf mehreren Ebenen berücksichtigen, auf denen die Systembestandteile jeweils nach ihrer Eigengesetzlichkeit interagieren: molekular, zellulär, physiologisch, ethologisch, psychologisch, sozial, ökologisch. Die Ebenen sind durch aufsteigende und absteigende kausale Wechselwirkungen miteinander verbunden, sodass molekulare Änderungen physiologische nach sich ziehen, anatomische Änderungen ökologische Konsequenzen haben und so weiter. Die Charakteristika jeder Systemebene können jedoch nicht vollständig durch die einer unteren Ebene erklärt werden, d. h. die Komplexität des Systems ist nicht beliebig reduzierbar. Nach dem Systemtheoretiker Stuart Kauffman (2004) kann z. B. die Funktion des zellulären Genoms nicht allein von der Information her erschlossen werden, die seine DNA-Sequenzen tragen. Daher sind Erklärungen für evolutionäre Änderungen meist nicht allein auf molekulare (z. B. genetische) oder andere einfache Ursachen zurückführbar. Ob diese Einschränkung grundsätzlicher Art ist (starke Emergenz) oder nur praktischer Art (schwache Emergenz), braucht hier nicht geklärt zu werden. Jedenfalls bedeutet sie nicht, dass die Naturwissenschaft nicht mehr zuständig wäre und Metaphysik in irgendeiner Form in die Erklärungen eingeführt werden müsste. Sie bedeutet allerdings, dass die für die Theoriebildung nötigen Konzepte der jeweiligen Erklärungsebene adäquat sein müssen.

In welchem Verhältnis stehen die auf mehreren Ebenen ablaufenden, überaus komplexen Veränderungsprozesse, die bei der Evolution einer Spezies mitwirken, zur Theorie der natürlichen Selektion, also zu der auf den ersten Blick einfachen kausalen Erklärung für die Evolution, die mit dem Namen Charles Darwin verbunden ist?

1.2 Wie lernten Fledermäuse fliegen?

Will man zum Beispiel erklären, wie die Vorfahren der Fledermäuse vor über 50 Millionen Jahren im Eozän aktives Flugvermögen erreichten, benötigt man einen Einblick in das sich verändernde System auf mehreren Ebenen. Dazu gehört eine ökologische Hypothese über die Lebensweise ihrer (vermutlich gleitfliegenden) Vorfahren. Man muss weiterhin die Anatomie der Flughäute mit ihrem stützendem Skelett kennen, man sollte etwas über deren embryonale Entwicklung wissen und über die genetische Steuerung dieser Entwicklung. Ein genomischer Vergleich zwischen den Fledertieren und ihren nächsten Verwandten liefert weitere Daten und so fort. Nur so lassen sich Hypothesen dazu bilden, über welche Stufen, gesteuert durch welche regulatorischen Veränderungen die revolutionäre Innovation „aktiver Flug“ zustande kam.

Es ist offensichtlich, dass jede kausale Erklärung für adaptive Veränderungen in einem derart komplexen System, außer in sehr einfachen Ausnahmefällen, nur modellhaft möglich ist. Die Theorie der natürlichen Selektion ist allerdings für sämtliche Prozesse, die an der Veränderung beteiligt sind, eine Rahmenbedingung. Die Einzelheiten dieser allgemeingültigen Rahmenbedingung beschreibt heute die sogenannte „moderne synthetische Theorie der Evolution“. Sie ist mit den Namen Ernst Mayr, Theodosius Dobzhansky und Julian Huxley verbunden. Letzterer prägte den Begriff 1942 mit dem Buch „Evolution: The modern synthesis“. Es handelt sich im Kern um einen abstrakten, logischen Formalismus. Wichtig ist zu verdeutlichen, dass dieser Formalismus beliebige andere Prozesse, die an Veränderungen mitwirken, nicht ausschließt, sondern gerade einschließt. Er lässt sich so zusammenfassen: Die natürliche Selektion als Rahmenbedingung evolutionärer Veränderungen erfordert einmal Replikatoren (stabile, umwelt-invariante Erbinformationen), deren Variierbarkeit, deren Rekombination und einen Regelkreis zwischen Genotyp und Phänotyp, wobei auf den Phänotyp sowohl Selektionskräfte als auch nicht-selektive Effekte einwirken. Im nächsten Abschnitt wird dieser Formalismus in sieben Schritten knapp erläutert.

