Alexander Warnemann

Runen: „Back to the roots“ oder nordistisches Spezialgebiet?

„‚Rūna‘ bedeutet Geheimnis – für die Vorzeit wie die Gegenwart.“2 Vermutlich ist dieser Komplex von Geheimnis, Zauberzeichen, heimlichem Flüstern3 ein Grund für die nicht erst in der Gegenwart zu beobachtende Attraktivität eines seit Langem nicht mehr verwendeten Zeichensystems. Bereits eine oberflächliche Suche bei gängigen Suchmaschinen zeigt, dass Runen – oder als solche benannte Zeichen – in so unterschiedlichen Bereichen wie Computerspielen, (esoterischer) Musik, Schmuck und politischen Organisationen eine Rolle spielen.4 Eine umfangreiche, weitgefächerte Angebotspalette bezeugt eine stetige Nachfrage. Runen können zudem aufgrund der ihnen zugeschriebenen Eigenschaften die Rolle eines Bindegliedes zu einer als „ursprünglich“ empfundenen germanischen Religion oder Mythologie übernehmen. Auf welcher Grundlage fußt diese Attraktivität? Dieser Frage soll zunächst mit einem Blick auf den Bestand gesicherter nordistisch-runologischer Forschung nachgegangen werden.

1 Forschungsstand

Das neuhochdeutsche Wort „Runen“ dient zur Bezeichnung von Schriftzeichen einer „den Germanen eigentümliche[n] Schrift“5. Als solcher ist der Begriff „Rune“ eine Neubildung des 17. Jahrhunderts nach skandinavischem Vorbild. Das Wort findet sich allerdings in allen germanischen Einzelsprachen belegt – häufig mit der Grundbedeutung „Geheimnis; geheime Beratung“6. Der Umfang des Runenalphabets variiert im Laufe der Zeit und je nach Gebiet. Die älteste, gemeingermanische Anordnung, das „ältere Futhark“, umfasst 24 Zeichen.7

Hinsichtlich des Ursprungs wurde bis heute keine abschließende Lösung erzielt. Als gesichert gilt, dass die Runenschrift „keineswegs aus dem Nichts oder aus rein germ[anischen] Voraussetzungen entstanden ist“. Vielmehr diente ihr als „Anregung oder Vorlage … ein mediterranes Alphabet“.8 Als Entstehungszeitraum kann man – je nach Vorentscheidungen – „das 1. Jh. n. Chr. … bis in das 2. Jh. v. Chr. zurück“9 annehmen. In welchem geografischen Raum die Runen entstanden sind, ist abhängig von der Vorentscheidung für ein Vorlagenalphabet. Mit zunehmender Christianisierung und der damit verbundenen Dominanz der lateinischen Buchstaben verringert sich die Runenkenntnis bzw. der Runengebrauch in Europa. Nicht abschließend klären lässt sich die Frage, ob die Runen durch eine Einzelperson oder eine Personengruppe bzw. eine Ethnie geschaffen wurden.10 Gleiches gilt hinsichtlich der Frage nach dem Zweck der Runenschöpfung11 – sowohl für den profanen als auch den sakral-magischen Gebrauch lassen sich Spuren finden.

Die deutlich vom Griechischen oder Lateinischen unterschiedene Anordnung der Runen ist bis heute nicht erklärbar.12 Relativ sicher ist hingegen die Reihenfolge der Zeichen. Jedem Buchstaben (Graphem) entspricht dabei ein Lautwert (Phonem). Außerdem trägt jede Rune einen nach dem „akrophonen Prinzip“13 gebildeten Runennamen, d. h. der Runenlautwert steht im Anlaut des Runennamens; z. B.: f ≙ ᚠ ≙ „fehu“ (Vieh, [beweglicher] Besitz); u ≙ ᚢ ≙ „ūruz“ (Ur, Auerochs [männliche Kraft?]).14 Zu beachten ist, dass die Runenamen erst in mittelalterlichen Handschriften und Runengedichten zusammenhängend überliefert sind, „jedoch nimmt man an, sie seien zugleich mit der Schaffung der Runenschrift entstanden“15. Außerdem existiert keine „befriedigende Deutung aller Runennamen. Einige Namen können nur unsicher angegeben werden, da die handschriftliche Überlieferung nicht mehr auf dem ursprünglichen älteren Futhark beruht.“ Neben ihrem Lautwert können Runen einen ihrem Namen entsprechenden „Begriffswert“ darstellen – für den allerdings die benannten Vorbehalte zu gelten haben –, „in den ältesten Inschriften kommen Runen nur in ihrer Lautgeltung vor“.16 Häufig werden die 24 Runen des älteren Futhark in drei Reihen zu je acht Buchstaben eingeteilt, die sog. ætt bzw. Plural ættir. Diese Bezeichnung ist allerdings erst ab dem 17. Jahrhundert belegbar.17

Diese Einführung zeigt, dass die wissenschaftlich fundierte Basis, auf deren Grundlage gesicherte Aussagen über Runen, ihre Entstehung und ihre Verwendung möglich sind, relativ schmal ist. Als Basis für die Verwendung im gegenwärtigen esoterisch-weltanschaulichen Kontext erscheint sie untauglich, wenn nicht dieser diametral gegenüberstehend.

