Islam

Rücktritt eines Imams in Frankfurt

Die Hazrat-Fatima-Moscheegemeinde (Frankfurt-Hausen) kam nach Sendungen des hessischen Fernsehmagazins „defacto“ am 17.1. und am 7.2.2010 wochenlang nicht zur Ruhe. Der türkisch-schiitische Geistliche Sabahattin Türkyilmaz, der der Gemeinde als Imam vorstand, war wegen israelfeindlicher Äußerungen in die Kritik geraten. Filmaufnahmen zeigten ihn auf Demonstrationen, wo er unter anderem „Tod, Tod Israel“ skandierte oder auf Arabisch ins Megafon rief: „Wir gehören zur Gemeinschaft der Hisbollah.“ In einer im Internet veröffentlichten Freitagspredigt vom September 2009 warb der Imam für den Al-Quds-Tag, den vom iranischen Revolutionsführer Khomeini eingeführten Propagandatag gegen Israel.

Zunächst distanzierte sich der Generalsekretär der Gemeinde, Ünal Kaymakçi, nicht eindeutig und stellte sich hinter den Imam, von dem es hieß, er habe nichts über die Hintergründe der Demonstration gewusst. Die durch die Sendungen des Magazins ausgelöste Diskussion zog weite Kreise auch in der Öffentlichkeit, da es zum einen in der Vergangenheit eine lang andauernde Kontroverse um den repräsentativen Moscheeneubau in dieser Gemeinde gegeben hatte, in der sich viele an die Seite der Muslime gestellt hatten (die Grundsteinlegung war im Sommer 2009 von großem öffentlichem Interesse begleitet worden). Zum anderen ist Ünal Kaymakçi nicht nur stellvertretender Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) und sitzt in dieser Funktion am Runden Tisch der hessischen Landesregierung zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts, er ist unter anderem ebenso stellvertretender Vorsitzender des Rates der Religionen Frankfurt. So kam es zu teilweise sehr deutlichen Reaktionen und Forderungen nach einer eindeutigen und aktiv kritischen Haltung zum Antisemitismus von verschiedenen Seiten aus Politik, Stadtgesellschaft und Religionsgemeinschaften.

Diese Einbindung hat Früchte getragen. Aufgrund des wachsenden Drucks trat Sabahattin Türkyilmaz von allen Ämtern zurück, womit er „möglichen Schaden für die Hazrat-Fatima-Gemeinde sowie den Baufortschritt für die im Stadtteil Hausen geplante Moschee“ abwenden wollte. Unter Berufung auf die Meinungsfreiheit verteidigte er gleichwohl sein Verhalten. Der Imam sah sich weiterhin als Opfer einer „hasserfüllten Schmutzkampagne“, die sich „nahtlos in den Rahmen des neuen Feindbildes Islam und Muslime in Deutschland und Europa“ reihe, „die Züge einer Meinungsunterdrückung“ trage und mit einem demokratischen System nicht vereinbar sei. Der Antisemitismusvorwurf sei eine Falle der Zionisten, er hingegen sei seiner religiösen Pflicht nachgekommen, jeden Juden gegen die Feindseligkeit von Antisemiten zu schützen. Dahinter steht die ideologisch aufgeladene Unterscheidung von Antisemitismus und Antizionismus, die immer wieder dazu führt, dass die Grenze zwischen berechtigter Kritik an der Politik des Staates Israel und antisemitischen Äußerungen verschwimmt. Zugleich betonte Türkyilmaz, die Gemeinde habe ihm ihr „vollstes Vertrauen“ ausgesprochen.

Wie diese Aussage mit der Entlassung des Imams zusammengehen sollte und weitere inhaltliche Punkte wollte Generalsekretär Kaymakçi in einer Stellungnahme klären: „Wir werden eine ganz klare Position vermitteln.“ Dies geschah am 23.2.2010 und sorgte für allgemeine Erleichterung, da die Gemeinde sich (mehrheitlich) vom Al-Quds-Tag und den damit verbundenen Inhalten distanzierte, das Existenzrecht Israels bekräftigte und sich zum Grundgesetz und zur demokratischen Rechtsordnung bekannte. Wie Muslime die Sensibilitäten der Mehrheitsgesellschaft „anerkennen und verinnerlichen“ müssten, so müssten allerdings auch umgekehrt die Sensibilität und die Empörung vieler Muslime gegenüber Israel angemessen wahrgenommen werden.

Begleitet wurde die Diskussion unter anderem von teilweise schrillen Invektiven des schiitisch-islamistischen Webportals „Muslim-Markt“, das seit nunmehr elf Jahren existiert und für seine antizionistischen und antiisraelischen Äußerungen bekannt ist. Sabahattin Türkyilmaz wird demnächst auf Einladung der Betreiber auf der Islamischen Tagung Deutschsprachiger Muslime im Islamischen Zentrum in Hamburg den Eröffnungsvortrag halten und wurde dazu geradezu euphorisch angekündigt.

Es sind – auch wenn dies nur das mittelbare Umfeld darstellt – solche Verbindungen, die darauf hinweisen, dass der Frankfurter Schritt in die richtige Richtung noch nicht alle Fragen geklärt hat. Denn sie entstehen nicht von heute auf morgen und werden in der Regel auch nicht durch eine verbale Äußerung sofort aufgekündigt. Von daher wird auch bei der einen oder anderen Formulierung der Stellungnahme noch einmal nachzufragen sein. Etwa bei den Äußerungen zum Vertrauensverhältnis zwischen Imam und Gemeinde, die so verstanden werden wollen, als habe man von den politischen Aktivitäten und Einstellungen des Imams nichts gewusst. Dabei geht es aber nicht primär um Formulierungen der Stellungnahme, sondern vielmehr um die gesellschaftliche Tragfähigkeit ihrer durch den Druck der Öffentlichkeit bewirkten Intention. Deren Bewährung steht aus.


Friedmann Eißler


Öffentliche Erklärung von S. Türkyilmaz:
http://freitagskanzel.files.wordpress.com/2010/02/offentliche-erklarung.pdf 

Einladung zur Hamburger Tagung:
www.islamischer-weg.de/Tagung/pdf/Ankuendigung2.pdf 

Zum Muslim-Markt:
www.ufuq.de/newsblog/518-muslim-markt-feiert-chameneis-rede