João Carlos Schmidt

„Totale Befreiung von Flüchen, Krankheiten, Süchten, Armut“

Anspruch und Wirklichkeit der „Universalkirche vom Reich Gottes“

Die brasilianische neupfingstlerische Kirche Universalkirche vom Reich Gottes (URG) – im Portugiesischen Igreja Universal do Reino de Deus – zieht seit Jahren die Aufmerksamkeit der brasilianischen Religionsforschung auf sich. Auch hierzulande wächst das wissenschaftliche Interesse an dieser religiösen Gemeinschaft. Die URG hat auch in deutschen Städten Gemeinden gegründet und bietet seither regelmäßig Gottesdienste an. Der nachfolgende Bericht will einen Einblick in Geschichte, Herkunft, Organisation sowie Lehre und Praxis dieser neupfingstlerischen Gemeinschaft geben. Zugleich soll ein Blick auf die Arbeit der URG in Deutschland geworfen und abschließend eine kritische Einschätzung vorgenommen werden.1

Einblick in die Geschichte und Verbreitung

Die URG wurde 1977 in Rio de Janeiro gegründet. Nach der Selbstdarstellung der URG auf ihrer Homepage (www.igrejauniversal.org.br) geht ihre Gründung auf eine Straßenevangelisation zurück, die ihr Gründer und Leiter, der selbsternannte Bischof Edir Macedo, in einem öffentlichen Park durchgeführt hat. Mit Hilfe einer kleinen Gruppe wurde dann ein Saal eines ehemaligen Bestattungsunternehmens in dem Stadtviertel Abolição gemietet und als Gottesdienstraum eingerichtet. Heute stehen an dieser Stelle die Zentrale und das größte und luxuriöseste Gotteshaus der URG, eine „Megakirche“ mit Platz für ca. 10 000 Besucher.

Ab Anfang der 1980er Jahre konnte sich die junge Kirche rasch in anderen wichtigen Hauptstädten des Landes ausbreiten. Heute ist sie in ganz Brasilien mit mehr als 2 000 Gemeinden vertreten, in denen mehr als 10 000 Pastoren und andere Mitarbeiter haupt- und ehrenamtlich eine intensive Kirchenarbeit betreiben. Hinsichtlich ihrer Mitglieder- bzw. Anhängerzahl befindet sich die URG unter den protestantischen Kirchen Brasiliens – laut der Volkszählung im Jahr 2000 – mit 2,1 Millionen Mitgliedern auf dem vierten Platz.

Entscheidend für die schnelle und erfolgreiche Verbreitung der URG in Brasilien war und ist bis heute der Einsatz von Massenkommunikationsmitteln. Bereits im Gründungsjahr unterhielt die URG ein 15-Minuten-Radioprogramm in Rio de Janeiro. 1984 kaufte sie ihren ersten Radiosender in Rio de Janeiro, und Ende der 1980er Jahre hatte sie bereits über zwölf regionale Sender in ihrem Besitz. Der Höhepunkt dieser Anstrengungen wurde im November 1989 erreicht, als die URG das Radio- und Fernsehnetz „Record“ für 45 Millionen US-Dollar erwarb. Dieser Schritt war der Anfang eines erfolgreichen, jedoch in der Öffentlichkeit höchst umstrittenen Aufbaus eines der größten Medienkonzerne des Landes, der heute drei Fernsehsendernetze, Dutzende von regionalen Radiosendern, einen Schriften- und einen Musikverlag umfasst.

Ebenso erfolgreich und schnell konnte sich die URG außerhalb der Grenzen Brasiliens ausbreiten. Erste Aktivitäten der Kirche setzten 1986 in den Vereinigten Staaten ein. Nach eigenen Angaben ist die URG derzeit in 100 Ländern vertreten. In Europa unterhält sie Gemeinden in Belgien, Deutschland, in den Niederlanden, in England, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Polen, Portugal, Rumänien, Russland und in der Schweiz.