2 Runen im neuzeitlichen esoterisch-religiösen Kontext

Runen sind in der Gegenwart immer wieder Bestandteil neuzeitlicher esoterischer Weltanschauungen.18 Ihren geistigen Ursprung haben diese vielfältigen, teilweise kommerzialisierten und konsumorientierten, Bewegungen und Erscheinungen „überwiegend in der anglo-indischen Theosophie“19 aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wesentlich eignet ihnen die Auffassung von den fortschreitenden Offenbarungen bzw. Erkenntnissen, etwa durch besondere Personen, wodurch die Menschheit die Möglichkeit eines fortschreitenden Erkenntnisgewinns hat.20 Grundlegend ist weiter ein „weltanschaulicher Monismus“, der sich in der Annahme einer alles durchströmenden, „universellen Lebensenergie“ äußert, außerdem ein „pädagogischer Evolutionismus“, nach dem das Leben in der „materiellen Welt als eine Schule“ angesehen wird, die „mittels Reinkarnation immer wieder zu durchlaufen ist“21 und schließlich eine gnostisierende „Erkenntnis- und Erlösungslehre im Sinne von Selbst-Erkenntnis als ‚Erlösung‘“ – letztlich eine „esoterische Umformung moderner Selbstverwirklichungsvorstellungen“22: Der Mensch kann (und muss) sich aufgrund der ihm innewohnenden und zu nutzenden spirituellen Kräfte sein Umfeld und Leben selbst gestalten.

Auch für die Runenverwendung findet sich hier ein historischer und inhaltlicher Anknüpfungspunkt:23 „Der Runenokkultismus ist … im Zusammenhang mit den irrationalen, zivilisations- und kulturkritischen, aber auch den rassistischen Tendenzen des späten 19. Jahrhunderts zu sehen und vereinigt … Mystizismus, Spiritismus und das Verlangen nach einer genuin germanischen Religiosität.“ Von entscheidender Bedeutung ist dabei das Werk des „Wiener Schriftstellers und Sektengründers Guido von List“.24 List erhob den Anspruch, allein „durch seherisches Schauen (Intuition) und Erb-Erinnern [sic!]“25 einen Zugang zur „Esoterik der arischen Väter“ wiederzugewinnen. Seine Runenlehre könne als „vielschichtig“26 und wirkungsvoll bezeichnet werden; u. a. unterscheidet er – wie teilweise im esoterischen Bereich der Gegenwart – zwischen Buchstabenrunen und „Heilszeichen-Runen“ und erarbeitete ein eigenes Runenalphabet, mit dessen Hilfe er sich Einblicke in die „urarische Weltanschauung“27 erhoffte. „Runisches Urwissen“, so List, sei von den „Armanen, einem ‚Lehrstand‘ aus Priestern, Skalden, Richtern usw., verwaltet und nach der Christianisierung durch Karl den ‚Sachsenschlächter‘ weitergegeben worden“ und zwar in geheimen Zusammenschlüssen (wie Bauhütte, „Minnesängerorden“, Heroldszunft). Runisches Geheimwissen werde „verkalt“, d. h. versteckt, weitergegeben, eine Auffassung, die es ihm ermöglichte, „Symbolgebäude jeder Art an Bauwerken, in Volks- und Rechtsbräuchen und in der Heraldik zur geheimen arischen ‚Hieroglyphik‘“28 zu erklären. Die Wirkung von Lists Runenlehre sei, so Hunger, beträchtlich gewesen und habe zahlreiche Epigonen gefunden, „die Lists Theorien der Entstehung, Überlieferung und Funktion der Runen aufnahmen und … verbreiteten“29. Auf sie gehen zahlreiche okkulte Zirkel und „Geheimgesellschaften“ zurück, als deren bekannteste die Thule-Gesellschaft des Rudolf Freiherr von Sebottendorf gelten darf.30

Für die Gegenwart sind zwei Erscheinungsformen von Esoterik unterscheidbar: zum einen die „‚Esoterikszene‘ mit einer unüberschaubaren Zahl kommerzieller, freier esoterischer Anbieter von ‚Ausbildungen‘, Dienstleistungen und Waren sowie ein dementsprechendes Publikum von Esoterik-Konsumenten (z. B. astrologische Dienstleistungen)“, zum anderen der Bereich „organisierter esoterischer Weltanschauungsgemeinschaften“.31 Für den Fortgang wird im Sinne einer besseren Übersichtlichkeit diese Unterscheidung auf die beispielhaft betrachteten Phänomene angewendet. Die Übergänge zwischen den beiden Bereichen sind allerdings fließend.

2.1 Runen im Kontext der Esoterikszene

Die Abfrage „Runen“ ergibt beim Versandhändler Amazon in der Kategorie „Buch“ über 200 Titel (25.1.2017); neben sog. Fantasy- oder Forschungsliteratur findet man einen großen Komplex aus dem Bereich „Weissagung“, „Magie“ oder „Ratgeber“.32 Man stößt – in unterschiedlicher Form – auf die „sehr alte, dennoch einfache und unerschöpfliche Tradition der Runenkunde“, wie es etwa exemplarisch für viele im Begleittext bei Amazon zu „Das magische Runen-Handbuch“ von Lisa Peschel heißt. Welche Kraft den Runen innewohnt, lässt sich auch Norbert Pauls Buch „Runen-Qi-Gong für Gesundheit und Lebensfreude“ entnehmen; dort werden Runen als das „energetische Erbe des westlichen Kulturkreises“ bezeichnet (Begleittext Amazon).

