Matthias Pöhlmann

Urchristlicher Handel im Wandel

Neue Themen des Universellen Lebens im Hochglanzformat

Das Universelle Leben (UL) zählt zweifellos zu den derzeit publizistisch aktivsten neureligiösen Gruppierungen. Allein im Internet gibt es eine kaum zu überschauende Vielzahl von Initiativen, für die „Urchristen“ verantwortlich zeichnen. Selbst für kritische Beobachter wird es zunehmend schwer, den Überblick über die weit verzweigten Aktivitäten und zumeist antikirchlichen Initiativen zu behalten, die von Tierschutz, Anti-Jagd-Kampagnen und Biokost bis hin zu Meditations- und Heilungsangeboten reichen. Das ist kein Zufall: Von jeher haben die Anhänger der neuen Offenbarungen durch die Lehrprophetin Gabriele Wittek Wert auf eine möglichst breit angelegte und polarisierende Öffentlichkeitsarbeit gelegt. Dies ließ sich schon vor 1984 beobachten, als das UL noch Heimholungswerk Jesu Christi hieß. Blaue Broschüren und hektographierte Blätter wurden in dieser Zeit inflationär verteilt.

Neu ist hingegen, dass die Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr unter einem klar erkennbaren Signet betrieben wird. So lassen sich seit den letzten Jahren an den Druckerzeugnissen nicht nur Veränderungen im Erscheinungsbild, sondern auch Modifikationen in der UL-Publizistik ablesen. Besonders augenfällig wird dies am Beispiel der früher erschienenen Zeitungs- und Zeitschriftentitel, die nach und nach wieder eingestellt wurden, um von neuen Magazinen abgelöst zu werden. Zwischen 1985 bis 1996 erschien Der Christusstaat, von 1997 bis 2000 Das weiße Pferd und schließlich von 2000 bis 2004 Das Friedensreich. Seither existiert keine „offizielle“ Zeitschrift des UL mehr. Manche Artikel in älteren UL-Periodika entsprechen nicht mehr der heutigen Sichtweise des UL. Im Internet findet sich im Stichwortverzeichnis zu Der Christusstaat etwa der Hinweis, dass ältere Beiträge kopiert und bestellt werden können. Einschränkend heißt es jedoch: „Dies gilt allerdings nur für Texte, deren Inhalt im wesentlichen auch mit der heutigen Sichtweise [2007] übereinstimmen. Wenn dies nicht der Fall ist, erhalten Sie Bescheid“ (www.das-weisse-pferd.com/Stichwortverzeichnis1a.html, 7.2.2008).

Radikale Abgrenzungsrhetorik

Bislang dominierte die UL-Periodika eine radikale Abgrenzungsrhetorik. Sie ist weiterhin in der Flugblattpublizistik flankierender UL-Inititativen greifbar. Seit 1997 taucht hin und wieder das kostenlose (Flug-)Blatt „Der geistige Revolutionär Christus – Unkonfessionelle Zeitung junger Urchristen“ auf. Hinzu kommen weitere publizistische Aktivitäten einzelner UL-Anhänger wie etwa des ehemaligen evangelischen Pfarrers Dieter Potzel. Er offeriert unter dem Titel „Der Theologe“ 38 thematische Broschüren, die durchweg kirchenfeindlichen Geist atmen. So heißt es auf der entsprechenden Internetseite www.theologe.de: „Die Kirchen wiegeln den Staat auf, Glaubensgemeinschaften zu bekämpfen, die ihnen ein Dorn im Auge sind.“ Potzel ist auch Mitglied der 1999 mit zwei anderen ehemaligen und dem UL nahestehenden Theologen gegründeten Initiative „Freie Christen für den Christus der Bergpredigt“. Hin und wieder treten die Initiatoren mit Flugblattaktionen an die Öffentlichkeit, so etwa 2006 im Vorfeld des Papstbesuches in Bayern mit der Flugschrift „Was kostet Sie der Papst?“ und mit der bundesweiten Unterschriftenaktion „Die evangelische oder lutherische Kirche soll sich nicht mehr christlich nennen“ (www.freie-christen.com).

Das UL beherrscht aber auch die Klaviatur der milden Töne, wenn es der eigenen Sache dienen soll. So zeichnet sich seit einigen Jahren bei Zeitschriften aus dem Umfeld des UL ein ganz neuer Trend ab. Die neuen Erzeugnisse heißen jetzt: Freiheit für Tiere (vierteljährlich, Druckauflage: 20 000), Vegetarisch genießen (seit 2004) sowie Leben, Leben und nochmal Leben – Das Fenster zum Schönen. Gegenüber früheren Jahren wird jetzt im Titel auf religiöse Konnotationen bewusst verzichtet. Die Aufmachung ist im Vergleich zu den früheren Periodika, die eher einer Zeitung glichen, ansprechender gestaltet. Mit Spartenzeitschriften zu Tierschutz, gesunder Ernährung und Lifestyle soll besonders die säkulare Öffentlichkeit erreicht werden, um eigene Produkte besser absetzen zu können.