1.3 Der Formalismus der Selektionstheorie

  • Organismen, die sich sexuell fortpflanzen, existieren als Genotypen und Phänotypen, die im Wechselspiel von Generation zu Generation auseinander hervorgehen. Der fertige Organismus produziert Keimzellen (Gameten), die durch Rekombination die Zygote und damit den Genotyp der nächsten Generation erzeugen. Der wiederum erzeugt den Phänotyp, indem die genetische Information seine Entwicklung von der Zygote zum fertigen Organismus steuert. Dieser Zyklus verlangt, dass der Organismus in jedem Durchgang auf eine elementare Ausgangsform (Keimzellen und Zygote der Keimbahn) reduziert wird und aus dieser (das Soma) wieder neu entwickelt wird.
  • Das System aus Phänotyp und Genotyp hat die Eigenschaften eines selbst-replizierenden Automaten (SRA nach John von Neumann). Die genetische Information (das Genom) ist dabei als ein „self-assembly code“ zu betrachten, der zwei Funktionen hat. Erstens wird sie aktiv entschlüsselt, um ein selbstähnliches Replikat zu erzeugen. Zweitens wird die Information passiv kopiert und von eben diesem Replikat wieder reproduziert. Um den SRA funktionsfähig zu erhalten, muss die genetische Information in der Keimbahn vor Veränderungen geschützt werden. Das geschieht durch Reparaturmechanismen und dadurch, dass die Keimzellen unspezialisiert bleiben bzw. Modifikationen bei der Reifeteilung (Meiose) rückgängig gemacht werden. Erworbene Veränderungen des Phänotyps werden deshalb im Prinzip nicht an die nächste Generation weitergegeben.
  • Mutationen, also Veränderungen der genetischen Information in der Keimbahn, sind möglich, soweit sie den Zyklus zwischen Genotyp und Phänotyp nicht unterbrechen. Der „self assembly code“ muss funktionsfähig bleiben, und der Phänotyp muss imstande bleiben, ihn über die Keimbahn zu reproduzieren. D. h. der Organismus muss weiter funktionieren und zur Fortpflanzung kommen. Dadurch ist einerseits eine Evolution möglich, andererseits ergeben sich Einschränkungen („constraints“) möglicher Veränderungen. Die zukünftige Evolution ist „bebürdet“ mit ihren bisherigen Ergebnissen, also mit der aktuellen Form des Organismus. Es gibt, anders als z. B. bei der Konstruktion von Maschinen, keine Möglichkeit, ein für den Phänotyp funktional nötiges Element zu verwerfen und in der nächsten Generation durch ein besseres zu ersetzen. Die Evolution kann nicht „wegen Umbau schließen“ (Günther Osche). Ein optimal angepasster Organismus ist daher nicht möglich. Solche Einsichten wurden u. a. von der Systemtheorie der Evolution formuliert und gingen in die moderne Synthese ein.1
  • Variationen der genetischen Information durch Mutationen, Duplikationen, Gentransfer etc. produzieren oft (nicht immer) auch Variationen des Phänotyps. Diese weisen oft (nicht immer) unterschiedliche Eigenschaften auf, und diese wiederum können abhängig von den Erfordernissen von Organismus und Umwelt unterschiedliche Fortpflanzungswahrscheinlichkeiten aufweisen. Ihre Träger werden also mehr oder weniger Nachkommen hinterlassen. Entsprechend werden Variationen der genetischen Information in der nächsten Generation einer Population von Organismen (in ihrem Gen-Pool) häufiger oder seltener. Das Maß für die Zunahme, Abnahme oder Stabilität genetischer Varianten ist ihre relative oder absolute Fitness. Denn man kann „Fitness“ zum einen als die (positive oder negative) Auswirkung eines Gens oder Allels (s. u.) auf die Anpassung eines Organismus verstehen. Ebenso kann man jedoch „Fitness“ als die Rate definieren, mit der sich ein Allel gegen konkurrierende Allele im Genpool durchsetzt. Solche Fitnesswerte sind zwar u. U. im Labor messbar, aber wegen der vielen Faktoren, die dabei mitspielen, kaum je in der Natur. Daher sind evolutionäre Veränderungen nur eingeschränkt prognostizierbar. Was historische Evolutionsschritte angeht, fehlen für eine quantitative Bestimmung von Fitnesswerten die Daten.
  • Die Mutationen, die der Selektion unterliegen, entstehen primär durch physikalische, chemische, biochemische u. a. Prozesse, die nichts mit der Anpassung des Organismus an die Umwelt zu tun haben. Erst durch die Konkurrenz von Phänotypen mit unterschiedlicher genetischer Information, also durch Selektion, erhält die Veränderung dieser Information eine funktionale Richtung und wird zum Prozess der Anpassung.2 Da dieser Prozess meist mehrere bis viele Generationen dauert (s. u. auch das Stichwort Rekombination) und da sich die Selektionsbedingungen immer wieder ändern können, ist die Anpassung der Organismen an die Umweltbedingungen nie optimal.
  • Durch sexuelle Fortpflanzung des Phänotyps wird die genetische Information in jeder Generation neu kombiniert. D. h. der Genotyp wird in dem Zyklus nicht einfach kopiert und weitergegeben. Da die Fitness genetischer Varianten z. B. davon abhängen kann, ob auch andere Informationen im Genotyp präsent sind oder nicht (Stichworte sind Pleiotropie, Multigenität, „multi-genetic effect“), ergibt sich ihre Fitness durch eine Serie von Rekombinationen, die viele Generationen beanspruchen kann, als ein durchschnittlicher Effekt auf die jeweiligen Fortpflanzungsraten. Allein aufgrund unterschiedlicher (Re-)Kombination des bereits vorhandenen genetischen Materials können sich z. T. erhebliche Fitnessunterschiede ergeben. Das erweitert den Raum möglicher evolutionärer Anpassungen erheblich und ist der Grund, warum sexuelle Fortpflanzung unter höheren Lebewesen weit verbreitet ist.
  • Neben der Selektion sind immer auch nicht-selektive Einflüsse beteiligt, wenn sich die Häufigkeit von Varianten genetischer Information in einer Population ändert. D. h. es gibt eine zufällige bzw. stochastische Gendrift („genetic drift“). Es kann sich um die zufällige geografische Isolation einer kleinen Zahl von Individuen handeln. Das ist z. B. bei der Besiedelung von Inseln der Fall, ein Vorgang, an dem typischerweise nur wenige Individuen als Gründerpopulation beteiligt sind. Daher wird der Genpool der neuen Population zunächst vornehmlich durch Zufall bestimmt. Solche Vorgänge spielen bei der Artbildung durch separierte Teilpopulationen eine wichtige Rolle. Auch Mutationen, die mit einer gewissen Häufigkeit immer wieder auftreten, sind stochastische Ereignisse, die sich (wenn sie oft genug auftreten und nicht oder wenig schaden) in der Population anhäufen können. Der Effekt hängt von der Populationsgröße ab sowie von der Mutationsrate und dem Umfang der genetischen Information (der Größe des Genoms). Je kleiner die Population und je stärker die stochastische Veränderung ist, desto stärker wirkt sie sich aus. Diese Einsichten wurden von der Populationsgenetik sowie von der Neutralen Theorie der Evolution in die „synthetische Theorie“ eingebracht.3