Der Begriff „Runen“ ergibt bei der Internetsuchmaschine Google ca. 1 750 000 Treffer (25.1.2017). Auch hier lassen sich zahlreiche Beispiele esoterischer Verwendung finden. So definiert etwa „runenkunde.de“ Runen neben ihrer Verwendung als Buchstaben „als Sinnbilder (Orakel), Schriftzeichen, Energieträger, Lautwert, Zauberzeichen. Die Runenreihe wurde geschaffen, um Menschen einen bildlich-magischen Zugang zu innerem wie äußerem Wissen zu ermöglichen, das die Zeiten überdauern und in allen Lebenslagen anwendbar sein sollte.“33 Dass Runen als Energieträger fungieren, die die Möglichkeit eines Zugangs zu höherem Wissen bieten, zeigt auch „runen.net“: Runen galten „schon immer auch als Geschenk der Götter … Somit wohnte der Rune auch eine gewisse Magie inne. Runen können als Orakel und zur Entscheidungsfindung genutzt werden.“ Allerdings „spielt es eigentlich keine Rolle, ob es sich um Runen- oder Kerzenrituale, Horoskope oder Voodoo-Energie handelt. Wichtig scheint allein der Glaube an die Kraft einer mit Liebe und Bewusstheit ausgeführten Handlung zu sein.“34 Unter „wirkendekraft.at“ widmet sich Katharina Linhart, nach eigenen Angaben „schamanisch praktizierende Energetikerin, systemische Sexualtherapeutin, Dipl. Hypnosetrainerin“, u. a. der Runenwirksamkeit. Mit ihnen möchte „Odin, der Wanderer … zum Eintauchen und Aktivieren der archetypischen Energie, die jeder Rune innewohnt, einladen“35.

Festzuhalten bleibt: Runen eignet, entweder aus sich heraus oder als „Mittel zum Zweck“, eine tiefere Verbindung mit einer höheren Macht, Wesenheit oder Energie. Verschiedene erlernbare Techniken ermöglichen es, diese Verbindung im mantischen oder magischen Sinne nutzbar zu machen und sie zielführend, etwa im Sinne individueller Lebensdeutung, einzusetzen. Die Verwendung von Runen (lediglich) als Buchstaben wird eher geringgeschätzt bzw. als degenerativer Prozess angesehen. Bei der Mehrzahl der genannten Anbieter findet die Runenverwendung als Teil eines Gesamtangebots statt, d. h. in konfliktfreier Verbindung mit anderen esoterischen „Techniken“ wie etwa Tarot oder I-Ging. Hingegen liegt wenig Interesse auf den weltanschaulichen bzw. historischen Hintergründen der einzelnen Techniken.

Exemplarisch sei dies an Igor Warnecks „Ruf der Runen“ dargestellt. Runen seien „belebt“; was sie in die Lage versetze, Menschen zu sich zu „rufen“,36 d. h. sich auf sie einzulassen und von ihnen höheres Wissen zu empfangen. Dabei stellten sie v. a. „Sinnbilder“ dar, „man kann sie als Zeichen für bestimmte Wesenheiten, Handlungen oder Lebensumstände betrachten“.37 Der eigentliche Ursprung der Runen liege „wissenschaftlich noch immer im Dunkeln“, was allerdings für die „magische Arbeit … nicht von großem Interesse …“ sei.38. Relevant sei vielmehr, dass es sich bei Runen um Zeichen handle, die aus „einer magisch-bildlichen Tradition entstanden und nicht aus einer sprachlichen“ – eine Voraussetzung, für die Warneck keinen Beleg anführt. Ihre Kraft „wirke auf der Gefühlsebene“ – und das auch „bei Menschen, die keinerlei Ahnung von Runen haben“.39 Durch ihre Sinnbildfunktion öffnen die Runen „einen großen Raum für Deutungen und fördern die Fantasie der Betrachter, öffnen den Zugang zur anderen Welt … Alle Aussagen stimmen auf ihre Art und Weise – zumindest für den Menschen, der sie er- und gefunden hat.“40 Warneck beschreibt mehrere Verfahren, bei denen Runen zum Einsatz kommen;41 dabei wird stets betont, dass die Wirksamkeit der Runen stark von der eigenen Bereitschaft abhängt, sich zu „öffnen“ und zu „vertrauen“42 – letztlich also allein in der Verantwortung des Anwenders liegt. Von besonderem Interesse ist dabei das „Runenorakel“. Es könne u. a. „praktische Hilfe in vielen Lebensfragen geben, andere Wege aufzeigen, über die wir aus gewohnten Verhaltensmustern ausbrechen können, die Gedanken anregen, die Seele des Fragenden zum Sprechen bringen, auf alles eine klare und deutliche Antwort geben, wenn wir uns trauen, danach zu fragen. Wenn wir eine solche Antwort nicht verstehen, muss dies nicht unbedingt an den Runen liegen. Innere Hemmungen (Blockaden) lassen uns oft die Wahrheit nicht erkennen.“43 Grundsätzlich hebt Warneck hervor, dass für die Arbeit mit Runen eine Hinwendung zur „analogen Wahrnehmung“44 notwendig sei; es gehe um die „Gabe des gleichzeitigen Wahrnehmens von Bedeutungen und Entsprechungen, die parallel zueinander verlaufen“ und durch die sich völlig neue Zusammenhänge auftäten.45

