Michael "Curse" Kurth

Stell dir vor, du wachst auf. Die OOOO+X-Methode für mehr Präsenz und Klarheit im Leben

Michael „Curse“ Kurth: Stell dir vor, du wachst auf. Die OOOO+X-Methode für mehr Präsenz und Klarheit im Leben, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018, 224 Seiten, 14,99 Euro.

Nur 75 Sekunden – mehr Zeit benötigt man nicht für die Entspannungsübung zum Einstieg, verspricht der Deutsch-Rapper Curse1 auf der ersten Seite seines Bestsellers. Dafür soll man, egal, wo man gerade sitzt oder steht, die Augen schließen und drei tiefe, bewusste Atemzüge nehmen, um im Hier und Jetzt zu sein.

In der künstlerischen Krise einer großen Erschöpfung und gleichzeitig auf dem Höhepunkt seines Erfolgs tauschte der Musiker, der mit bürgerlichem Namen Michael Kurth heißt, sein großzügiges Loft gegen eine kleine Wohnung. Er trennte sich von seiner Partnerin und hängte das Musikmachen vorübergehend an den Nagel. Stattdessen unterzog sich der heute 40-Jährige verschiedenen Coachings, besuchte Meditationsseminare, ging nach Indien und las viele Bücher über Buddhismus und Achtsamkeit.

Herausgekommen ist dabei seine „OOOO+X-Methode“, die er im Buch erläutert. Der Autor, der sich als Buddhist, systemischer Coach und Lehrer für tibetisches Yoga vorstellt, bewirbt seinen Ansatz und sein Buch in spirituellen Magazinen wie „Buddhismus aktuell“ oder „Evolve“ durch mehrseitige Interviews. Das erste O steht dafür, wie man sich täglich einen Offenen Raum schafft, in dem man Achtsamkeit praktiziert und zum Beispiel den ersten Griff zum Handy am Morgen solange wie möglich hinauszögert. Das zweite O bedeutet Obrigado, das portugiesische Wort für danke. Das dritte O steht für Om (stellvertretend für Meditation) und das vierte O für Ocha, was auf Japanisch Tee heißt. Kurth nutzt es, angelehnt an die japanische Teezeremonie, um uns ein stärkeres Körperbewusstsein in unseren alltäglichen Verrichtungen näherzubringen. X steht für Exercise, für Sport und Bewegung.

Der Name der Methode mag auf den ersten Blick lächerlich erscheinen, aber er ist einprägsam und verrät etwas von dem Humor und der Leichtigkeit, mit der Kurth seine populären Erläuterungen angeht. Er möchte uns zeigen, wie wir zu mehr Ruhe, Freude und Ausgeglichenheit im Leben finden. Dabei gibt Kurth, der inzwischen selbst als Coach arbeitet, augenzwinkernd seine eigenen Widerstände, Vorurteile und Misserfolge bei den Übungen preis.

Sympathisch ist, dass er im Kapitel „Ocha“ empfiehlt, unsere Achtsamkeitsübungen bei den Tätigkeiten zu beginnen, die wir ohnehin täglich und am besten gerne tun. Er erläutert, wie man achtsam Zähne putzen, seinen Morgenkaffee zubereiten oder sogar eine E-Mail schreiben und dabei mit seinem Atem, seinem Körper, dem Gefühl der Finger auf der Tastatur verbunden bleiben kann.

In einem anderen Kapitel beschreibt Kurth die Befreiung, die er empfand, als er in Indien in einer Rikscha sein teures Handy verlor. Gerade weil er ein eifriger Nutzer von Apps und Social-Media-Kanälen ist und mit „Meditation, Coaching & Life“ seinen eigenen Podcast betreibt, ermahnt er sich und die Leser zu einem kontrollierten Medienkonsum. Von wissenschaftlichen Studien untermauert, erklärt er, wie das Smartphone in unserer Tasche als „Dopaminausgabestelle“ funktioniert und als Spielautomat, der unsere Gefühle von Glück und Verdruss steuern kann. Um dem entgegenzuwirken, schlägt er Anwendungen für einen bewussteren Umgang vor.

Das Buch wechselt zwischen der vereinnahmenden Wir- und der distanzlosen Du-Form, die sich an ein jüngeres Lesepublikum richtet. Wer sich davon nicht abgehalten fühlt, hat einen unterhaltsamen Ratgeber in der Hand, der einfache bis anspruchsvolle Entspannungsübungen bietet und gute Anregungen für die Auffrischung alter oder die Erlernung neuer Rituale bereithält.


Cornelia Saxe, Berlin


Anmerkungen

  1. Aktuelles Album: „Die Farben des Wassers“; aktuelle Single: „Bei mir“.