Neben den Anstrengungen im Bereich der Massenkommunikation verfolgt die Kirchenleitung der URG seit 1986 in Brasilien auch das strategische Ziel, ihre Interessen in der Politik zu vertreten. Durch Instrumentalisierung des Apparats der Kirche und Mobilisierung der Mitarbeiter und Mitglieder wurde dieses Ziel erreicht, so dass heute die URG auf allen Ebenen der Politik durch Politiker aus ihren eigenen Reihen vertreten ist. Diese Politiker, die Lobbyarbeit zugunsten der Interessen der Kirchenleitung betreiben, und vor allem die Massenmedien stellen ein großes, nicht zu unterschätzendes politisches Kapital dar. Dies hat sich bereits bei den Wahlen zum Bundespräsidenten im Jahr 1989 gezeigt, als die URG zusammen mit anderen protestantischen Kirchen eine wichtige Rolle bei der Niederlage des linksorientierten Kandidaten Luis Inácio da Silva, der heute Präsident des Landes ist, gespielt hat.

Die Ausbreitung der URG geht Hand in Hand mit der offenen und programmatisch geführten Bekämpfung der afro-brasilianischen Religionen Umbanda, Candomblé und Macumba. Dieser Kampf gehört zum Kern der missionarischen Ausrichtung der URG. Die afro-brasilianischen Geistwesen Orixás werden öffentlich als „Dämonen“ verteufelt und in den Gottesdiensten massenweise aus den Menschen „ausgetrieben“. Durch Bücher, in der Zeitung „Folha Universal“, in Fernseh- und Radioprogrammen und durch die Instrumentalisierung der Politik werden diese Religionen systematisch angegriffen.

Ebenso öffentlich greift die URG die römisch-katholische Kirche an und beschimpft ihre Heiligenverehrung als „Werk des Teufels“ und das Papsttum als den „Antichristen“. Bezeichnend für die Aggressivität dieses Kampfdiskurses ist ein Zwischenfall, der sich am 12. Oktober 1995, dem Tag der Schutzpatronin Heilige Maria, ereignete und in Brasilien als „Fußtritt gegen die Heilige“ („o chute na santa“) bekannt wurde. An jenem Tag trat ein Bischof der URG in einer Fernsehpredigt mehrmals mit dem Fuß gegen eine Marienstatue. Diese Szene rief eine Welle der Entrüstung im ganzen Land hervor, die u.a. zu vereinzelten Randalen aufgebrachter Katholiken gegen Gebäude der URG führte.

Die Geschichte der URG ist außerdem von Skandalen, Austritten mit Abspaltungen geprägt sowie von einigen Ermittlungen und Gerichtsprozessen gegen Bischof Edir Macedo und andere Personen aus der Kirchenleitung wegen Scharlatanismus, Bereicherung durch unlautere Mittel und Steuerhinterziehung. Obwohl die meisten Prozesse im Laufe der Zeit eingestellt wurden oder zu keinem großen Schaden für die Kirche und die Kirchenleitung führten, haben sie die Glaubwürdigkeit der Organisation und deren Leitung erschüttert.

Organisationsstruktur

Die URG hat sich eine episkopalische Kirchenverfassung gegeben. Sie ist stark hierarchisch strukturiert und wird in allen wichtigen Fragen zentralistisch verwaltet und geführt. An der Spitze der Hierarchie steht das „Generalpresbyterium“. Es ist das Entscheidungsorgan für alle wichtigen Aspekte der Verwaltung (Finanzen, Wahl von Bischöfen, Berufung und Entsendung von Pastoren und Missionaren) und für alle Fragen der Lehre und des Gottesdienstes bis zur Ebene der lokalen Gemeinden. Zum „Generalpresbyterium“ gehören neben Bischof Macedo als General-Präsident vier General-Sekretäre für Mission, Bildung, Kommunikation und soziale Arbeit sowie die Superintendenten (regionale Bischöfe) der einzelnen Kirchenbezirke. Das höchste Leitungsorgan der URG wird von Bischof Macedo als „Erzbischof“ auf Lebenszeit wahrgenommen. Er allein bestimmt, alle Ämter werden mit Personen besetzt, die von ihm allein nominiert und gewählt werden.