1.4 Erweiterung oder Revolution?

Die Fortschritte der Evolutionstheorie seit der Formulierung der „modernen Synthese“ betreffen nicht den grundsätzlichen Formalismus der Selektionstheorie, sondern die Prozesse, die im Einzelfall bei Veränderungen des Systems „Organismus“ mitwirken. Folgende Stichworte bezeichnen wesentliche Fortschritte:

  • Erkenntnisse der Entwicklungsphysiologie über die genetische Steuerung der Ontogenese wurden in die Evolutionstheorie integriert (Evolutionäre Entwicklungsphysiologie, EvoDevo). Innovationen im Bauplan von Lebewesen werden besser erklärbar, da mittlerweile erkannt wurde, dass geringe Veränderungen an steuernden Genen große Effekte auf den Bauplan des Organismus haben können.
  • Das ökologische Konzept der Nischenkonstruktion wurde entwickelt, um zu berücksichtigen, dass Organismen Selektionskräften der Umwelt nicht nur passiv ausgesetzt sind, sondern die Umwelt aktiv verändern und damit ihre eigene Evolution beeinflussen. Sie haben nicht nur ein genetisches, sondern auch ein ökologisches Erbe. Zum Beispiel nutzen Weidetiere nicht nur Weidegräser, sie sorgen auch durch eben ihre Weidetätigkeit dafür, dass Baum- und Buschbestand kleingehalten werden, und tragen somit selbst zur Stabilität der von ihnen genutzten Umwelt bei. Auch und insbesondere für Modelle der menschlichen Evolution ist dieses Konzept unabdingbar.
  • Die nicht genetisch bedingte Plastizität der Lebewesen führt dazu, dass Phänotypen abhängig von Umwelteinflüssen viel stärker variieren können als ihr Genotyp. Diese Plastizität kann als Vorstufe (Prä-Adaptation) evolutionäre Veränderungen erst ermöglichen. (Früher wurde statt von Plastizität von umweltbedingten Modifikationen gesprochen.)
  • Die zurzeit populäre Epigenetik untersucht umweltbedingte Modifikationen, die bereits am Genom bzw. seiner Funktion ansetzen und die evtl. erblich sind, d. h. nicht dem Prinzip folgen, dass erworbene Eigenschaften des Phänotyps verworfen werden. Sie wird im folgenden Abschnitt behandelt.
  • Die im Prinzip schon lange bekannte neutrale molekulare Evolution wird heute durch den Fortschritt der Genetik sehr viel besser verstanden. Sie spielt in der Evolution höherer Organismen eine wichtigere Rolle, als früher berücksichtigt wurde.4
  • Fortschritte in der mathematischen Modellierung von Gruppenselektion und „Verwandten-Selektion („kin selection“), die mit dem Namen Martin A. Nowak verbunden sind, haben gezeigt, dass Selektion auf der Ebene sozialer Gruppen unter bestimmten Bedingungen möglich ist und dass kooperatives Verhalten und gegenseitige Hilfe in der Evolution eine höhere Fitness als Konkurrenzverhalten zur Folge haben kann. Diese Überlegungen spielen u. a. für Modelle der Evolution des menschlichen Sozialverhaltens eine wichtige Rolle.