2.2 Runen im organisierten Weltanschauungsbereich

Im Folgenden wird der organisierte Weltanschauungsbereich in den Fokus rücken, speziell die unter der Bezeichnung „Deutschgläubige und neugermanisch-heidnische Gruppen sowie Asatru-Vereinigungen“ zusammengefassten Gruppen.46 Dabei kann eine Unterscheidung getroffen werden zwischen den „stärker von esoterischem Gedankengut geprägten neugermanisch-heidnischen Gruppen“, die „sich auf die Wiederbelebung des altgermanischen Polytheismus und der damit verbundenen religiösen Ritualpraxis konzentrieren“, und den „deutschgläubige[n] Bewegungen, [die] sich an der Frühgeschichte des eigenen, also des deutschen Volkes … orientieren“.47

Nur wenig lässt sich beispielsweise auf der Internetpräsenz des Armanenordens finden; es existiert lediglich ein positiver Literaturhinweis auf Guido von Lists „Das Geheimnis der Runen“.48 Im Bereich der „Artgemeinschaft“– Germanische Glaubensgemeinschaft e. V.“ ergibt die Suche nach „Runen“ im Bereich „Buchdienst“49 insgesamt vier Ergebnisse; davon zwei Artikel in der „Nordischen Zeitung“ von Karl Theodor Weigel, der laut Hunger zur runologischen „Amateurwissenschaft“ des Dritten Reiches zu rechnen ist.50 Ebenfalls einen Literaturhinweis findet sich auf der Internetpräsenz der „Goden“51, versehen mit einer kurzen Einführung, aus der hervorgeht, dass es sich bei Runen nicht nur um Schriftzeichen handle, sondern um Träger eines tiefer reichenden Sinns. Die „Germanische Glaubensgemeinschaft“ unter der Leitung Géza von Neményis52 bietet u. a. ein Forum, in dem Fragen zu Runen diskutiert werden können;53 eine spezielle Behandlung des Themas erfolgt auf der Website nicht, allerdings wird auf von Neményis diesbezügliches Werk („Heilige Runen“) verwiesen. Demnach sind Runen fester Bestandteil der „germanischen Religion und Mythologie“54. Es handle sich bei ihnen um „Kultzeichen der Stein- und Bronzezeit“55, und sie folgten, so von Neményi, einer „eigenen, heidnischen-germanischen Zahlenmystik und Magie“.56

Stellvertretend für den umfangreichen Bereich „universalistisches Asatru“57 sei hier auf „asentreu.de“ bzw. „altesitte.info“/„www.asentr.eu“ eingegangen, die eine umfangreiche Einführung in Hintergründe und Zielsetzung der „Asatru“-Bewegung bieten. Runen wird eine eigene, auch den Stand der wissenschaftlichen Forschung berücksichtigende (Unter-)Seite gewidmet.58 Neben einer Deutung der einzelnen Runen finden sich, nach einer historischen Einführung, ausgearbeitete Hinweise auf verschiedene Runenorakelverfahren (Divination).59 Wiederum eine eigene (Unter-)Seite widmet sich der „Runenmagie“, in der auf verschiedene Techniken wie Runenvisualisierung, -gesang, -amulette, Zahlenmagie oder Heilung durch Runen eingegangen wird. Allerdings lassen sich der Seite auch Hinweise entnehmen, dass deren Verwendung zumindest für den Seitenbetreiber fakultativ ist.60

3 Zusammenfassung und Kritik

Auffällig ist zunächst die enorme Bandbreite der Runenverwendung hinsichtlich ihrer Zielsetzung sowie ihres weltanschaulich-religiös-politischen Kontextes. Im Bereich der „Alltagsesoterik“ wurden Runen vielfach als „Mittel zum Zweck“ genutzt, um etwa höhere „Erkenntnisse“ oder einen Blick in die Zukunft zu gewinnen. Sie können dabei als selbständige Träger eigener „Energie“ oder als Verbindung zu einer „höheren Macht“ aus „uralten Zeiten“ angesehen werden. Insofern können die benannten Kriterien esoterischer Spiritualität als geltend angesehen werden.

Im Bereich der organisierten neugermanisch-heidnischen Religiosität lassen sich ähnliche Anwendungsformen finden. Dies geschieht allerdings – in unterschiedlicher Intensität – häufig vor einem deutlich ausgeprägteren weltanschaulich(-politischen) Hintergrund. Dass diese Verwebung wegen der Nähe mancher runenverwendender Kreise zu rechtsextremem Gedankengut nicht unproblematisch ist, ist vielen Autoren bewusst; zum Teil erfolgen deutliche Distanzierungen.61 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Verwendung von Runen nicht automatisch auf eine Affinität des (esoterischen) Verwenders zu rechtsextremem, (neo-)nazistischem Gedankengut schließen lässt.62 Zu fragen bleibt dennoch, inwieweit sich Anbieter und Anwender des „runenokkulten“ Hintergrundes der ursprünglichen Zielsetzung mancher Praktiken bewusst sind.63 Birgt nicht eine solche „naive“ Herangehensweise die Gefahr, zum möglichen Anknüpfungspunkt rechter Ideologie zu werden?64

