Interreligiöser Dialog

Trägerverein für interreligiöses Zentrum in Berlin gegründet

(Letzter Bericht: 6/2011, 228ff) Im Herzen Berlins soll „ein neues Bet- und Lehrhaus auf dem Petriplatz für eine gute Nachbarschaft von Judentum, Christentum und Islam“ entstehen. Jetzt wurde der gemeinnützige Trägerverein gegründet. Damit ist das 2009 von der evangelischen Ortsgemeinde St. Petri – St. Marien vorgestellte Projekt einen wichtigen Schritt weiter. Auf den Fundamenten der bis 1964 zwischen Potsdamer Platz und Alexanderplatz aufragenden Petrikirche(n) ist ein – auch architektonisch – bislang einmaliger und einzigartiger interreligiöser Sakralraum geplant, der Symbol und Wirkungsstätte für ein friedliches Zusammenleben der drei prägenden Religionen der Stadt sein soll. Der in allen Belangen gemeinsam verantwortete Bau wird für Synagoge, Kirche und Moschee „unvermischt und zugleich in direkter, wahrnehmbarer Nachbarschaft“ drei getrennte Räume haben, die sich zu einem gemeinsam zu nutzenden Zentralraum öffnen lassen. Die getrennten Bereiche sollen Gottesdienst und Gebet dienen, während der gemeinsame Bereich für verschiedene Formen von Lehre und Gespräch vorgesehen ist. „Ob es im Zuge der Zusammenarbeit im dann errichteten ‚Haus Gottes‘ zu einer vor allem liturgischen Erweiterung dieser Ausgangskonstellation kommen wird, soll offen bleiben“, schreiben die Initiatoren (alle Zitate s. Informationsbroschüre, www.marienkirche-berlin.de/de/presse). Inhaltlich soll es weder zu Vermischungen noch zu Generalisierungen oder zur religiösen Vereinnahmung kommen, ist den Beteiligten wichtig. „Dem Konzept des neuen Bet- und Lehrhauses näherstehend ist deshalb der Ansatz einer Komparativen Theologie, die ihren Ausgang nimmt von der gelebten Vielfalt religiösen Lebens, diese beobachtet, auf ihre theologischen Anschauungen hin befragt und so Vorurteile ausräumt und in einer vergleichenden Hinwendung zum Einzelfall Verständnis des Fremden und Bereicherungen der eigenen Identität sucht.“

Vereinsvorsitzender ist Gregor Hohberg, Pfarrer der Kirchengemeinde St. Petri – St. Marien. Dem Vorstand gehören ferner dessen Pfarrerskollege Roland Stolte, Maya Zehden (Jüdische Gemeinde zu Berlin), Rabbiner Tovia Ben Chorin (Abraham Geiger Kolleg), Ercan Karakoyun und Imam Kadir Sanci (Forum für Interkulturellen Dialog, Gülen-Bewegung) an. Das Kuratorium unter Vorsitz des Berliner Kulturstaatssekretärs André Schmitz ist mit Lala Süsskind (Jüdische Gemeinde), Rabbiner Walter Homolka (Abraham Geiger Kolleg), Superintendent Bertold Höcker (Kirchenkreis Berlin Stadtmitte) und weiteren Persönlichkeiten aus Kultur und Politik besetzt. Die Finanzierung des Projekts ist noch nicht gesichert. Die Kirchengemeinde kann einen erheblichen Betrag zur Verfügung stellen, heißt es; ein weiteres Ziel sei die Gründung einer Stiftung.

Erstaunlich ist angesichts des fortgeschrittenen Planungsstadiums, dass weiterhin eine breitere Diskussion über Sinn, Gestalt und Inhalt des Gesamtprojekts in der Öffentlichkeit kaum zu vernehmen ist. Zumindest in der kirchlichen Öffentlichkeit müsste schon aufgrund der überregionalen Bedeutung, die das Projekt an dem markanten Ort mit dem interreligiösen Format hat und haben wird, die Debatte über die davon ausgehenden Signale geführt werden. Dabei wäre u. a. über die Bedeutung und Praxis gemeinsamer religiöser Feiern, insbesondere über das Verhältnis von multireligiösem und interreligiösem Gebet, wie es bisher unterschieden wurde, (erneut) nachzudenken. Dass der Partner der Gülen-Bewegung, die keinerlei Moscheegemeinden hat und vor allem im Bildungsbereich auf nicht unumstrittene Weise expansiv tätig ist, schon innerislamisch relativ isoliert dasteht, stimmt im Blick auf den gesamtgesellschaftlichen Rückhalt skeptisch. Auch hat sich die katholische Kirche bisher auffallend distanziert verhalten. Das Unternehmen läuft Gefahr, ohne die nötige Verbreiterung der Basis, ohne die nötige Verankerung in den Gemeinden vor Ort zu einem (teuren) Prestigeobjekt zu werden, das jedenfalls vorderhand mehr politischen Zwecken als dem „guten Miteinander der drei Religionen“ dient.


Friedmann Eißler