Weiter unten in der Hierarchie stehen die „regionalen Presbyterien“ der jeweiligen Kirchenbezirke mit ihren lokalen Gemeinden und Pastoren. Diese werden von den o.g. Superintendenten geleitet. Die Superintendenten sorgen dafür, dass die Entscheidungen aus dem General-Presbyterium auf der Ebene der lokalen Gemeinden umgesetzt werden. Und zuletzt, ganz unten in der Hierarchie, stehen die lokalen Gemeinden, die je nach Größe und Bedeutung entweder von einem Bischof oder von einem Pastor geleitet werden. Diese haben die Leitung und Verantwortung für alle Bereiche der Gemeindearbeit inne, die sie mit Hilfe von „Hilfspastoren“ und anderen ehrenamtlichen Mitarbeitern ausüben.

Die Gemeinden haben in allen wichtigen Fragen wie etwa bei der Wahl des Pastors, bei den Finanzen oder sogar bei dem gottesdienstlichen Programm keinerlei Machtbefugnisse. Lokale Bischöfe und Pastoren werden von den Superintendenten in Abstimmung mit dem General-Presbyterium gewählt und berufen, die eingesammelten Spenden fließen in eine allgemeine Kasse und die Grundzüge und Ausrichtung der Gottesdienste werden ebenso zentral gesteuert.

Lehre und Praxis

Die URG ist eine neupfingstlerische Kirche aus dem brasilianischen pfingstlerisch-charismatischen Protestantismus.2 Als eine protestantische Kirche lehrt sie die Rechtfertigung aus Gnade durch den Glauben, betrachtet die Heilige Schrift als einzige Quelle für Lehre und Praxis und teilt das reformierte Verständnis vom Abendmahl als Erinnerungsmahl. Als pfingstlerisch-charismatische Kirche lehrt sie die traditionelle Pfingstlehre der Geistestaufe mit dem äußeren Zeichen der Zungenrede und die unmittelbare Offenbarung des Heiligen Geistes durch Geistesgaben, Wunder und Zeichen. Als eine neupfingstlerische Kirche unterscheidet sie sich von den älteren, traditionellen Pfingstkirchen Brasiliens und vertritt Grundaspekte des Gedankenguts der nordamerikanischen Heilungsbewegung der Nachkriegszeit und von Bewegungen aus dem nordamerikanischen charismatisch geprägten Evangelikalismus. Dazu gehören die Glaubensbewegung (Faith Movement) und die Dritte-Welle-Bewegung (Third Waves). In diesem neupfingstlerischen Aspekt ihrer Identität liegt das besondere theologische Profil der URG.

Im Mittelpunkt der Verkündigung der URG steht die Lehre, dass Gott allen Menschen das Leben in aller Fülle, d.h. ein Leben in Wohlstand, Gesundheit und Glück geben will. Dieses erfüllte Leben ist die göttliche Bestimmung für die Menschen und eine Art „Urrecht“, auf das sie Anspruch haben. Negativ ausgedrückt heißt das: Arme, kranke oder unglückliche Menschen leben nicht in Konformität mit dem Willen Gottes und brauchen als solche sein Heil.

Das Heil erlangt der Mensch durch Befreiung und durch Glauben. Unter Befreiung versteht die URG das „Losgebunden-werden“ von Dämonen. Sie vertritt die Lehre, wonach Leid, Krankheiten, Misserfolge und sonstiges Unglück auf dämonischen Einfluss oder dämonische Besessenheit zurückzuführen sind. Von dieser Macht muss der Mensch befreit werden, damit er sein göttliches Recht in Anspruch nehmen kann. Diese Lehre steht in engem Zusammenhang mit einer religiös-dualistischen Weltanschauung und der Idee eines „geistigen Krieges“, wonach die Welt unter der Herrschaft des Teufels stünde und für das Reich Gottes „wiedererobert“ werden müsse. Der Mensch steht im Mittelpunkt dieses Kampfes. Es wird aber auch in anderen Bereichen des menschlichen Lebens um die Erweiterung der Herrschaft Gottes gekämpft: Religion, Kultur, Politik, Wirtschaft.

Unter Glauben versteht die URG die absolute, von jedem Zweifel freie Gewissheit der Erfüllung von Gebetsanliegen. Dieser sog. „übernatürliche Glaube“ hat die unbegrenzte schöpferische Macht, Gebetsanliegen zur Wirklichkeit zu machen. Mit diesem Glauben befreit sich der Mensch aus der beschränkten physikalischen Welt der Sinneswahrnehmung und erreicht im Geist die „übernatürliche Welt“ der geistlichen Wesen und damit die Macht, Dinge ex nihilo ins Leben zu rufen. Diese Macht kann er in Anspruch nehmen, um sein Leben nach Gottes Willen zu ändern.