Funktionales Charakteristikum aller beobachteten Runenverwendungsformen ist sodann der oftmals betonte Gegensatz zwischen „Begriffsrune“ und „Buchstabenrune“. Die Rune fungiert nicht lediglich als Graphem – im Gegenteil ist diese Verwendung oft schon als Zeichen für ihre Degeneration bzw. den Einfluss des Christentums zu deuten –, sondern sie ist Träger eines ganzen Begriffsfeldes, an welches, etwa in der Orakelverwendung, problemlos angeknüpft werden kann. Deutlich tritt hier der benannte Gegensatz zur schmalen Basis der wissenschaftlich gesicherten runologischen Erkenntnisse zutage. Dieser Gegensatz wird etwa damit begründet, dass die exakten Wissenschaften „unvollständig“, wegen des christlichen Hintergrunds der meisten Wissenschaftler nicht voraussetzungslos oder gar interessegeleitet seien65 – als problematisch wird er kaum wahrgenommen.

Kritisch ist hier anzumerken, dass eine solche Position nicht nur die Frage nach der Begründung der eigenen Position verweigert, sondern sie durch die eigene „innere Schau“ bzw. das jeweilige Geschichts- oder Weltbild als „gegeben“ ersetzt. Ein Diskurs über Voraussetzungen und Ergebnisse findet nicht statt. Vielmehr öffnet sich an dieser Stelle ein hoch spekulativer Raum, in dem Aussagen über Runen lediglich auf ihre Kongruenz mit der eigenen Subjektivität („Intuitionismus“) hin zu überprüfen sind.66 Kritisch ist nach den Konsequenzen zu fragen, die sich daraus ergeben – angefangen von der Frage nach möglichen personalen Abhängigkeiten bis hin zur möglichen Realitätsverweigerung bzw. zum Realitätsverlust Einzelner.

Hinsichtlich der subjektiven Faszination, die Runen im esoterischen oder religiösen Bereich für den Einzelnen ausüben, kann – in Anlehnung an von Schnurbein – vermutet werden, dass sie als „Symbol“ für eine „vermeintlich heilere germanische Vergangenheit“ stehen, d. h. als Kristallisationspunkt für religions- bzw. kulturkritische Fragen fungieren und einem Bedürfnis nach „Verheimatung“ dienen.67

4 Theologisch-seelsorgerliche Aspekte

Die theologisch-seelsorgerliche Auseinandersetzung mit der Runenverwendung hat v. a. deren weltanschaulich-religiösen Hintergrund bzw. die daraus sich ergebenden Konsequenzen zu betrachten. Wird etwa die Beschäftigung mit Runen als Ausdruck für die Suche nach der eigenen „Verheimatung“ in einer „Kette jahrtausendealter Traditionen und in der Spur der ‚Ahnen‘“68 verstanden, könnte sich hier die seelsorgerische Fragestellung nach dem Selbstverständnis der eigenen Persönlichkeit verbergen. Werden zudem die Zugehörigkeit und der Wert eines Menschen von genetischen Faktoren, von „Blut“ oder „Rassenzugehörigkeit“ oder einer wie auch immer gearteten „Volksseele“ abhängig gemacht, kann dies nur als eklatanter Gegensatz zum christlichen Menschenbild gesehen werden. Hier wäre zu betonen, dass das christliche Menschenbild von einer Gotteskindschaft aller Menschen – unabhängig von deren vorausgegangenen Eigenschaften oder Leistungen – ausgeht.

Es ließ sich beobachten, dass Runen im Bereich der Alltags- und „Gebrauchsesoterik“ für magische oder mantische Zwecke verwendet werden. Wird Magie als Möglichkeit betrachtet, mittels der Verwendung bestimmter Handlungen, Reden oder Zeichen zwischen Gott und Mensch einen Kontext zu erschaffen, in dem der Mensch – vermittelt etwa durch Runen – und die Gottheit als gegenseitig beeinflussbare, wenn nicht potenziell gleichberechtigte Größen erscheinen,69 ist demgegenüber von christlicher Seite vor dieser „Gleichsetzung“ die Unterscheidung von „Schöpfer und Geschöpf“ geltend zu machen,70 gerade um einer „Vergöttlichung“ und „Selbstfixierung“ des Menschen zu wehren. Allerdings hat sich die theologische Betrachtung immer auch selbstkritisch die Frage zu stellen, welche Antworten sie zu geben vermag hinsichtlich der „Sehnsucht nach authentischer Spiritualität“ sowie der „Suche danach, die individuelle Religiosität zu leben“.71