Die hier lediglich stichwortartig aufgelisteten Theoriebestandteile, von der Nischenkonstruktion zur neutralen Evolution, setzen die Rahmenbedingungen der natürlichen Selektion nicht außer Kraft. Erweiterungen der „modernen Synthese“ ergaben sich seit Jahrzehnten in einer fortlaufenden Entwicklung. Ob diese Erweiterungen sich inzwischen derart angesammelt haben, dass man von einem Paradigmenwechsel sprechen kann oder gar von einer wissenschaftlichen Revolution, ist fraglich. Es gibt zwar keine klaren Kriterien für den Unterschied zwischen paradigmatischer Veränderung und dem Fortschritt der „normal science“. Aber der Kern der modernen synthetischen Evolutionstheorie blieb und bleibt erhalten, sodass man schlecht von einem Paradigmenwechsel sprechen kann. Allerdings sind sich selbst Spitzenwissenschaftler an diesem Punkt nicht einig. In dem innovativen Artikel von Koonin „Splendor and misery of adaptation“ geht es um das vertiefte Verständnis der neutralen Evolution auf genetischer Grundlage. Er gehört zu denen, die eine erweitere Synthese der Evolutionstheorie (EES) als eine revolutionäre Änderung verstehen. Im Unterschied dazu sehen Charlesworth et al. in ihrem Übersichtsartikel „The sources of adaptive variation“ eher Ergänzungen der modernen Synthese.

1.5 Zur Epigenetik

Der Begriff Epigenetik wurde 1942 von Conrad H. Waddington geprägt: Bei ihm bezeichnete er unterschiedliche (differentielle) Fortpflanzungs- und Entwicklungswege aufgrund äußerer Faktoren, d. h. im heutigen Sinn regulatorische Einflüsse auf die Entwicklung. Rupert Riedl prägte später den Begriff „epigenetisches System“ für Regulationsprozesse, die zu differentiellen Systemzuständen führen. Diese Ergebnisse gingen schon vor Jahrzehnten in die „synthetische Theorie“ ein. Das Wort Epigenetik wird heute in einem veränderten, engeren Sinn verwendet. Es bezeichnet erbliche Faktoren bzw. Informationen, die nicht genetisch codiert sind. Diese Doppelbedeutung führt zu einiger Verwirrung. Die ältere, breite Bedeutung sollte deshalb eigentlich nicht mehr benutzt werden, da umweltabhängige Einflüsse auf die Aktivität der genetischen Information seit langem bekannt sind. Nicht nur das, sie sind unabdingbar für die Spezialisierung von Zellen und Geweben. Dass Organismen imstande sind, auf der Grundlage gleicher genetischer Information plastisch auf unterschiedliche Umweltbedingungen zu reagieren, ist ein derart gravierender ökologischer Vorteil, dass die Selektionstheorie seine Entstehung geradezu fordert.

Paradigmatisch neu wäre dagegen die Erblichkeit erworbener Eigenschaften mit einer Stabilität über Generationen hinweg, die der Stabilität genetischer Information vergleichbar ist. Damit würde der Regelkreis zwischen Genotyp und Phänotyp umgangen, ein zweiter Evolutionsmechanismus wäre zu berücksichtigen. Die Belege für einen solchen Mechanismus sind jedoch bestenfalls schwach, was im Folgenden kurz begründet werden soll.