Für den Glaubenden sind zwei Bedingungen zu erfüllen, damit sein Glaube tatsächlich erfolgreich sein kann. Er muss erstens seinen Glauben durch das „positive Bekenntnis“ zum Ausdruck bringen, d.h. die Gewissheit der Erfüllung eines Gebetsanliegens muss mündlich ausgesprochen werden. So wie Gott in der Schöpfung die Welt und alle anderen Dinge durch die Macht seines Wortes ins Leben gerufen hat, so kann der Mensch durch das ausgesprochene Wort unbegrenzt schöpferisch werden. Und zum zweiten muss der Glaubende die Echtheit seines Glaubens durch das „Darbringen von Opfern“ in Gestalt der Abgabe des Zehnten und anderer Spenden unter Beweis stellen. Weil das Geld als das „Blut der Kirche“ gilt, ohne das die Ausbreitung der Kirche bzw. des Reiches Gottes nicht zu realisieren sei, hat Gott die Abgabe des Zehnten geboten und sie mit dem Versprechen reichlichen Segens verknüpft.

Im Zusammenhang mit der Glaubenslehre lehrt die URG außerdem die Notwendigkeit der „Erweckung“ des Glaubens durch „Berührungspunkte“. Demnach muss der Glaube bei vielen Menschen durch Gegenstände und besondere Rituale erweckt und gestärkt werden. Eine zentrale Rolle im Lehrsystem der URG nimmt auch die Idee ein, dass pessimistische Gedanken, wenn an sie geglaubt wird und wenn sie dazu auch noch ausgesprochen werden, ebenfalls die schöpferische Macht haben, das Geglaubte bzw. das Befürchtete Wirklichkeit werden zu lassen.

Wichtig für einen Einblick in das theologische Profil der URG ist darüber hinaus ein Blick in ihre Ekklesiologie und in das sich daraus ergebende Missionsverständnis. Die Kirche Jesu ist die Gesamtheit aller Menschen, die an ihn als Heiland und Herrn glauben. Sie hat den Auftrag zur Weltevangelisation. Evangelisieren bedeutet das Verkündigen der Botschaft von der Befreiung und von dem Leben in aller Fülle. Sie hat die Ausbreitung von Gottes Reich zum Ziel. Mit anderen Worten: Die Christen haben den Auftrag, die Welt für Gott wieder zu erobern und über sie zu herrschen. Weil dieser Auftrag in Jesu Namen geschieht, wird Evangelisation von seiner Macht begleitet in Gestalt von Wundern, Heilungen und Exorzismen. Nur diejenigen Kirchen, die solch eine mächtige Evangelisation betreiben, können die Menschen von der Knechtschaft des Teufels befreien und ihnen das neue, gottgewollte Leben in Wohlstand, Gesundheit und Glück vermitteln. Als eine dieser „starken“ Kirchen sieht sich die URG selbst.

Die URG verwirklicht ihre Lehre im Gottesdienst. Aufgrund eines sehr pragmatischen Gottesdienstverständnisses bietet die URG ein intensives und vielfältiges gottesdienstliches Wochenprogramm an, das aus unterschiedlichen Typen von sog. Versammlungen besteht und weltweit das gleiche Muster hat. Je nach Wochentag werden Versammlungen für Wohlstand (montags), Heilung und Gesundheit (dienstags), Bibelstunde und Geistestaufe (mittwochs), Ehe- und Familienleben (donnerstags), Befreiung von dämonischen Kräften (freitags) angeboten. Samstags wird vor allem für Singles die „Versammlung für Liebestherapie“ angeboten, und der Sonntag ist für einen Lob- und Anbetungsgottesdienst mit Feier des Abendmahls bestimmt.

