Islam

Sendereihe des Deutschlandfunks: „Koran erklärt“

Vor gut einem halben Jahr hat der bundesweit sendende Deutschlandfunk die Sendereihe „Koran erklärt“ begonnen. Seit Anfang März 2015 wird freitags um 9.55 Uhr (zum Ende der Sendung „Tag für Tag. Aus Religion und Gesellschaft“) ein Koranvers vorgetragen und von einem Islamwissenschaftler oder einer Islamwissenschaftlerin interpretiert. Die Sendung soll in den Diskussionen um den Islam einen Beitrag zur Aufklärung durch Wissensvermittlung leisten und ist ausdrücklich keine Verkündigungssendung.

Intendant Willi Steul erläuterte das Konzept so: „Deutschlandradio nimmt mit der neuen Sendereihe seine unabhängige journalistische Verantwortung wahr. Es gibt keine Absprachen mit muslimischen Verbänden und anderen Institutionen. Es geht auch nicht um eine religiöse Ansprache der Hörer. Koranexperten erläutern die ausgewählten Verse mit ihrer wissenschaftlichen Expertise im notwendigen historisch-exegetischen Kontext. Es geht um eine sachgemäße Auseinandersetzung mit dem Koran. Unsere Experten liefern damit Informationen, die zum Verständnis hilfreich und nötig sind.“ Die wenigsten hätten je eine Zeile im Koran gelesen.

Inhaltlich geht es in den knappen, manchmal mit Fachbegriffen befrachteten, aber in der Regel doch gut verständlichen Erläuterungen um das Wesen des Korans, Eigenschaften und Namen Gottes, die Würde des Menschen, das Verhältnis zu Nichtmuslimen, um ethisches Verhalten und Dialog, um den Ort von Religion und Glauben in der pluralen Gesellschaft überhaupt. „Heiße Eisen“ werden nicht ausgespart, im Gegenteil. Die Kampfbefehle („Skandalverse“) des Korans, das Bild der Frau, die Abgrenzung gegenüber Ungläubigen, die Frage der Bestrafung des Abfalls vom Glauben und andere Themen werden aus islamwissenschaftlicher und islamtheologischer Sicht beleuchtet, nicht selten werden eingefahrene Klischees unter Bezugnahme auf weniger bekannte islamische Traditionen hinterfragt und so in ein neues Licht gestellt.

Die ersten Texte wurden von Ömer Özsoy vom Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Ahmad Milad Karimi vom Zentrum für Islamische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Tuba Isik vom Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn geliefert. Es sind auch nichtmuslimische Wissenschaftler wie Stefan Wild (Bonn), Hartmut Bobzin (Erlangen-Nürnberg), Johanna Pink (Freiburg), Andrew Rippin (Victoria/Kanada) und Michael Cook (Princeton/USA) beteiligt.

„Vier Minuten Sendezeit für den Islam ohne Proteste“, schrieb zum Anfang Raphael Rauch im FAZ-Feuilleton. Als SWR und ZDF vor neun Jahren das „Islamische Wort“ und das „Forum am Freitag“ ankündigten, gab es Kritik. Mit der Betonung des journalistischen und wissenschaftlichen Charakters von „Koran erklärt“ will der Deutschlandfunk den Problemen einer neuen islamischen Verkündigungssendung aus dem Weg gehen, die etwa der Abstimmung mit den islamischen Verbänden bedürfte. Diese Rechnung ist einerseits aufgegangen. Andererseits ist die Nähe des Formats zu einer Verkündigungssendung nicht zu übersehen, was mit der wissenschaftlichen Diktion einen gewissen hybriden Eindruck hinterlässt. So kann man die „nahezu geräuschlose Einführung“ von „Koran erklärt“ (R. Rauch) – es ist nach wenigen Berichten zu Beginn auch bislang auffallend ruhig geblieben um die Sendung – auf positive Aspekte gelungener Integration zurückführen; es könnte aber auch sein, dass der Eindruck „nicht so richtig Fisch oder Fleisch“ den Effekt der an sich positiven und wichtigen Grundintention doch etwas dämpft.


Hansjörg Biener, Friedmann Eißler


www.deutschlandfunk.de/koran-erklaert.2393.de.html Die Multimediasite findet man unter: http://deutschlandfunk.pageflow.io/koran-erklart.