Einmal gibt es regulatorische Faktoren außerhalb des Genoms im Plasma der Zelle.5 Die Weitergabe solcher kleiner regulatorischer RNA-Moleküle durch Keimzellen stellt eine Möglichkeit der Vererbung erworbener Eigenschaften dar.6 Allerdings scheinen sie selten mehr als drei Generationen zu existieren und sind insofern als Ursache evolutionärer Veränderungen nicht stabil genug. Weiterhin kommen chemische Modifikationen der DNA für die Weitergabe an die nächste Generation infrage, die nicht ihre Basensequenz (ihre „Schrift“) betreffen, sondern an diese angelagert sind. Sind sie über längere Zeit stabil, spricht man von Epi-Allelen eines Gens, während Variationen im genetischen Code selbst als Allele bezeichnet werden. Ähnliche Modifikationen kennt man von Histonen, also von Proteinen, die DNA im Zellkern begleiten.

Das einfachste und häufigste Beispiel ist die Verringerung der Aktivität eines Genorts durch Methylierung (Anfügen von Methylgruppen an die Base Cytosin nach Guanin). Methylierungsmuster von somatischen Zellen in höheren Organismen bleiben bei deren Vermehrung (Mitose) erhalten, um den Zelltyp stabil zu halten.7 Ebenso können sie bei der Vermehrung durch Zellteilung in Einzellern erhalten bleiben (Dauermodifikation). In Keimzellen wird das Methylierungsmuster jedoch weitestgehend gelöscht (s. o.). In der Keimbahn gibt es also prinzipiell keine epigenetischen Modifikationen, es scheint aber Ausnahmen zu geben. Die klarsten Fälle sind von Pflanzen bekannt, bei denen Keimbahn und Soma weniger scharf unterschieden sind und bei denen das Entfernen solcher Markierungen weniger gut zu funktionieren scheint als bei Tieren. Beim Lieblingskraut der Genetiker, der Acker-Schmalwand (Arabidopsis) wurden Methylierungsmuster über 31 Generationen weitergegeben und hatten einen Einfluss auf die Blütezeit und andere Merkmale. Allerdings ist unklar, ob unterschiedliche Muster nicht mit genetischen Unterschieden gekoppelt sind, sodass es sich evtl. nicht um eine reine Vererbung erworbener Eigenschaften handelt. Auch solche gut belegten epigenetisch vererbten Merkmale sind vergleichsweise instabil und unterliegen einer hohen Veränderungsrate.8 Dennoch könnten sie sich in der Population anreichern, wenn sie einen hinreichenden Fitnessvorteil hätten. Ebenso können schädliche Markierungen erhalten bleiben, wenn sie nicht zu instabil sind und wenn ihr Fitnessnachteil nicht zu hoch ist.

Eine „Lamarck‘sche“ Vererbung erworbener Eigenschaften läge jedoch nur dann vor, wenn erworbene DNA-Markierungen usw. unabhängig von genetischen Unterschieden stabil weitervererbt würden. Das ist nach allem, was bisher bekannt ist, nicht der Fall. Und es ist unwahrscheinlich, dass solche Vorgänge in der Natur eine – bisher unentdeckte – Rolle spielen. Denn epigenetische Modifikationen stehen ebenfalls unter der Kontrolle genetischer Module und sind damit doch wieder von Veränderungen des Erbguts abhängig. Alle epigenetischen Veränderungen werden von Enzymen vorgenommen, die wiederum DNA-kodiert sind. Entsprechend wurde vielfach empirisch nachgewiesen, dass Selektionskräfte auf genetisch homogene Fortpflanzungslinien kaum einen Einfluss haben, auch wenn ihre Phänotypen variieren.9 Wenn sich genetisch nichts ändert, geschieht nach heutigem Wissen nichts, was man als Evolution ansehen könnte. Der populäre Hype um die Epigenetik wird vom Forschungsstand jedenfalls nicht gedeckt.

2 Zur weltanschaulichen Verwertung

2.1 Evolutionismus und Anti-Evolutionismus

Wie das Beispiel „aktiver Flug der Fledermäuse“ in Abschnitt 1.2 zeigte, ist eine kausale Analyse konkreter evolutionärer Innovationen schwierig und oft mangels Daten nicht möglich. In populären Darstellungen, vor allem auch in weltanschaulich aufgeladenen evolutionistischen Ideologien, tauchen dennoch sehr verkürzte und manchmal völlig irreführende Erklärungen auf, die Stephen Gould als „adaptive storytelling“ kritisierte: Homo sapiens entwickelte seine große Hirnrinde, weil ..., Religion entstand im Mesolithikum, weil ..., Männer neigen mehr zum Fremdgehen als Frauen, weil ... und so weiter, in einer schier endlosen Folge von Selektionsgeschichten, die oft so gut wie keine empirische Grundlage haben. Die Narrationen gehen kaum je von der Evolutionstheorie aus, wie sie in der Biologie gilt, also vom Stand der „synthetischen Theorie“.