Im Vordergrund jeder Versammlung steht das pragmatische Anliegen der Lösung von Problemen. Dafür werden unterschiedliche Rituale durchgeführt, die der Verwirklichung des gewünschten Anliegens dienen sollen. Unter den vielen Ritualen wird dem der Dämonenaustreibung ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Exorzismen finden in fast allen Versammlungen statt und werden auch im Zusammenhang mit anderen Ritualen durchgeführt. Im Rahmen der Rituale werden außerdem verschiedene andere Handlungen vollzogen, wie z.B. Segnungshandlungen, Ölsalbungen und Weihungen von Personen und Gegenständen. Dabei spielen auch viele Gegenstände als „Berührungspunkte“ (s.o.) zur Erweckung und Festigung des Glaubens eine wichtige Rolle. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Versammlungen ist die Sammlung von „Geldopfern“ in Gestalt der Abgabe des Zehnten und anderer Spenden. Das Gottesdienstverständnis der URG umfasst auch das pragmatische Ziel, die notwendigen finanziellen Mittel für die Finanzierung ihrer Arbeit aufzubringen.

Die Gestaltung des Gottesdienstes ist sehr auf die Person und Wirkung des leitenden Pastors oder Bischofs bezogen. Die in pfingstlerisch-charismatischen Kreisen geforderte und praktizierte „demokratische Gestaltung“ der Versammlung einer vom Geist begabten Gemeinschaft, in der das Einbringen der Charismen ein Grundbestand ist,3 gehört weder zum Verständnis noch zur Praxis des Gottesdienstes der URG. Das gottesdienstliche Geschehen in den Gemeinden dieser Kirche wird vom Leiter der Versammlung bestimmt und gesteuert, so dass die Teilnahme der Menschen keinen spontanen charismatischen Charakter hat. Mit ihrer gottesdienstlichen Praxis steht die URG deswegen dem charismatisch geprägten Evangelikalismus, insbesondere der Dritten-Welle-Bewegung, nahe. So wie bei dieser Bewegung stellt auch die URG das mächtige Wirken des Heiligen Geistes durch Wunder und Heilungen, das Streben nach Wohlstand und die direkte Konfrontation mit Dämonen in den Mittelpunkt des Gottesdienstes.

Zur Situation in Deutschland

Einen ersten und schnellen Einblick in die Arbeit der URG in Deutschland gewinnt man durch den Besuch ihrer „deutschen“ Homepage. Interessanterweise wurde die Internetseite nicht mit dem Namen der Kirche, sondern mit der Bezeichnung „Hilfszentrum“ benannt: www.hilfszentrum.de. Unter dem Link „Wer sind wir?“ wird außer der Bezeichnung „Hilfszentrum UKRG“ ebenfalls keine weitere Namensangabe gemacht. Die Buchstaben „UKRG“ dürften die Abkürzung der deutschen Übersetzung des Namens der Kirche sein: Universal Kirche vom Reich Gottes. Der Name bzw. die deutsche Übersetzung des Namens der Kirche erscheint jedoch nicht auf der Homepage. In diesem Zusammenhang fragt man sich, warum die URG die Bezeichnung „Hilfszentrum UKRG“ benutzt, statt ihren Namen ausdrücklich zu nennen. Befürchtet die Leitung der URG wegen ihres schlechten Rufes in anderen europäischen Ländern Schwierigkeiten mit deutschen Behörden oder mit der kritischen deutschen Öffentlichkeit bzw. Presse?

Die URG stellt sich auf ihrer Internetseite als eine der „erweckten evangelikalen Gemeinden“ vor, deren wichtigster Bestandteil „die kostenlose Verkündigung des Evangeliums vom Reich Gottes in allen Nationen“ ist. Sie fügt hinzu, sie sei ein „staatlich anerkannter, gemeinnütziger Verein“ und „keine Sekte“. Sie stellt auch ihr „Programm“ vor: den Menschen dazu zu verhelfen, den Glauben in „die Praxis umsetzen“, damit sie die „Errettung und Befreiung“ und die Lösung der „tagtäglichen Probleme“ erreichen. Anhand einer kurzen Beschreibung ihrer vielfältigen Arbeit in Brasilien präsentiert sich die URG als eine missionarisch sehr aktive und erfolgreiche „Glaubensgemeinschaft“, in deren Mitte „Millionen von Menschen“ eine „totale Befreiung von Flüchen, Krankheiten, Süchten, Armut“ erlebt hätten.