Alexander Warnemann


Anmerkungen

  1. Bei diesem Beitrag handelt es sich um die gekürzte Version eines Aufsatzes, der im Zusammenhang mit dem EZW-Curriculum Religions- und Weltanschauungsfragen II entstanden ist (ungekürzte Version abrufbar unter www.ezw-berlin.de/html/15_9642.php).
  2. Hunger, 331.
  3. Vgl. „Rune“, in: Duden, Herkunftswörterbuch.
  4. Computerspiele: z. B. http://dragonsoulgame.com; Musik: z. B. Healing Runes – Heilende Klänge der Runen, www.youtube.com/watch?v=TsZv2a6UVq8 ; Runaljod – Yggdrasil, https://open.spotify.com/album/6sOhOU33d0GlRAN8x0PSsX ; Schmuck: z. B. www.amazon.de  (Suchbegriff „Runen-Schmuck“); politische Organisationen: www.verfassungsschutz.brandenburg.de/media_fast/4055/Brosch%C3%BCre%20Symbole%20und%20Kennzeichen.pdf .
  5. Düwel, 1. Zum Folgenden vgl. ebd.
  6. „Rune“, in: Duden, Herkunftswörterbuch; Düwel, 1f: „… got[isch] rūna, altsächsisch, althochdeutsch rūna(stab), altenglisch rūn; altnordisch rún, mittelhochdeutsch rûne mit der Grundbedeutung „Geheimnis“. In den Bildungen Geraune … und Alraun sowie als Namenglied in Sigrun, Gudrun, Heidrun usw. … lebt das Wort bis heute weiter.“
  7. Vgl. www.runenprojekt.uni-kiel.de; Düwel, 2. Das ältere Futhark scheint für die Zeit zwischen 200 und 700 n. Chr. grundlegend zu sein; es wird ab ca. 800 vom auf 16 Zeichen reduzierten „jüngeren Futhark“ (vgl. ebd., 88ff) und dem angelsächsischen, auf 33 Zeichen erweiterten, „Futhork“ abgelöst.
  8. Ebd., 175. In der Diskussion stehen hier Ableitungen aus dem lateinischen, griechischen oder dem alpin-etruskischen Bereich (vgl. ebd., 176-178).
  9. Ebd., 179. In diesem Zusammenhang relevante Fundstücke sind etwa die „Fibel von Meldorf“, die „Keramikscheibe von Osterrönfeld“ bzw. der „Kamm von Vimose“, vgl. ebd., 178. Exemplarisch nennt Düwel den häufig als Beleg für die frühe Existenz der Runen herangezogenen Bericht des Tacitus („Germania“, Kapitel 10) mit den darin erwähnten „notae“. Eine Entscheidung, ob es sich dabei wirklich um (Begriffs-)Runen handelt, kann nicht mit Sicherheit getroffen werden.
  10. Je nach Vorentscheidung über den Zweck der Runenschöpfung ist hier eine Vielzahl verschiedener Erklärungen möglich, wenngleich nicht belegbar (vgl. ebd.). Hinsichtlich der Schaffung durch eine bestimmte Ethnie lässt Düwel eine Entscheidung offen (vgl. 180).
  11. Ein besonderes Augenmerk richtet Düwel auf die „Vorstellung vieler Personen“, dass die Runen „mit dem Hauch des Geheimnisvollen umgeben“ seien (181).
  12. Vgl. ebd., 7. Erst im Mittelalter erscheinen Runen auch in der Alphabetordnung.
  13. Ebd.
  14. Vgl. ebd., 7f.
  15. Ebd. „Inschriftlich tauchen Runennamen vereinzelt auf, aber nicht vor dem 4. Jh.“
  16. Ebd. „Die Methode … vor allem einzeln stehende Runen mit ihrem Begriffswert aufzulösen, kann nur mit großer Behutsamkeit angewandt werden …“ Vereinzelt konnten Runen in späteren Zeit auch als Abkürzungen fungieren.
  17. Ebd., 9. Jede ætt erhielt dabei einen Namen, der vom ersten Buchstaben der jeweiligen Reihe gebildet wurde und „eine Verbindung mit den Göttern herstellen sollte: Freys, Hagals und Týs ætt“.
  18. Zur Einordnung und historischen Entwicklung vgl. Handbuch Weltanschauungen, 561ff. Der in diesem Beitrag verwendete Begriff Esoterik orientiert sich im Wesentlichen an den dort genannten Einordnungskriterien.
  19. Ebd., 561.
  20. Vgl. ebd., 565f.
  21. Ebd., 713.
  22. Ebd., 566.
  23. Vgl. Hunger, 316. Insgesamt zur Entwicklung der Runenforschung u. a. in Deutschland vgl. Düwel, 217-225.
  24. Hunger, 316. Von List gilt dabei für Hunger „wie Lanz von Liebenfels – er gilt als antisemitischer Mentor Hitlers – zu den undurchsichtigsten geistigen Vorläufern des Nationalsozialismus“. Vgl. von Schnurbein, 63-68.
  25. Hunger, 316. Hunger zitiert von Lists Biografen: Johannes Balzli, Guido von List. Der Wiederentdecker Uralter Arischer Weisheit, Leipzig, 1917, 46f.
  26. So zurückhaltend Hunger, 317.
  27. Ebd.
  28. Ebd., 318. Runen seien „nichts anderes als Sammlungsmittel zum Zwecke der Autosuggestion, Medien zum konzentrierten Denken, zur intensiven Meditation“.
  29. Ebd., 318f.
  30. Vgl. ebd., 325.
  31. Handbuch Weltanschauungen, 563.
  32. Hier lassen sich zum Teil sehr aufwändig gestaltete Ausgaben mit beigefügten Runensets oder DIN A2-Plakaten „für die einfache Anwendung“ finden; Titelbestandteile wie etwa „Runenmagie für Einsteiger: Set mit Buch und Holzrunen“ von Edred Thorsson; „Strichcoding – 144 kraftvolle Heilzeichen für den Soforteinsatz“ von Roswitha Stark oder „Das magische Runen-Handbuch“ von Lisa Peschel deuten die verfügbare Angebotsbreite an.
  33. http://runenkunde.de/index.php?option=com_content&view=article&id=47&Itemid=266 .
  34. http://runen.net/runen. Bei „runen.net“  finden sich auch praktische Hinweise auf Runenmagie, Namensrunen etc.
  35. www.wirkendekraft.at/Runen . Insgesamt schreibt Linhart den Runen ein breites Wirkungsspektrum zu: so stehen sie nicht nur „mit dem Tarot und den Equilibrium-Fläschchen von Aura Soma in Beziehung. Verbindungen gibt es ebenfalls zu Bäumen, Pflanzen und Farben.“
  36. Warneck, 15. „Vorher hat es gar keinen Sinn, sich die Mühe zu machen, etwas über Runen, über die Geheimnisse unserer germanischen Vorfahren erfahren zu wollen, was über ein wissenschaftliches Verständnis hinausginge“ (ebd).
  37. Ebd., 16. Daneben können sie auch als Buchstaben eingesetzt werden.
  38. Ebd., 18. Warneck geht eher oberflächlich auf die gesicherten Erkenntnisse ein, zu einer eindeutigen Positionierung kommt es nicht.