Aber auch Kritik, die ein berechtigtes Interesse an der Abwehr einer naturalistischen und szientistischen Verwertung der Evolutionstheorie hat, berücksichtigt den Stand der Forschung in der Regel nicht. Vielmehr wird ein vereinfachtes, oft sogar verzerrtes Bild des „Darwinismus“ gezeichnet, um es anschließend zu dekonstruieren. Man sollte diesen Weg vermeiden, auch von kirchlich-theologischer Seite. Eine derartige Kritik wird zum einen von Fachleuten nicht ernst genommen, und zum anderen vergibt man die Chance, mit der Naturwissenschaft gegen ihre ideologische Verwertung zu argumentieren.

Recht verstandene Naturwissenschaft ist ideologiekritisch, und das sollte man nutzen. Die in Abschnitt 1.5 erwähnten Missverständnisse der Epigenetik beruhen fast immer auf vorauslaufenden Missverständnissen der Evolutionstheorie im Allgemeinen. Das gilt auch für das philosophische bzw. theologische Interesse an der Epigenetik, das daher rührt, dass man in ihr das Potenzial zu erkennen meint, einen rigiden, weltanschaulichen Darwinismus zu widerlegen. Besser wäre es, ihn durch die Evolutionstheorie zu widerlegen.

Die obige Empfehlung mag auf der Ebene der akademischen Debatte Wirkung zeigen. Auf der Ebene populärer Wahrnehmung ist, so scheint es, gegen den Evolutionismus kein Kraut gewachsen. Nicht-Biologen (und nicht wenige Biologen) verstehen zum Beispiel unter dem „Kampf ums Dasein“ (survival of the fittest) etwas, was mit den unter 1.3 erläuterten Prinzipien nicht übereinstimmt. Untersuchungen der Biologiedidaktik (z. B. Dittmar Graf, Gießen) zeigen, dass der Fitnessbegriff sogar von Lehrern im Vorbereitungsdienst mehrheitlich falsch verstanden wird. Das überrascht nicht. Auch andere weltanschaulich wirksame naturwissenschaftliche Theorien werden in verzerrter Form Bestandteil diverser Welterklärungen. Was sich gebildete Nicht-Fachleute unter dem Urknall vorstellen, dürfte nicht mehr mit der kosmologischen Standardtheorie zu tun haben als der „Kampf ums Dasein“ mit den Fitnesslandschaften evolutionstheoretischer Modelle. Solche Verzerrungen laden zur ideologischen Nutzung geradezu ein.

2.2 Kreationismus und die Hoffnung auf die Einheitstheorie

Dass auch Kreationisten diese Gelegenheit wahrnehmen, überrascht nicht. Man deutet die Diskussion um eine „erweiterte Synthese“ als Zerfalls- und Krisengeschehen. Dass das Gegenteil der Fall ist, wurde in Abschnitt 1.4 erläutert. Mit seiner fast schon zwanghaften Wissenschaftskritik begibt sich der Kreationismus immer mehr in die Gesellschaft des Rechtspopulismus. Kaden hat dazu 2015 eine Untersuchung vorgelegt: „Kreationismus und Antikreationismus in den Vereinigten Staaten von Amerika“. Das vergiftete weltanschauliche Klima in den USA wird von ihm eindrücklich beschrieben. Allerdings durchlebt die evangelikale Bewegung in den USA wegen ihres Bündnisses mit dem Trump-Lager und seinen „Fake News“ auch eine Glaubwürdigkeitskrise. „Post-evangelicalism“ ist in kurzer Zeit zu einer festen Bezeichnung für den inneren Zerfall der Bewegung geworden.

Im Zuge dieser Krise wird auch der Kreationismus kontrovers diskutiert. Da kommt die Diskussion um die Epigenetik gerade recht, um gegen die Krise des Kreationismus eine Krise der Biologie herbeizureden. Hintergrund der kreationistischen Evolutionskritik ist bekanntlich die Sehnsucht nach der Vereinheitlichung allen Wissens, nach der menschlich verfügbaren und doch überzeitlichen Wahrheit, in diesem Fall durch die Irrtumslosigkeit der Schrift. Diese Sehnsucht gibt es auch in Theologie und Philosophie sowie entsprechende Versuche, die naturwissenschaftliche Theorie weltanschaulich zu vereinnahmen. Es handelt sich jedoch um ein erkenntnistheoretisch grundlegend verfehltes Unternehmen.