Laut Angaben aus ihrer Homepage (Link „Kontakt/Impressum“) betreibt die URG ihre missionarische Arbeit in fünf deutschen Städten: Berlin, Hamburg, Würzburg, Stuttgart und München.4 An ihrem Hauptsitz in Berlin bietet sie an allen Wochentagen zu drei verschiedenen Uhrzeiten Gottesdienste an. In den anderen Städten werden Gottesdienste nur an Wochenenden in gemieteten Räumen in Hotels o.ä. angeboten.

Die URG stellt auf ihrer Homepage auch einige Texte zur Verfügung, die einen guten Einblick in ihre zentralen Lehren geben, so wie sie oben dargestellt wurden: Das Heil sei das „Leben in aller Fülle“ (s. unter „Lehrinformationen“ den Text von Bischof Macedo „Ein Leben in voller Güte“), das durch Befreiung aus „geistigen Problemen“ (s. den Text „Was ist ein geistiges Problem?“), Glauben und „Opfer“ (s. den Text „Der Zehnte“) erreicht werde. Anhand von Audio-Botschaften kann man einen weiteren Einblick in die Lehren, aber auch einen Eindruck von der Art des Predigens gewinnen.

Persönliche Eindrücke von einem Gottesdienstbesuch

Der Gottesdienst, auch „Versammlung“ genannt, fand am 10. Februar 2007 in einem Stuttgarter Hotel statt. Der Raum war mit keinen religiös-liturgischen Gegenständen eingerichtet, sondern in ihm standen lediglich ein Tisch und einige Stuhlreihen. Besucht wurde der Gottesdienst von ca. 40 Erwachsenen und fünf Kindern, die ausschließlich brasilianischer und portugiesischer Herkunft waren. Der Gottesdienst wurde ebenfalls in Portugiesisch gehalten. Leiter des Gottesdienstes war ein brasilianischer Pastor, dem von einem portugiesischen Hilfspastor assistiert wurde.

Die „Versammlung“ fing kurz nach 15 Uhr mit exorzistischen Gebeten und einer Ansprache über Lk 8,26-31 („Die Heilung des besessenen Geraseners“) an. In der ersten Reihe begann eine Frau zu weinen und zu schreien, was von den Pastoren als Zeichen von dämonischer Besessenheit gedeutet wurde und sie dazu veranlasste, bei besagter Frau eine Dämonenaustreibung zu vollziehen. Diese übernahm der Hilfspastor. Mit seinen Händen auf dem Kopf der Frau sagte er ihr Befehle ins Ohr wie z.B. „Geh raus, du Dämon“. Dem Hilfspastor ist der Exorzismus jedoch nicht so richtig gelungen. Die Frau lag während der gesamten Versammlung „besessen“ auf dem Boden, weinte, führte Gespräche mit dem „Dämon“ und klammerte sich ab und zu an den Füßen des Pastors fest.

Nach einer kurzen Ansprache folgte ein „starkes Gebet“. Mit den Händen auf dem Kopf betete der Pastor laut und heftig und bat darum, dass Gott die Dämonen, die in den versammelten Menschen sind, offenbare. Stehend und ebenfalls mit ihren Händen auf dem Kopf betete die Gemeinde mit. Eine Frau, die zu weinen und zu zittern begann, wurde dann einer Austreibung unterzogen. Anschließend wandte sich der Pastor der auf dem Boden liegenden Frau zu und legte seine Hände auf ihren Kopf, wogegen sie sich heftig wehrte. Er bat dann die Gemeinde, bei der Dämonenaustreibung mitzuwirken, indem alle ein kleines Holzkreuz, das sie in der letzten Versammlung erhalten hatten, hochhalten und den Befehl aussprechen: „Geh raus, Dämon“. Die Frau wehrte sich weiter gegen den Pastor, weinte laut und bat ihn, sie in Ruhe zu lassen. Erfolglos und konsterniert brach der Pastor seinen Versuch ab.

Der Gottesdienst ging mit der Austeilung eines grünen Kärtchens weiter. Der Pastor erklärte, die Menschen sollten auf diesem Kärtchen, in dessen Mitte das Symbol der URG abgebildet war (ein rotes Herz mit einer Taube), ihre Sorgen und Wünsche aufschreiben und es bei der nächsten Versammlung mitbringen. Danach sprach er ein Gebet, in dem er Gott um die Befreiung von Dämonen und um die Lösung verschiedener Probleme bat.