  39. Ebd. Es ist aufschlussreich, dass Warneck hier auf das Andreaskreuz vor Bahnübergängen (ᚷ – Gebo), auf Schutzzeichen in Form der Eiwaz-Rune ᛇ an Häusern sowie auf die Kirche verweist, die sich ebenfalls der Runen-Kraft bediene, indem sie aus den Runen Wunjo und Gebo (ᚹ und ᚷ) „eine Binderune schuf, heute bekannt als Zeichen des PAX CHRISTI“. Dass er im Wiedererkennen von Runen in Fachwerkbauten und der Herleitung des Christusmonogramms auf ältere Aussagen von Schülern von Lists zurückgreift, wird zumindest an keiner Stelle deutlich gemacht; vgl. Hunger, 346-355. Allerdings erfolgt auch eine Distanzierung von der Runenverwendung im Nationalsozialismus; vgl. Warneck, 36f.
  40. Ebd., 20. Eine Übersicht über die verschiedenen Bedeutungsebenen (Name, Laut, Sinnbild, Kraft) bietet Warneck ebenfalls (22f).
  41. Anders als manche anderen Anbieter rät Warneck von einer „Mischverwendung“ mit anderen Techniken, z. B. Tarotkarten, ab (36).
  42. Vgl. etwa ebd., 24, 29 u. ö.
  43. Ebd., 41. Hingegen könne das Runenorakel nicht „auf Ja/Nein-Fragen antworten oder Ihnen das Leben abnehmen“, ebd.
  44. Demgegenüber stehe die vom Ursache-Wirken-Denken bestimmte „lineare Wahrnehmung“.
  45. Ebd., 116. Beispielsweise könne die Beobachtung eines vorbeifliegender Adlers, „Sinnbild für Freiheit und Wissen“, im Zusammenhang mit der eigenen gegenwärtigen Lebenssituation zu der Erkenntnis führen, „dass wir gerade jetzt im Augenblick unsere Freiheit verlieren“.
  46. Handbuch Weltanschauungen, 594. Vgl. dort auch zur näheren Definition. Dieser Untersuchungsgang erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
  47. Ebd., 599.
  48. http://armanen-orden.blogspot.de.  Der letzte Eintrag der Seite datiert vom 6.12.2011; http://armanen-orden.blogspot.de/2011/01/guido-v-list-das-geheimnis-der-runen.html . Zur positiven Wertung von Lists vgl. Handbuch Weltanschauungen, 599.
  49. http://asatru.de .
  50. Hunger, 409. Diese sah sich „nicht an die Objektivitätsforderung der Hochschulforschung gebunden“ und vertrat „mit Nachdruck das Parteilichkeitsideal des Nationalsozialismus“.
  51. Hans Wilhelm Hammerbacher, Der Runen ewiger Sinn, o. A.; vgl. www.diegoden.de/schrifttum.htm : „Die Christianisierung und der Geschichtsumbruch versuchte sie ganz aus unserem Gedächtnis zu verdrängen.“
  52. Vgl. Handbuch Weltanschauungen, 604-606. Webpräsenz: www.germanische-glaubens-gemeinschaft.de
  53. http://ggg-forum-fuer-germanisches-altheidentum.xobor.de/search.php?zeit=9999&s=2&forum=0&q=Runen .
  54. Von Neményi, 14.
  55. Ebd., 12. Dass dieses Wissen untergegangen sei, liege letztlich v. a. an christlich geprägten Runenforschern, „die von teilweise falschen Voraussetzungen“ ausgehen (11f).
  56. Ebd., 13. „Auch haben die Runenforscher bis heute nicht erkannt, dass im Runenlied der Edda im Hávamál Strophen zu den einzelnen Runen stehen, die ihre Bedeutung erhellen. Damit ist ihnen eine umfangreiche Einzeldeutung der Runen verwehrt …“
  57. Vgl. Handbuch Weltanschauungen, 606f.
  58. www.asentr.eu/runenundanderes.html .
  59. www.asentr.eu/rune2.html. U. a. findet sich ein ausführliches Literaturverzeichnis. Der Seitenbetreiber beschreibt seine eigene Position folgendermaßen: „Unabhängig davon, ob die Runen tatsächlich in der Lage sind, Voraussagungen über Lebensumstände zu treffen, sind sie allemal ein hervorragendes Werkzeug zur Selbsterkenntnis. Je länger man mittels der Runen über die eigene Persönlichkeit nachdenkt, desto besser wird man sich verstehen. Und dann kann es sein, daß man feststellt, wie sehr man doch innerhalb der kosmischen Gesetze lebt, deren Symbole die Runen sind.“
  60. www.asentr.eu/runmag.html . „Wir setzen die Runen auch zu magischen Zwecken ein, z. B. um Heilungen zu unterstützen, betrachten das aber als Kunst, die nach persönlichem Willen und Können ausgeübt werden kann und kein für alle gültiger Teil unserer Religion ist.“
  61. Vgl. Warneck, 36f; von Neményi, 12.
  62. Was nicht ausschließt, dass dies vorkommt; vgl. z. B. reichsdeutschelade.wordpress.com. Die Tendenz, dass Runen immer stärker im Rechtsextremismus verwendet werden, sieht auch Düwel, VII.
  63. Wie gezeigt, findet sich in vielen Äußerungen ein – sicher oft unbewusster – Rückgriff auf Gedankengänge von Lists und seiner Epigonen, etwa hinsichtlich der „Ursprünglichkeit“ der Runen bei den germanischen „Vätern“ oder der Verwendung von Runenyoga.
  64. Dies umso mehr, wenn man, wie von Schnurbein (140f), auf die „Brückenfunktion“ neugermanisch-heidnischer Gruppen zwischen „auf den ersten Blick so unterschiedlichen Strömungen wie den esoterischen, alternativen Bewegungen und der rechtsextremen politischen Szene“ blickt.
  65. Vgl. von Neményi, 12.
  66. Insofern ist auch der Vorwurf eines ahistorischen Rekonstruktionismus zu erheben.
  67. Von Schnurbein, 140. Von Schnurbein spricht von einer Sehnsucht „nach Ganzheit, nach Verbundenheit mit Mensch und Natur, nach einer Überwindung der Entfremdung in religiöser Gemeinschaft und im Kult“, möglicherweise in Verbindung mit einer gewissen „Exotik“ (141).
  68. Handbuch Weltanschauungen, 614.
  69. Magie wird in Anlehnung an Düwel (208) verstanden als „manipulative Handlung oder Rede … mit Hilfe eines Komplexes von Zeichen, die eine analoge Beziehung zum indirekten Objekt dieser Handlung haben. Objekte der Handlung sind z. B. Götter und Dämonen; indirekte Objekte heißen sie, da das direkte Objekt der Prozedur das Zeichen bzw. der Zeichenkomplex ist.“ Dieses „indirekte Objekt“ wird dann „als Partner eines kommunikativen Prozesses seinerseits zum Subjekt der reziproken (rückbezüglichen) Handlung (das ist das beabsichtigte Einwirken der Götter oder Dämonen), deren Objekt nun der Magier oder andere Personen bzw. Dinge darstellen“.
  70. „Christlicher Glaube geht von der Ambivalenz und der Gebrochenheit menschlicher Existenz aus und nimmt den Menschen in seiner Ganzheit, d. h. in seiner Stärke und auch seiner Schwäche an“, Matthias Pöhlmann, Rückkehr zu Odin und Freyja?, in: Pöhlmann (Hg.), 94.
  71. Ebd., 96.