Ging es in den Jahrzehnten zuvor noch um „Lehrprophetin“ und „Gottesinstrument“, Klimakatastrophe, Gentechnologie, Verschwörungstheorien und Untergangsszenarien, so stehen jetzt Tierschutz, vegetarische Ernährung und Lifestyle-Accessoires in der publizistischen UL-Agenda ganz oben. Oberflächlich wird der sektiererische Hintergrund des UL kaum erkennbar. Diese publizistische Weichzeichnerei ist nach Meinung von Beobachtern internem Druck und immer neuen Vorgaben der „Prophetin“ geschuldet. Offenbar steht hinter der neuen Medienstrategie auch die Erkenntnis, dass mit der bisher üblichen Aggressivität gegenüber den Kirchen oder mit Slogans wie „Gott spricht durch die Prophetin“ kaum neue Anhänger zu rekrutieren sind oder dadurch sogar Menschen abgestoßen werden könnten. Neue „positive“ Themen wie Tierschutz, Vegetarismus und Abschaffung der Jagd werden jetzt im Hochglanzformat präsentiert. Seit einigen Jahren wird über Satellit das TV-Programm des „Senders Neu-Jerusalem für das Friedensreich Jesu Christi“ ausgestrahlt. In den Sendungen werden die UL-Aktivitäten zu Tierschutz und Abschaffung der Jagd werbewirksam präsentiert. Aus dem All in Bild, Ton und Buch heißt die begleitende Zeitschrift zum „Radio- und Fernsehprogramm der Urchristen“.

Zurück zum Printbereich: Die neueste Ausgabe 1/2008 des vierteljährlich erscheinenden Hochglanzmagazins Leben, Leben und nochmal Leben zum Preis von fünf Euro befasst sich mit unverfänglichen wie auch unaufdringlichen Themen wie Möbel, Schreibtische, exquisite Lichtquellen, Pflege mit Naturkosmetik, Kräuter, Heilfasten und vegetarische Restaurants. Am Ende wird auch die jeweilige Bezugsquelle für die vorgestellten Produkte genannt. Es handelt sich dabei u. a. um den in Marktheidenfeld ansässigen Versandhandel „Glitzerstübchen“, der z. B. Bettwäsche, Kerzenhalter und kleinere Möbelstücke offeriert. Bei den Bezugsquellen handelt sich um Adressen, die ausnahmslos zum Umfeld des UL gehören. Auch Werbeanzeigen sind in den Heften zu finden: jedoch ausschließlich für UL-Bioprodukte bzw. für eigene Betriebe wie z. B. das „Einkaufsland“ in Marktheidenfeld-Altfeld. Beworben wird im Magazin auch das Büchlein „Die Perlenfischerin“ inklusive einer CD „mit Gabrieles Verinnerlichung zum Vaterunser“ und begleitender Instrumentalmusik, erschienen im hinlänglich bekannten „Wort Verlag“ des UL. Der Verlag, in dem das Hochglanzmagazin erscheint, nennt sich „Leben, Leben und nochmal Leben-Verlag“ bzw. „Phönix Antiquitäten und Inneneinrichtungs GmbH“, die auch den „Glitzerstübchen Shop“ betreibt. Im Impressum wird als Geschäftsführer Martin Kübli genannt, der auch als Herausgeber des Leben, Leben und nochmal Leben-Magazins fungiert.

Dass es sich im Kern um einen UL-Verlautbarungsjournalismus handelt, verdeutlicht in der Ausgabe 1/2008 (90-97) eine achtseitige Anzeige – oder ist es ein Bericht? – der Gabriele-Stiftung mit dem Untertitel „Das Saamlinische Werk der Nächstenliebe an Natur und Tieren“ mit illustrierenden Fotos von glücklichen Urrindern und Rehen.

Urchristlich genießen?

Inzwischen werden auch „Best Of-Ausgaben“ der Zeitschrift Vegetarisch genießen im Zeitschriftenhandel zum Preis von 12,80 Euro angeboten. Das 130 Seiten umfassende großformatige Einzelheft präsentiert vegetarische Kochrezepte und erscheint – ebenso wie das Blatt Freiheit für Tiere – im unterfränkischen „Brennglas Verlag“ mit Sitz in Kreuzwertheim. Das Impressum nennt als Verantwortlichen den UL-Anhänger German Murer. Beim beigefügten Bestellschein sticht wieder die seit Jahren anhaltende Anti-Jagd-Kampagne des UL („Die Lusttöter“) ins Auge. Im Angebot finden sich auch etliche Broschüren mit Titeln wie „Die Priester – die Tiermörder“ oder „Die Verfolgung von Vegetariern durch die Kirche“, der Aufkleber „Wer mich isst, ist ein Kirchenchrist“ sowie die CD „Meat is Murder“ der Musikband AJ-Gang.

Als Fazit bleibt: Tierschutz, vegetarische Ernährung und Lifestyle sind Bereiche, die der unbedarfte Leser nicht sofort mit einer umstrittenen religiösen Gruppierung in Verbindung bringt. Dem UL ist es mit der neuen publizistischen Strategie gelungen, mit neuen Themen im Hochglanzformat in den gut sortierten Zeitschriftenhandel vorzudringen. Ob damit das UL für sich einen nachhaltigen Werbeerfolg zu erzielen oder gar eine neue Einnahmequelle für eigene Produkte zu erschließen vermag, bleibt zweifelhaft. Für den unbedarften Leser ist der Hintergrund der verschiedenen Zeitschriften, die unmittelbar der Glaubens- und Vorstellungswelt der „Lehrprophetin“ Gabriele Wittek entspringen, nur schwer zu erkennen. Wer genauer hinsieht, wird bemerken: Nicht zuletzt die allein auf das UL bzw. die im Unterfränkischen ansässigen „Christusbetriebe“ bezogenen Werbeanzeigen sowie die offerierten Broschüren mit antikirchlichem Unterton lassen unschwer erkennen, wes Geistes Kind die Macher der Zeitschriften sind. Trotz Hochglanzformat, netter Tierfotos und der typisch „urchristlich“-barocken Wohnideen bleibt die sektenhafte Ideologie unterschwellig stets präsent. Die Zeitschriften mögen ansprechend gestaltet und die dargebotenen vegetarischen Kochrezepte verlockend sein – ein fader Nachgeschmack aber bleibt.


Matthias Pöhlmann