Anschließend wurde ein kleiner Plastikbeutel mit Wasser ausgeteilt. Anhand des Zitats aus Hesekiel 36,25 („Und ich will reines Wasser über euch sprengen, dass ihr rein werdet“) erklärte der Pastor, die Menschen sollten das im Beutel enthaltene Wasser zu Hause über Kopf und Schulter gießen. Er sprach dann ein Gebet und segnete die ausgeteilten Beutel.

Nach dem Gebet lud der Pastor die Menschen ein, nach vorne zu kommen, um den Umschlag mit dem Zehnten und auch andere Geldspenden abzugeben. Dabei hielt er auch eine kleine Ansprache über die Notwendigkeit des Geldes für die missionarische Ausbreitung der Kirche. Im Anschluss daran lud er wieder alle Menschen nach vorne ein, ausdrücklich auch diejenigen, die kein Geld gespendet hatten, um von ihm unter Handauflegung gesegnet zu werden. Mit dieser Segnung endete der fast zweistündige Gottesdienst der URG in Stuttgart.

Kritische Einschätzung

Die URG ist eine sehr dynamische religiöse Gemeinschaft mit einem starken missionarischen Sendungsbewusstsein. Sie nimmt sich als eine Kirche wahr, die den göttlichen Auftrag hat, den Menschen weltweit das Heil – so wie sie es versteht – zu verkündigen und zu ermöglichen. Ihre Ausbreitung und ihren Erfolg betrachtet sie als Beweis für die Echtheit ihres göttlichen Auftrages, für ihren Gehorsam und ihre Treue Gott gegenüber. Die aktive Präsenz in der freien Wirtschaft, vor allem im Bereich der Massenkommunikationsmedien, und in der Politik sieht sie als zulässige Instrumente für eine effektive Mission. In der Wahrnehmung vieler ihrer Mitglieder und Sympathisanten ist sie eine „starke Kirche“, in der sie tatsächlich Befreiung von negativen geistigen Mächten und eine Verbesserung ihrer Lebensumstände erfahren haben. Diese Menschen nehmen aktiv am Programm der Gemeinden teil und unterstützten die Arbeit und die Ausbreitung durch die freiwillige Abgabe des Zehnten und anderer Geldspenden.

Dem kritischen Außenbetrachter fällt die URG durch ihre verschlossene, antidemokratische und stark auf die Person von Bischof Macedo bezogene Struktur auf. Ihre Führung steht unter dem Verdacht, unter dem Deckmantel der Religion ein gutes Geschäft zugunsten ihrer eigenen Bereicherung zu machen. Die vielen Untersuchungen seitens der brasilianischen Staatanwaltschaft über dubiose Praktiken und Transaktionen in den Unternehmen der URG und die vielen Prozesse, die gegen Bischof Macedo und andere Personen aus dem Leitungskreis geführt wurden und noch geführt werden, werfen einen Schatten auf diese Personen und lassen die URG als Organisation im Zwielicht erscheinen. Skandale aus ihrer Geschichte und belastende Aussagen von Aussteigern stärken weiterhin den Eindruck, dass die URG eine sehr verschlossene Organisation mit dubiosem Charakter ist.

Im Blick auf die Theologie der URG kann man auf verschiedene problematische Aspekte hinweisen. Ihren Lehren liegt eine ahistorische, unkritische und z.T. allegorische Bibelauslegung zugrunde, die u.a. von den weltanschaulichen und religiös-philosophischen Prämissen der nordamerikanischen Heilungs- und Glaubensbewegung entscheidend geprägt ist. Anhand dieser Auslegung werden zentrale Motive und Aspekte der biblischen Schriften abseits jedes ökumenischen Konsenses und ökumenischer Theologie umgedeutet: das Motiv des Bundes zwischen Gott und seinem Volk als ein symmetrischer Pakt gegenseitiger Abhängigkeit, das Motiv des göttlichen Segens als ein „Urrecht“ des Menschen auf ein in allen Aspekten erfolgreiches und glückliches Leben, das Motiv der Existenz und Aktivität des Bösen in der Welt und in den Menschen als ein dualistisch geprägter Kampf zwischen Gott und Teufel, das Motiv des Glaubens als optimistisches „positives Denken“ und des Betens als „Suggestionsmittel“, das Motiv der Mission als ein „Eroberungskrieg“ auf allen Ebenen der Gesellschaft.