Quellen


von Neményi, Géza: Heilige Runen. Zauberzeichen des Nordens, München 2004

Warneck, Igor: Ruf der Runen. Eine Einführung in die Welt der Runen, Darmstadt 112016

http://armanen-orden.blogspot.de 

http://asatru.de  (= http://alte-sitte.de)

http://dragonsoulgame.com 

http://ggg-forum-fuer-germanisches-altheidentum.xobor.de 

http://igor-warneck.de 

http://runen.net 

http://runenkunde.de 

http://runenmagie.de 

www.diegoden.de 

www.germanische-glaubens-gemeinschaft.de 

https://reichsdeutschelade.wordpress.com 

www.wirkendekraft.at 


Sekundärliteratur


Düwel, Klaus: Runenkunde, Stuttgart 42008

Handbuch Weltanschauungen, Religiöse Gemeinschaften, Freikirchen, hg. von Matthias Pöhlmann und Christine Jahn, Gütersloh 2015

Hunger, Ulrich: Die Runenkunde im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Wissenschafts- und Ideologiegeschichte des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 1984

Pöhlmann, Matthias (Hg.): Odins Erben. Neugermanisches Heidentum: Analysen und Kritik, EZW-Texte 184, Berlin 2006

von Schnurbein, Stefanie: Göttertrost in Wendezeiten. Neugermanisches Heidentum zwischen New Age und Rechtsradikalismus, München 1993

Simek, Rudolf: Religion und Mythologie der Germanen, Darmstadt 22014