Auch szientistisch bzw. naturalistisch orientierte Fachleute verbinden mit der Erweiterung der synthetischen Theorie ideologische Erwartungen. Durch sie soll die „große Evolution“ von einer metaphysischen Spekulation zur wissenschaftlich fundierten Welterklärung werden. Laland, ein Wortführer der evolutionstheoretischen Revolutionäre, sieht wieder einmal eine Möglichkeit, „Darwinian principles“ über die Biologie hinaus auf Kultur, Gesellschaft Religion usw. auszudehnen, also einen generalisierten Darwinismus in den Sozialwissenschaften und darüber hinaus zu etablieren. Seine Programmatik läuft auf einen weltanschaulichen Sieg des Szientismus hinaus. Eine neu gegründete wissenschaftliche Gesellschaft, die „Society for Cultural Evolution“, soll bereits über 2000 Mitglieder haben und vertritt Lalands Anliegen vehement.

Allerdings hatten wir solche szientistischen Aufbrüche seit Charles Darwin schon öfters, zum Beispiel bei der Einführung der Soziobiologie durch Edward O. Wilson 1975. Sie haben immer das gleiche Ergebnis: Die Naturwissenschaft gewinnt an Erklärungskraft. Aber die widerstreitenden Weltbilder, vom Naturalismus bis zum Schöpfungsglauben, bleiben ebenso intellektuell möglich wie logisch unbeweisbar. Das ist allerdings kein Grund, die Naturwissenschaft in Kirche und Theologie zu ignorieren. Denn auch der Mensch ist ein Naturwesen.

2.3 Der Mensch – sein eigenes Schicksal?

Je mehr die Wissenschaft über Evolutionsprozesse weiß, desto deutlicher wird auch, wie komplex die Naturgeschichte der Menschheit ist und wie sehr nicht nur die Art Homo sapiens, sondern jeder einzelne Mensch auch (nicht nur) ein Produkt dieser Geschichte ist. Vor dem Hintergrund dieses Wissens wirken gegenwärtige Hoffnungen auf die Selbstverbesserung des Menschen (Transhumanismus) grenzenlos naiv. Man sollte nicht vergessen, wie geradezu kindisch die Selbstverbesserungsideen des 19. und 20. Jahrhunderts heute auf uns wirken: die Eugenik, der durch Zuchtwahl zu produzierende bessere Mensch, die Einteilung der Rassen in höhere und niedere Formen usw. Ähnlich naiv werden heutige Programme für das „human enhancement“ später wirken. Das schreckt die Ideologen nicht ab, und gerade die Epigenetik ist ein Beispiel für weltanschauliche Verwertungsprozesse. Um nicht missverstanden zu werden: Die epigenetische Forschung ist sehr wohl medizinisch relevant und hat auch sonst – zum Guten wie zum Bösen – viele Anwendungsmöglichkeiten. Aber den „Neuen Menschen“ wird sie nicht hervorbringen.

Das szientistische Denken ist in unserer Kultur weit über die – relativ wenigen – ausdrücklichen Vertreter des Transhumanismus und des Evolutionismus hinaus allgegenwärtig. Es beeinflusst auch das Gottes- und Menschenbild in Kirchen und Gemeinden. Denn die Naturwissenschaft produziert Technik, und diese verleiht der Menschheit eine in früheren Zeiten undenkbare Möglichkeit, die eigene Lebenswelt zu gestalten. Die Lebenswelt ist menschengemacht, der Lebensweg ist menschengemacht – und auch Gott ist menschengemacht. Die Technik und die Lebenswelt, die sie beherrscht, werden jedoch keineswegs nur als positiver Gestaltungsraum erfahren, als Feld von Möglichkeiten. Sie sind ebenso – vielleicht noch mehr – ein Feld von Zwängen und unbeherrschbaren Mächten, sie sind einengend und ängstigend. Denn technische Macht über die Natur bedeutet Macht der Menschen, die technische Mittel besitzen, über andere Menschen. Das gilt für Genetik und Epigenetik wie für jede andere Form der Naturwissenschaft. Die menschengemachte Welt hat paradiesische und dämonische Züge, sie dient dem Menschen, und sie beherrscht ihn.

Man hat den Eindruck: Auch Christen glauben in dieser Wissenschafts- und Technikkultur nicht – oder nur halb –, dass Gott Herr der Geschichte ist, vor allem nicht der Natur- und Weltgeschichte. Zu tief sitzt die prägende Wahrnehmung, dass der Mensch mit einem blinden Schicksal ringt, dessen Kräfte und Mächte in einem geschlossenen System natürlicher Prozesse wirken. Diesen Mächten ist der Mensch entweder ausgeliefert oder er bedient sich ihrer, zum Guten wie zum Bösen. Einen anderen Herrn der Geschichte gibt es im existenziellen Erleben nicht, auch wenn die Kirchen etwas anderes sagen. Aber sagen sie es wirklich?


