Barbara Drossel

Und Augustinus traute dem Verstand. Warum Naturwissenschaft und Glaube keine Gegensätze sind

Barbara Drossel, Und Augustinus traute dem Verstand. Warum Naturwissenschaft und Glaube keine Gegensätze sind, Brunnen Verlag, Gießen/Basel 2013, 93 Seiten, 9,99 Euro.

Barbara Drossel ist Professorin für Festkörperphysik an der TU Darmstadt, Mitglied der Freien evangelischen Gemeinden und bekannt für ihr Engagement im Dialog Theologie – Naturwissenschaft, zum Beispiel in der Karl-Heim-Gesellschaft. 2011 erhielt sie den Herrenalber Akademiepreis der Evangelischen Akademie Baden für Ihren Tagungsbeitrag „Zufall oder Fügung? Theologie und Naturwissenschaft im Gespräch“, publiziert unter dem Titel „Welche Tugenden braucht ein guter Wissenschaftler? Reflexionen zwischen Glaube und Naturwissenschaften“ (Herrenalber Forum 69, Karlsruhe 2012).

Die schmale Publikation im Brunnen-Verlag zielt auf ein Publikum, für das es ganz und gar nicht klar ist, dass Naturwissenschaft und Schöpfungsglaube tatsächlich keine Gegensätze sind. Ihnen verdeutlicht die Autorin in einer verständlichen und dennoch präzisen Sprache, in welchem Verhältnis Naturwissenschaft und Glaubensaussagen aus der Sicht heutiger Wissenschaftstheorie zueinander stehen. Der Prüfstein für ihre Argumente ist – wie könnte es anders sein – die Evolutionstheorie und ihr Bezug zum biblischen Schöpfungsglauben. Aber Drossel konzentriert sich nicht auf dieses Reizthema, sondern versucht, die allgemeinen Denkfehler aufzudecken, die zum Kreationismus einerseits und zu einem ideologischen Szientismus anderseits führen.

Im ersten Teil des Büchleins behandelt sie den „Kategorienfehler“, Erklärungsebenen unzulässig zu vermischen, und die Folgen von „Grenzüberschreitungen“, wenn Naturwissenschaftler oder Theologen den Geltungsbereich ihrer Aussagen nicht beachten. Dass auch biblische (oder angeblich biblische) Sätze keinen unbegrenzten Geltungsbereich haben, ist für sie selbstverständlich.

Im zweiten, ausgesprochen originellen Teil des Buchs erklärt sie diese Haltung anhand von „drei großen Vorbildern“, nämlich Augustinus, Johannes Kepler und Francis Collins. Zu den historischen Gestalten des Kirchenvaters und des Astronomen muss nichts weiter gesagt werden. Francis Collins mag weniger bekannt sein, er ist der Direktor des National Institute for Health (NIH) der USA und war Leiter des „Human Genome Project“, das das menschliche Genom entschlüsselte. Er ist einer der herausragenden Genetiker der Gegenwart und evangelischer Christ – eine Kombination von Spitzenforschung und Schöpfungsglaube, die nicht gar so rar ist, wie viele meinen. In ihrer Vorstellung dieses Mannes bringt Drossel einige der wichtigsten Argumente dafür unter, warum Christen mit der Evolutionstheorie nicht hadern sollten oder müssten. Alle drei „Vorbilder“ werden der Leserschaft so nahegebracht, dass man Lust bekommt, sich näher mit diesen Personen zu befassen.

Die Profis des Dialogs Theologie – Naturwissenschaft werden in dem kleinen Buch wenig finden, was ihnen nicht schon vorgekommen wäre – außer vielleicht einige überraschende Einblicke in Augustinus‘ wenig gelesenes Werk „De Genesi ad litteram“. Aber für Menschen, gerade junge und gebildete Menschen, die mit der Frage ringen, wie die Gewissheit des Glaubens und der Geltungsanspruch der Naturwissenschaft zusammenkommen könnten, kann man sich kaum einen besseren Einstieg vorstellen. Vielleicht ist der Mut zur Verständlichkeit eine Tugend, die viele Naturwissenschaftler vielen Theologen voraushaben? Würden die Theologen alsbald das Gegenteil demonstrieren, wäre der Rezensent sehr froh darüber.


Hansjörg Hemminger, Stuttgart