Gesellschaft

Wave-Gotik-Treffen in Leipzig

Wer Leipzig zu Pfingsten besucht, wird sich inmitten schwarz kostümierter und gestylter Leute wiederfinden. Wie beim Karneval in Venedig scheint es da­rum zu gehen, das schönste, aufwändigste und abgefahrenste Kostüm vorzuweisen. In der Nähe dieser Gestalten weht häufig ein leicht modriger Geruch – das spezielle Parfüm der Szene. Wave-Gotik-Treffen (WGT) nennt sich das Happening, das vom 6. – 9. Juni 2014 zum 23. Mal stattfindet mit Teilnehmern aus der ganzen Welt. Es gibt Konzerte, Modenschauen, eine Art Messe der verschiedensten Anbieter aus der Szene, ein Camp am Stadtrand, wo man übernachten, vor allem aber feiern und sich begegnen kann, bis zu Absinth-Partys in Szene-Kneipen (www.wave-gotik-treffen.de).

War es in den frühen 1990er Jahren noch ein Geheimtipp mit nur wenigen Bands, ist es jetzt ein Ereignis mit über 20 000 Dauerteilnehmern, bei dem 120 Bands und Künstler aus der Szene auftreten. Sind das nun alles Satanisten? Beileibe nicht, auch wenn etliche Bands mit satanischem Hokuspokus und harten Texten punkten. Andere pflegen Mittelaltermusik und Ritterspiele oder die düstere Stimmung halb verfallener gotischer Gebäude und nächtlicher Friedhöfe. Was allen gemeinsam ist, ist das Spiel mit Vergänglichkeit und Tod, das sich auch in den Kostümen und im Parfüm wiederfindet.

Fast alle Kulturinstitutionen der Stadt bieten besondere Angebote für die inzwischen gut situierte und zahlungskräftige Zielgruppe der WGT-Teilnehmer an. Alle springen sie auf den Trend von Fashion und Lifestyle der Gothics auf. 2014 gibt es ein besonderes Highlight: Zum ersten Mal findet die internationale Automobil-Messe AMI (Auto Mobil International) zeitgleich mit dem Wave-Gotik-Treffen statt. Aus diesem Anlass organisiert die Leipziger Messe eine exklusive Sonderschau mit historischen Bestattungsfahrzeugen sowie ein professionelles „Foto-Shooting“. Die schwarze Szene, als jugendlicher Protest gestartet, ist mitten in der Gesellschaft angekommen.


Uta Gerhardt, Leipzig