Neuapostolische Kirche

Stammapostel Leber zeigt sich selbstkritisch

Anlässlich einer Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Schweizer Bezirksapostels Markus Fehlbaum hat sich der Stammapostel der „Neuapostolischen Kirche“ (NAK), Wilhelm Leber, am 8. April selbstkritisch zu aktuellen Entwicklungen innerhalb der NAK geäußert. Einmal mehr bekannte sich Leber dazu, die Kritik an der NAK ernst zu nehmen: „Es geht um die Glaubensgeschwister, die auf Distanz zur Kirche gegangen sind und nicht mehr aktiv am Gemeindeleben teilnehmen. Es gibt sicher viele unterschiedliche Gründe dafür. Ich bitte den neuen Bezirksapostel Fehlbaum, für sachliche Argumente immer zugänglich zu sein und sich vernünftiger Kritik zu stellen“, so Leber.

Der Stammapostel unterstrich, dass es sich bei der ökumenischen Öffnung seiner Kirche um einen langen Prozess handle, der vor allem bei jungen NAK-Mitgliedern eine positive Resonanz finde. Bei älteren Mitgliedern gebe es dagegen bisweilen noch Vorbehalte, die auch mit der Geschichte der NAK, konkret mit der lange geübten Distanz zu anderen Kirchen zu tun hätten. Es bestehe die Furcht, dass Elemente des NAK-Glaubens zugunsten einer ökumenischen Öffnung aufgegeben werden könnten. Es bedürfe daher eines permanenten Überzeugungsprozesses, der jedoch die Skepsis bereits in eine abwartende Haltung verwandelt habe, so dass keine Ablehnung des Reformprozesses mehr festzustellen sei.

Im Verlauf der Pressekonferenz kam auch der Informationsabend der NAK vom 4. Dezember 2007 zur Sprache, der unter einigen Mitgliedern und „Aussteigern“ der NAK für erhebliche Unruhe und Verärgerung gesorgt hatte. Die NAK hatte an diesem Abend u. a. den ersten Teil einer Aufarbeitung ihrer Geschichte präsentiert, und es wurde ihr danach vorgeworfen, sie habe „mit dem nun vorliegenden Selbstbild ... den Weg der vorsichtigen Öffnung der letzten Jahre bereits wieder verlassen und sich in der öffentlichen Wahrnehmung unter Umständen deutlicher in der Sektenecke positioniert denn je“ (MD 2/2008, 54). Stammapostel Leber zeigte sich in diesem Punkt selbstkritisch: Man habe zu wenig berücksichtigt, dass man sensibler an die Dinge herangehen müsse. Die Geschichtsaufarbeitung werde von der Kirchenleitung als Voraussetzung für die Versöhnung mit ehemaligen Mitgliedern und den Abspaltungen der NAK gesehen, doch hätten viele Mitglieder und „Aussteiger“ konkrete „Zeichen der Versöhnung“ vermisst. Man habe seitens der Kirchenleitung geglaubt, die Ereignisse objektiv rekonstruiert zu haben und dabei übersehen, dass man diese nicht nur in ihrem historischen Kontext darstellen könne, sondern sie auch in ihren theologischen, soziologischen und emotionalen Kontext einbetten müsse. Damit stellten sich weitere Fragen: Wurden die Erwartungen im Vorfeld des Informationsabends richtig eingeschätzt? Ist die Aktenlage für eine gründliche Aufarbeitung der NAK-Geschichte überhaupt ausreichend oder sollte auch die Befragung noch lebender Zeitzeugen in sie einfließen? Jedenfalls gehe die Aufarbeitung weiter, und vor allem hinsichtlich der problematischen Prophezeiung des Stammapostels Johann Gottfried Bischoff (1871-1960), der vorausgesagt hatte, dass Jesus noch zu seinen Lebzeiten wiederkehren werde (siehe dazu MD 3/2008, 92-100), seien die Erwartungen sehr groß. Die Einbeziehung externer Historiker sei vorerst zwar nicht geplant, doch sollen nach Abschluss der Arbeiten die ausgewerteten Dokumente (z. B. im Internet) zugänglich gemacht werden.

Fazit: Es ist Stammapostel Leber ganz offensichtlich weiterhin ein sehr wichtiges Anliegen, die Geschichte der NAK ohne Scheuklappen aufzuarbeiten und damit die Voraussetzung für eine Versöhnung und eine ökumenische Öffnung seiner Kirche zu schaffen – dies betrifft auch und gerade die Problematik der Bischoff-Prophezeiung. Es ist zu hoffen, aber auch zu erwarten, dass die Kirchenleitung aus den heftigen Reaktionen auf den Informationsabend vom 4. Dezember 2007 die notwendigen Konsequenzen zieht und zukünftig eine größere Sensibilität und Vorsicht bei der Kommunikation solch heikler Themen zeigen wird. Mit seinem Besuch beim Sohn des damals in Ungnade gefallenen Bezirksapostels Peter Kuhlen hat Leber eines jener so dringend geforderten „Zeichen der Versöhnung“ gesetzt, dem hoffentlich weitere folgen werden (siehe dazu http://www.nak.org/de/news/nak-international/article/15555/).


Christian Ruch, Chur / Schweiz