Die auf Lebensbewältigung ausgerichtete gottesdienstliche Praxis der URG setzt Gottesdienstgeschehen und -teilnehmer unter großen Erfolgsdruck. Der Gottesdienst muss Erfolg haben oder Erfolg einleiten: für die Besucher Segen und Gebetserhörung und für die URG die notwendigen Spenden. Ein Gottesdienstverständnis und eine Gottesdienstpraxis, in dessen bzw. deren Mittelpunkt das uneigennützige Lob Gottes steht, hat in den Gotteshäusern der URG entweder keinen oder nur einen beschränkten Platz.

Aufgrund ihrer Selbstwahrnehmung und Theologie ist die URG antiökumenisch geprägt. Die Identität der römisch-katholischen Kirche als eine christliche Kirche erkennt die URG nicht an und die anderen protestantischen Kirchen stuft sie als „schwache Kirchen“ herab, die zwar das ewige Heil vermitteln könnten, aber nicht in der Lage seien, den Menschen das gottgewollte „Leben in aller Fülle“ zu ermöglichen. Mit ihrer Praxis der Wiedertaufe erkennt die URG außerdem die Legitimität der Taufe anderer Kirchen nicht an und steht damit abseits der großen Ökumene. Diese antiökumenische und abgrenzende Selbstwahrnehmung verleiht der URG starke sektiererische Züge. Wie sich eine religiöse Gemeinschaft wie die URG mit ihrem theologischen und kulturellen Profil in Deutschland weiter entwickeln wird, ist eine Frage, deren Beantwortung weiterer Beobachtung bedarf.


João Carlos Schmidt, Aalen


Anmerkungen

1 Zu einer umfassenden Darstellung der URG s. die Dissertation des Autors des vorliegenden Berichts „Wohlstand, Gesundheit und Glück im Reich Gottes. Eine Studie zur Deutung der brasilianischen neupfingstlerischen Kirche Igreja Universal do Reino Deus“, Berlin 2006 (Rezension in dieser Ausgabe des MD, 237f). Siehe auch einen „abstract“ der Dissertation in: João Carlos Schmidt, Igreja Universal do Reino de Deus („Universalkirche vom Reich Gottes“). Wesen und Attraktivität einer brasilianischen neupfingstlerischen Kirche und ihre Herausforderungen für Theologie und Mission, in: Lutherische Theologie und Kirche, 2/3, 2006, 61-105.

2 Mit dieser Bezeichnung wird die Gesamtheit aller unzähligen Kirchen, freien Gemeinden und Gruppierungen benannt, die genealogisch und theologisch mit der Pfingstbewegung des anfänglichen 20.Jahrhunderts und/oder mit der am Beginn der1960er Jahre entstandenen Charismatischen Erneuerungsbewegung verbunden sind. Der brasilianische pfingstlerisch-charismatische Protestantismus begann in den Jahren 1910 und 1911 mit der Gründung der ersten Pfingstkirchen Congregação Cristã und Assembléias de Deus und erfuhr zwei große Gründungswellen neupfingstlerischer Kirchen zwischen 1955 und 1965 und ab Mitte der 1970er Jahre. Von den ca. 26 Millionen Menschen protestantischen Glaubens in Brasilien (15% der gesamten Bevölkerung laut nationaler Volkszählung aus dem Jahr 2000) gehören mehr als zwei Drittel (70%) zu einer der unzähligen pfingstlerisch-charismatischen Kirchen, Gemeinden und Gruppen.

3 Peter Zimmerling, Die charismatischen Bewegungen: Theologie – Spiritualität – Anstöße zum Gespräch, Göttingen 2001, 202.

4 Laut Angaben der Internetausgabe der Zeitschrift der URG Jornal Universal von Dezember 2000 hat die URG ihre Arbeit in Deutschland im Jahr 1998 in Berlin begonnen.