Hansjörg Hemminger


Anmerkungen

  1. Wale können z. B. nicht zurück zur Kiemenatmung, so günstig das für sie wäre. Die Zwänge der Ontogenese (der Entwicklung von der Zygote zum fertigen Organismus) lassen das nicht zu. Ein Beispiel für mögliche Veränderungen, die vom System Organismus, nicht von Selektionskräften, gelenkt werden, ist die bei vielen Eidechsenarten vorkommende Reduktion der ursprünglich fünf Zehen, die das Entwicklungsmuster des Beins auf unterschiedliche Weise verändern. Keine Variante scheint einen selektiven Vorteil zu haben. Ein anderes Beispiel ist die Zahl der Beinpaare bei Hundertfüßlern, die immer gerade ist, obwohl es keinen funktionalen Vorteil gegenüber ungeraden Zahlen gibt.
  2. Man spricht von Teleonomie im Unterschied zur Teleologie; der Begriff steht für eine funktionale Anpassung, die nicht durch Planung, aufgrund eines vorgegebenen Sinns oder eines angestrebten Ziels (Telos) zustande kommt, sondern durch ein Feedback via Selektion.
  3. Eine wichtige Folgerung ist die Hypothese der „drift barrier“: Da das Gleichgewicht zwischen Selektion und Gendrift von der Populationsgröße abhängt, dominieren in sehr großen Populationen Selektionskräfte: Auch geringe Vor- oder Nachteile an Fitness werden selektiv wirksam. In kleinen Populationen dominieren dagegen z. T. die stochastischen Effekte, z. B. Mutationen. Es entsteht eine „Drift-Barriere“ für die Selektion, d. h. Unterschiede der Fitness, die quantitativ zu gering sind, wirken sich nicht auf den Gen-Pool aus. Die Hypothese erklärt u. a., warum höhere Organismen funktionslose DNA in ihrem Genom ansammeln und z. B. Bakterien nicht; s. auch die folgende Fußnote.
  4. Höhere Organismen (Eukaryoten) sammeln z. B. genetische Information an, die keinen phänotypischen Effekt hat oder deren Effekt für den Phänotyp irrelevant ist. Diese „neutrale“ Information (introns, junk DNA etc.) wird nicht selektiv entfernt, weil ihr Mitschleppen nicht nachteilig genug ist, um die „drift barrier“ zu überwinden. Das Konzept der neutralen molekularen Evolution wurde in den 1960er Jahren von Motoo Kimura entwickelt und seither sehr erweitert.
  5. Ein Beispiel ist die Unterdrückung von „springenden Genen“ (TE) durch eine Klasse von RNA-Molekülen. Diese können bei Drosophila in der Eizelle weitergegeben werden, sodass der Eindruck einer direkten Vererbung einer erworbenen Fähigkeit in der mütterlichen Linie entsteht. Sie sind aber nur über mehrere Generationen vorhanden, wenn auch TEs weiter im Genom vorhanden sind.
  6. Ein ähnlicher genetischer Mechanismus, die Paramutation, wird hier außer Acht gelassen.
  7. Ein Beispiel für „parental imprinting“: Der Hypothalamus von Ratten reguliert die Ausschüttung von Cortisol bei Stress. Die regulatorischen Rezeptoren (Glucocorticoid-Rezeptoren) werden von einem Gen kontrolliert, dessen Aktivität in Abhängigkeit von der Situation in den ersten drei Lebenswochen durch Methylierung unterschiedlich ist; entscheidend ist die mütterliche Zuwendung („licking and grooming“). Der Effekt ist aber nicht im evolutionären Sinn erblich.
  8. Auch bei Säugetieren gibt es gewisse, allerdings im Labor erzeugte Effekte von einer Generation zur anderen (Anregung von Methylierung des Agouti-Gens bei Labormäusen usw.).
  9. Es gibt zahlreiche Belege für diesen Befund, s. Charlesworth et al. (2017), Part 4. Dennoch formulieren auch seriöse Zeitschriften wie New Scientist unsauber, z. B. mit dem Titel „Rewriting Darwin“: www.newscientist.com/article/mg19926641-500-rewriting-darwin-the-new-non-genetic-inheritance; s. die Kritik dieses Artikels: http://sandwalk.blogspot.de/2008/07/epigenetics-in-new-scientist.html  (Abruf der in diesem Beitrag angegebenen Internetseiten: 2.8.2017).


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